IASL Diskussionsforum online Zum Navigieren gehen Sie an's Ende des Textes. Oliver Jahraus 7. Symmetrie und Asymmetrie Zu den wichtigsten konzeptionellen Fragen gehört die Bestimmung, in welchem Maß die strukturelle Kopplung die Konzeptualisierung von Bewußtsein und Kommunikation determiniert. In jedem Fall erfordert die Stringenz der strukturellen Kopplung auf Seiten der Kommunikation eine subjektlose Konzeption, wo sie auf der anderen Seite gerade jenen Traditionsstrang der Bewußtseinstheorie übernimmt, der in der Begründung von Subjektivität zu Aporien geführt hat, nämlich die Konstituenten der Unhintergehbarkeit, Uneinholbarkeit bzw. Intransparenz und Unerreichbarkeit. So läßt sich diese Frage nach dem Verhältnis einer eher symmetrie- oder asymmetriedominierten Konzeption zuspitzen. Meine Option geht eindeutig in die Richtung einer Symmetrie von Bewußtsein und Kommunikation nach Maßgabe der strukturellen Kopplung (anders als Luhmanns Ausführungen; siehe: Die Gesellschaft der Gesellschaft, S.115 f.). Auch hier sei vor Kurzschlüssen gewarnt: Bewußtsein und Kommunikation symmetrisch zu konzeptualisieren, bedeutet nicht, beide zu identifizieren. Symmetrie entsteht überhaupt nur hinsichtlich der notwendigen Kopplungseigenschaften, so daß umgekehrt Symmetrie wiederum als Voraussetzung, als Bedingung der Möglichkeit für strukturelle Kopplung angesehen wird. Nun sind natürlich Bewußtsein und Kommunikation keine absolut symmetrischen Systeme. Dennoch ist es symptomatisch, daß sowohl Bewußtsein als auch Gesellschaft (Kommunikation) sich durch ihre Unerreichbarkeit auszeichnen (Peter Fuchs: Die Erreichbarkeit der Gesellschaft; Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie). Auf der anderen Seite erlaubt es die Symmetrisierung geradezu, spezifische Systemeigenschaften zu konturieren. Die Symmetrisierung kann zeigen, wie eben dadurch asymmetrische bzw. prinzipiell nicht-symmetrisierbare Systemeigenschaften wechselseitig funktionalisiert werden, insbesondere was die (a) Wahrnehmungsfähigkeit von Bewußtsein, die (b) Singularität der Bewußtseine gegenüber der Universalität der Kommunikation und die (c) Operationsgeschwindigkeiten beider Systemtypen angeht. Kommunikation ist eben in anderer Art unerreichbar als Bewußtsein und kann daher die Unerreichbarkeit des Bewußtseins erreichen, wenn auch nur jeweils systemspezifisch, d.h. kommunikativ. Man kann also von einer Symmetrisierung von Asymmetrien sprechen. Deutlich wird diese Symmetrisierung an dem Re-entry, das beide Systeme je für sich vollziehen. Bewußtsein und Kommunikation können sich nur deswegen strukturell koppeln, weil jedes System intern die Differenz von Bewußtsein und Kommunikation noch einmal wiederholt, jedoch - wie gesagt - jeweils systemspezifisch, kommunikativ auf seiten der Kommunikation, bewußt auf seiten des Bewußtseins. (Peter Fuchs: Moderne Kommunikation, S.76) Die Asymmetrie des Verhältnisses von kommunikativ hier und bewußt dort, wird durch die Symmetrie in der Differenz von Bewußtsein und Kommunikation aufgehoben und somit zur Voraussetzung von struktureller Kopplung. Und das ist wiederum die entscheidende Voraussetzung dafür, daß wir überhaupt vom Bewußtsein sprechen können, obschon doch eben auch diese Rede unter der Herrschaft der Kommunikation, der Verlautbarungswelt (Peter Fuchs: Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie) steht. Die Konsequenz aus der Symmetrie besteht darin, daß weder Bewußtsein noch Kommunikation nicht mehr ohne strukturelle Kopplung mit dem jeweils anderen System konzeptualisiert werden können. In diesem Sinne prozessieren Bewußtsein und Kommunikation nur, insofern sie gekoppelt sind. Der Einwand, daß nicht jeder Bewußtseinsprozeß von einem Kommunikationsprozeß und umgekehrt begleitet wird, verkennt die entsprechende Konzeptualisierung, z.B., weil er Kommunikation alltagssprachlich faßt. Insofern würde nach meinem Vorschlag strukturelle Kopplung schon dann vorliegen, wenn überhaupt nicht (menschlich) kommuniziert, sondern nur - durchaus in alltagssprachlicher Bedeutung - gedacht würde. Denken ist keine reine Bewußtseinsoperation, sondern bereits ein Effekt struktureller Kopplung beider Systeme. Ein Bewußtsein ohne Kommunikation - mit ontologischem Zungenschlag gesagt - gäbe es nicht, und wenn es ein solches doch gäbe, so wäre es ihm selbst nicht bewußt, wäre es also auch kein Bewußtsein. Die Symmetrisierung erlaubt eine radikalere Konzeptualisierung von struktureller Kopplung insofern, als sie ernst macht mit der Umstellung von Identität auf Differenz. Konstituiert wird ein System gerade durch das, was es nicht selbst ist. Der Idee, daß ein System ausschließlich durch seine Umwelt zu einem System wird, wird im Falle von Bewußtsein und Kommunikation auf paradigmatische Weise Rechnung getragen. Das Bewußtsein kommt nur zu sich via Kommunikation, und Kommunikation kommt nur zu sich via Bewußtsein. Das heißt: Weder Selbst- noch Fremdreferenz eines Systems sind ohne das andere denkbar. Für beide Referenztypen eins Systems ist das andere unabdingbar! Denn Bewußtsein und Kommunikation können sich nur als mit sich selbst identisch konstituieren, wenn sie sich in einem doppelten Re-entry hier und dort in sich vom jeweils anderen System mittels des jeweils anderen Systems unterscheiden, ohne sich jemals selbst zu verlassen. Darüber hinaus wäre allerdings zu fragen, welche Vorteile die Symmetrisierung für die Konzeptualisierung der immanenten Prozeßmomente von Bewußtsein und Kommunikation erbringt. Insbesondere wäre zu fragen, inwieweit ein Modell einer dreizügigen Kommunikation aus Symmetriegründen auch für das Bewußtsein in Anschlag gebracht werden kann. Daß man hierbei nicht mehr mit der Differenz von Information und Mitteilung operiert, erscheint einleuchtend, daß allerdings auch hier Dreizügigkeit angenommen werden muß, erscheint plausibel, sofern man Dreizügigkeit als ein Korrelat zur Differentialität des Prozesses begreift. Gehen Sie zum nächsten Kapitel ... ... oder springen Sie vor und zurück:
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