IASL Diskussionsforum online
Bewußtsein und Kommunikation

Leitung: Oliver Jahraus


Oliver Jahraus
Bewußtsein und Kommunikation

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Abstract

Die Differenz zwischen Bewußtsein und Kommunikation ist eine konstitutive Differenz in der Theoriearchitektur der Systemtheorie. Sie nimmt subjektphilosophische und kommunikationstheoretische Konzepte auf, radikalisiert sie und bettet sie in eine fundamental veränderte Konzeption ein. Aporien, die die Konzeptionen der Einzelsysteme kennzeichnen, werden durch die Idee einer strukturellen Kopplung aufgelöst, die an die Stelle einer Letztbegründung einen unhintergehbaren Prozeß setzt. (english outline)

Inhalt

  1. Die online-Diskussion
  2. Strukturelle Kopplung
  3. Die subjektphilosophische Erbmasse: Begründungskategorien
  4. Bewußtsein
  5. Kommunikation
  6. Konzeption und Empirie
  7. Symmetrie und Asymmetrie in der strukturellen Kopplung
  8. Die >Ur-Differenz< von Bewußtsein und Kommunikation
    als Fundament der Systemtheorie
  9. Konzeptualisierungsvorschläge: Sinn und Medien
  10. Vorschlagliste der Diskussionsthesen im Überblick
        (Anschrift des Autors, Copyright)
  11. Literatur

1. Die online-Diskussion

Um dieses Diskussionsforum zum Thema Bewußtsein und Kommunikation einzuleiten und potentielle Beiträger anzusprechen, werde ich im folgenden - konzeptionell unbefangen - forsche Thesen formulieren und einige ungewöhnliche Konzeptualisierungsvorschläge machen, um auf diese Weise zu Widerspruch, Gegenvorschlägen und anderen Ansätzen zu provozieren, aber auch, um zu Ergänzungen, Erweiterungen und Fortsetzungen in einer laufenden Diskussion anzuregen. Und das sind die Rahmenbedingungen dieses Diskussionsforums:

(1) Gegenstand der Diskussion: Wer heute von Bewußtsein und Kommunikation spricht, denkt wohl in erster Linie an jenen systemtheoretischen Theoriebaustein, der diese beiden Phänomene in wechselseitige Relation bringt und der unter dem Namen >strukturelle Kopplung< firmiert. Strukturelle Kopplung markiert heute den Kern der systemtheoretischen Theoriebautechnik, der sich nicht nur beständig weiterentwickelt, sondern auch zur Weiterentwicklung der gesamten Theoriearchitektur der Systemtheorie beiträgt. Um ihn herum kristallisiert sich ein wesentlicher, innovativer und impulsiver Bereich der systemtheoretischen Theoriediskussion.

Es geht hierbei nicht um ein Fachproblem systemtheoretischer >Theoriebauingenieure<; vielmehr bezeichnen Bewußtsein und Kommunikation einen, vielleicht den Konvergenzpunkt in der Entwicklung und Diskussion der derzeitigen Theorieavantgarde aus

  • Philosophie und Soziologie,
  • Psychologie und Psychoanalyse,
  • Kommunikationstheorie und Medientheorie und nicht zuletzt
  • Literaturwissenschaft.

(2) Die medialen Bedingungen des Internet können und sollen genutzt werden:

  • die Möglichkeit einer schnellen, wenn auch nicht printmedialen Publikation,
  • die Möglichkeit, unmittelbar auf andere Beiträge zu reagieren, sie konstruktiv zu kritisieren oder zu modifizieren oder zu erweitern,
  • die Möglichkeit, eigene Konzepte in einem Fachforum zur Diskussion - sozusagen auf den Prüfstand - zu stellen,
  • die Möglichkeit, das Konzepthafte der Beiträge gegenüber einer printmedialen Publikation zu belassen (ohne deswegen hinter den Diskussionsstand zurückzufallen) und gerade dadurch zur weiteren Diskussion anzuregen.

(3) Einstiegspunkte: Im Ansatz haben wir die Möglichkeiten genutzt, Hypertexttextstrukturen zu verwirklichen: Die folgenden Abschnitte bauen zwar auch aufeinander auf, sind aber gleichzeitig weitgehend modular konzipiert. So sollen die Einzelkomplexe so weit als möglich selbständig akzentuiert werden, um verschiedene Einstiegspunkte in die Diskussion anzubieten. Dabei sind nicht nur die einzelnen Module untereinander verlinkt, um verschiedene Lesewege, Rück- und Vorgriffe aufzuzeigen, sondern der Beitrag ist selbst mit dem Diskussionsforum von Nina Ort: Der Kommunikationsbegriff verlinkt.

Die Module bzw. Komplexe sind:

  • strukturelle Kopplung,
  • subjektphilosophische Erbmasse,
  • Bewußtsein,
  • Kommunikation,
  • symmetrische Konzeptualisierung,
  • Sinn und
  • Medium.

(4) Beobachtung als Spielregel: Die Diskussion kann auf verschiedenen Komplexitätsniveaus geführt werden. Dieses Niveau bestimmt sich nicht nach der Komplexität des Beschriebenen, sondern der Beschreibung. Das bedeutet: Es geht nicht darum, Bewußtsein, Kommunikation usw. als irgendwie empirisch faßbares Phänomen zu begreifen, evtl. sogar mit einem ontologischen Status zu versehen und mit einer um so differenzierteren Beobachtung >zur Sache selbst< vorzustoßen.

Die epistemologische Spielregel dieser Diskussion, die zugleich die epistemologische Prämisse jener Theoriebildungen darstellt, auf die hier abgezielt wird, lautet: Beobachtung richtet sich nicht nach dem Beobachteten, sondern nach dem Beobachter. Das Beobachtete ist das Produkt der Beobachtung eines Beobachters. Dies als Spielregel zu begreifen beinhaltet die Möglichkeit, die Beobachtung vielfältig und auf verschiedenen Komplexitätsniveaus zu justieren. Eine komplexere Beobachtung bedeutet also nicht eine bessere Beobachtung, die den Gegenstand genauer erfaßte, eine bessere Repräsentation, eine höhere Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Gegenstand gewährleistete, sondern eine andere Beobachtung, eine, die andere Unterschiede im Beobachten einsetzt. Daher ergeht die Aufforderung, Beobachtung spielerisch zu handhaben und die Differenzierung mittels Differenzierung feiner oder gröber einzusetzen.

(5) Die folgenden Abschnitte sollen das Problemfeld umreißen, grundlegende Konzeptualisierungslinien in Erinnerung rufen und das Diskussionsforum abstecken, ohne es einzugrenzen. Sie verbinden eine kleine Bandbreite thematischer Einstiegspunkte mit verschiedenen Komplexitätsniveaus der Beobachtung. Dies kann nur die Andeutung eines Koordinatennetzes sein, das die Beiträger für sich selbst weiter aufzuspannen und in dem sie ihre eigene Position finden können (nicht müssen).

Folgende Module habe ich vorab im Sinne eines Diskussionsangebots festgelegt:

  1. Zunächst soll das Konzept der strukturellen Kopplung in Erinnerung gerufen und akzentuiert werden;

  2. in diesem Konzept wird eine Dimension der subjektphilosophischen Erbmasse (Habermas) aufgegriffen, wobei deren Aporien durch Prozessualisierung entparadoxiert werden;

  3. insbesondere am Beispiel des Bewußtseins ist zu zeigen, wie diese Umkonzeptualisierung mit der Uneinholbarkeit und Unhintergehbarkeit des Bewußtseins umgeht,

  4. insbesondere am Beispiel der Kommunikation ist zu zeigen, wie die aporetische Figur in der strukturellen Kopplung zu einer subjektlosen Prozessualisierung führt;

  5. eine kritische Anmerkung von Verhältnis von Konzeption und Empirie zeigt, daß Konzeptualisierungen durch ihre Viabilität bestätigt, nicht aber durch Rekurs auf ontologische Gegebenheiten verifizierbar sind;

  6. damit können verschiedene Varianten der Konzeptualisierung ausgetestet werden; vor dem Hintergrund symmetrischer und asymmetrischer Konzeptualisierungen wird für die symmetrische Differenz von Bewußtsein und Kommunikation optiert;

  7. die Radikalität einer symmetrischen Differenz macht die strukturelle Kopplung von Bewußtsein und Kommunikation zum Fundament der Theoriearchitektur der Systemtheorie;

  8. zwei weitere Konzeptualisierungsvorschläge definieren zunächst Sinn als Supermedium expansiv und sodann Medien restriktiv als Operatoren der strukturellen Kopplung;

  9. einzelne markante Thesen werden für den direkteren Zugriff noch einmal herausgestellt;

  10. eine Literaturauswahlliste nennt einschlägige Titel.


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