IV.2.1 Die Entwicklung von den sechziger bis in die achtziger Jahre
IV.2.1.1 Ein Überblick
Die Geschichte digitaler Computeranimation
beginnt in den sechziger Jahren. Computergrafiken mit Linienkonfigurationen,
die dreidimensionale Körper darstellten, wurden "Frame-by-frame"
zu Filmsequenzen montiert. 1 Die sechziger und siebziger
Jahre waren die Pionierzeit in der Entwicklung von Animationssoftware
zur Programmierung von Objekten in Bewegung. Diese Software wurde an amerikanischen
Universitäten entwickelt, so an der Ohio State University und an
der University of Utah. 2 In den achtziger Jahren wurde
proprietäre Animationssoftware in und für kommerzielle Firmen
entwickelt, die 3D-Animation in Sequenzen von Kino- und Werbefilmen sowie
Fernsehspots und Musikvideos einsetzten.
Mitglieder der Demoscene zeigten in den achtziger
Jahren von Personal Computern generierte Animationen in öffentlichen
Demo-Partys. In der Demoscene war und ist die Speicherung von Bildern
auf Trägern im "Frame-by-frame"-Verfahren obsolet: Autoren
von Demos generieren bewegte Text-Bilder in Echtzeit mittels Codes, welche
die Grafikkarten von Personal Computern steuern. Die Mitglieder der Demoscene
kommunizierten miteinander über den Austausch die Programmierung.
3 Auf Bulletin Board Systemen (s. Kap. VI.1.2) wurden
Demo-Codes zum Download angeboten.
In den achtziger Jahren wurden Großrechner zur
Produktion von Animationen für Filmsequenzen nach Anforderungen der Storyboards
von Kinofilmen eingesetzt. Während diese den Anforderungen des Plots folgten, verbanden
Musikvideos Verfahren experimenteller Filme und Videos mit Computer Animation. Weitere
Alternativen zum Spielfilm offerierten Filme von Künstlern, die teilweise Entwicklungen
von Animationssoftware für Mini- und Microcomputer aus den siebziger Jahren
aufgriffen 4, und die Demoscene. Deren Mitglieder versuchten sich
gegenseitig in ihren Fähigkeiten zu überbieten, Echtzeit-Animationen für
die beschränkten technischen Möglichkeiten von Personal Computern zu entwickeln.
(Eine Zusammenfassung der Entwicklungen der achtziger Jahre bieten die drei letzten
Abschnitte von Kap. IV.2.1.4.3)
IV.2.1.2 Die sechziger Jahre
Die erste Computer Animation erstellte Edward E. Zajac 1963 in den Bell Laboratories (Murray Hill/New Jersey). Ein Körper mit Vierkantschnitt drehte sich um eine Kugel. Die Kugel sollte die Erde darstellen und der Körper einen um die Erde kreisenden Satellit. Der Satellit wandte der Erde immer eine seiner Seiten zu: "Gyro gravity gradient attitude control system" war Titel und Inhalt des Films. Die mit FORTRAN programmierten Frames wurden auf einem IBM 7090 Mainframe Computer (ab 1959) ausgeführt und ein Stromberg-Carlson 4020 Microfilm Recorder (von General Dynamics/Electrics, San Diego/Kalifornien, ab 1959) zeigte und speicherte die Resultate. 5
Im folgenden werden Entwicklungen zwei- und dreidimensionaler Computergrafik vorgestellt, die Voraussetzungen für Entwicklungen der Computer Animation lieferten.
Ivan Edward Sutherland stellte 1963 in seiner Dissertation "Sketchpad" vor: Mit einem Lichtgriffel konnten auf einem Monitor Punkte markiert werden, zwischen denen ein Analogrechner (Lincoln TX-2, ab 1957) Linien und Kreisformen erstellte. Für die Auswahl von Funktionen stand neben der Tastatur des Rechners ein kleiner Kasten mit Knöpfen. "Sketchpad" erleichterte das Erstellen von zweidimensionalen Zeichnungen oder Plänen, in denen viele Elemente wiederholt oder variiert werden. Sutherlands Interface war auf leichte Anwendung ausgerichtet. 6 Es ist neben Douglas Carl Engelbarts Entwicklungen am Stanford Research Institute eines der frühen nutzerfreundlichen Human-Computer Interfaces (HCI, s. Kap. VIII.2).
Morash, Russell: [Ivan Edward Sutherland´s] Computer Sketchpad. National Educational Television. Gefilmt von WGBH-TV, Boston. Massachusetts Institute of Technology/Lincoln Laboratory. Lexington/Massachusetts 1964.
Software für dreidimensionales Product Design entwickelten ab 1959
Forscher der General Motors Research Laboratories in Zusammenarbeit mit
IBM. Die aus ALGOL-58 entwickelte Computersprache MAD (Michigan Algorithm
Decoder) wurde inklusive Compiler zu NOMAD ("Newly operational MAD")
weiter entwickelt. Die Programmierung mit DGL (Descriptive Geometry Language)
erleichterte den Anwendern den Umgang mit dem DAC (Design Augmented by
Computers)-1 System (ab 1963). Die Programmiersprache DGL bestand aus
"Variables, constants, statements, branching, looping, subroutines,
and parametrization in which INTERSECT, SMOOTH, and DISPLAY were just
three of a large number of operational statements." Ein Programm
mit "DGL procedures" wurde über Lochkarten in den Rechner
(IBM
7094, ab 1962) eingegeben, um dann mit einem elektronischen Stift
am Bildschirm arbeiten zu können. Durch leitendes Material auf dem
Bildschirm konnte DAC-1 die Position des elektronischen Stiftes erkennen.
General Motors Research Laboratories: DAC-1,
Entwicklung eines Kofferraumdeckels, zwischen 1965 und 1967.
Oben: Graphikkonsole mit elektronischem Stift.
Unten: Ausdruck. Stills aus einem Film von GM Photographic.
Aus ergonomischen Gründen erwies sich zwar die Möglichkeit, mit dem elektronischen Stift auf einem vertikalen Bildschirm zu entwerfen, als nicht brauchbar. Doch das Manual der Konsole des DAC-1, über das Befehle zur Steuerung von Prozessen der Bildverarbeitung eingegeben wurden, war ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von CAD (Computer-Aided Design):
...the mode of operation was to program specific application-defined functions for each button on the keyboard.
Transparente Hüllen über den Tasten ermöglichten es, diese für verschiedene Anwendungen umzubenennen. Das Entwicklerteam liess schließlich die Programmanwendungen als Icons auf dem Bildschirm erscheinen. Die Icons konnten mit dem elektronischen Stift ausgewählt werden.
Die an den Großrechner IBM 7094 (ab 1962) angeschlossene Grafikkonsole des DAC-1 konnte ab 1965 dreidimensionale Körper als Drahtgitter (mit Überschneidungen) errechnen. Das Bildverarbeitungsprogramm für Drahtgittermodelle basierte auf Punkten, Linien und Oberflächen. Die Achsen für die Verortung jeden Elements wurden von drei auf fünf erhöht. Neuere CAD-Programme sollten jedoch bei drei Achsen bleiben.
Der Körper konnte gedreht (Rotation) und ein- oder ausgezoomt werden. Teile des Körpers, die für die Bildschirmansicht nicht relevant waren, konnten mit einer "no display" (heute Clipping)-Funktion abgeschnitten werden: Sie wurden dann zur Erzeugung der Bildschirmansicht nicht mehr mitgerechnet.
Unter den Icons im Menü konnte zwischen "line overlay" und "surface overlay" gewählt werden. "Surface overlay" bezeichnete die Programmierung der Oberflächen des geplanten Objekts.
DAC-1 bot ein Entwurfssystem für die Ausarbeitung
von Objekten durch Codierung für Lochkarten mit nachfolgender Korrektur
durch die numerische Eingabe von Werten für Variablen via Manual
sowie durch Berührungen des Bildschirms mit dem elektronischen Stift.
7 Die Kontrolle von 3D-Programmen über eine Koordination
von Eingabegeräten und Bildschirmansichten hatte einen zukunftsweisenden
Ansatz gefunden.
Sutherlands "Sketchpad" und das Interface mit Graphikkonsole für DAC-1 sind frühe Entwicklungen benutzerfreundlicher Interfaces für CAD. In den siebziger Jahren griff eine Forschergruppe um Alan Kay in Xerox PARC (Palo Alto Research Center) das Problem benutzerfreundlicher Interfaces wieder auf, um das nichtprofessionelle objektorientierte Arbeiten mit Software zu erleichtern. Die Menus mit Icons des DAC-1 erscheinen nicht nur im Xerox Star (1981), sondern auch im Graphical User Interface des Apple Lisa (1983) und Apple Macintosh (1984). 8 Der elektronische Stift wurde von der Maus abgelöst (s. Kap. VIII.2). Bei CAD-Systemen kehrte er mit dem Grafik-Tablet ergonomisch adäquat zur Feinjustierung auf einer horizontalen Fläche wieder.
Fetter, William Allan/Boeing Aircraft Company:
Oben: Fifty Percentile Human Figures Related to Cockpit.
Unten: Twenty-Element Figure Placed in Cockpit Geometry.
Fotoreproduktionen nach Plotterzeichnungen von Menschen in Cockpits, zwischen 1966 und 1969. Sammlung Clarissa, Sprengel Museum Hannover (Piehler: Anfänge 2002, S.315f., o.P. mit Abb. 84,86).
Dreidimensionale Figurenzeichnungen wurden Anfang der sechziger Jahre in einer Abteilung der Boeing Aircraft Company (Seattle/Washington) unter der Leitung von William Allan Fetter entwickelt, um das Cockpit von Flugzeugen verbessern zu können. Das erste 1964 am Mainframe Computer IBM 7094 erstellte grafische Modell eines Menschen bestand aus Volumen durch Umrisse markierende Linien, die Überschneidungen noch nicht aussparten. Auf Ausstellungen über Computerkunst zum Beispiel 1968 in der Londoner Ausstellung "Cybernetic Serendipity" wurden Ausdrucke der Drahtgittermodelle von Menschen gezeigt. In weiteren Ausdrucken erschienen diese Figuren in dreidimensionalen Liniendarstellungen von Cockpits. Cockpitdarstellungen lieferten 1966 die technischen Voraussetzungen für den acht Minuten langen Film "SST Cockpit Visibility Simulation". 9
A. Michael Noll realisierte 1964 bis 1965 Filme
mit einem Programm der Bell Laboratories. Die stereoskopischen Filme zeigten denselben Gegenstand in etwas zueinander verschobenen Perspektiven. Ein Film von 1965 präsentierte einen vierdimensionalen Hyperkubus als sich drehenden "cube-within-a-cube".
Noll, A. Michael: Hypercube, Film, 1965. Bell Laboratories, Murray Hill/New Jersey. Zwei Stills (untereinander) des Filmes eines sich drehenden vierdimensionalen Hyperkubus mit 2 Ansichten (horizontal nebeneinander) für Stereoskopie.
Das Animationsprogramm ermöglichte es, Objekte mittels Punkte verbindender Linien darzustellen. Dreidimensionale Körper waren drehbar. Programmierte "formulas" konstituierten die Perspektive (mit Überschneidungen) und die stereoskopische Projektion. Durch Anweisungen für Veränderungen von Bild-zu-Bild konnte die Entwicklung einer Sequenz organisiert werden. Das Programm steuerte den Elektronenstrahl einer Kathodenstrahlröhre. Deren Bildschirm wurde von einer 16 mm-Kamera aufgenommen. 10
Kenneth C.
Knowlton entwickelte 1964 mit BEFLIX (für Bell [Laboratories]
Flicks) auf FORTRAN IV-Basis eine Filmsprache mit Mosaik-Mustern für
IBM
7094 Mainframe Computer und Stromberg-Carlson
4020 Microfilm Recorder. Ein Koordinatensystem von maximal 252 x 184
quadratischen Basiselementen ("squares") ermöglichte es,
diesen Elementen Grauwerte in acht Stufen zuzuteilen. Die Grautöne
wurden in einem drei Bit-System codiert. Unter anderem konnten Punkte
zu Linien verbunden, Kurven gezeichnet, Felder kopiert und bewegt werden.
11
Die so erzeugten Frames waren die Grundlage für
die Herstellung eines Master Magnetbandes: Ein Filmlaboratorium wiederholte
die Frames so oft, wie es die geplante Dauer einer Sequenz erforderte.
Die darauf folgende Präsentation des Master Magnetbandes in der Charactron-Kathodenstrahlröhre
des Stromberg-Carlson 4020 Microfilm Recorders wurde von dessen Kamera
aufgenommen, die so eingestellt war, dass aus diskreten Elementen "contiguous
blobs of different intensities" wurden. 12 Die
Kolorierung erfolgte in einem zweiten Schritt mit anderen Technologien.
In "Poemfield
No.2" (1966) lösen sich Worte und Hintergrundmuster immer
wieder in entropische Felder aus unübersehbar vielen Elementen auf,
bis wieder neue kalligraphische Muster entstehen und lesbare Worte auftauchen.
Das Raster des Programms zur Verteilung der Elemente wird sowohl eingesetzt,
um Fleckenteppiche zu schaffen, als auch, um Muster zu erzeugen, die Buchstabenformen
annehmen. Charakteristisch für die mindestens 10 Filme, die Stan
VanDerBeek mit BEFLIX und mit Erweiterungen realisierte, die Knowlton
für ihn schuf, ist der "zig-zag character" von Mustern.
Vanderbeek projizierte den mit einem IBM 7094 Mainframe Computer und
einem Stromberg-Carlson 4020 Microfilm Recorder erzeugten Schwarz/Weiß-Film
auf einen Farbfilm und liess ihn von Robert Brown und Frank Olvey "with
a vibrant palette of red, green, and blue light" kolorieren. 13
Charles Csuri und James P. Shaffer scannten für den Film "Hummingbird" (Part 1/Part 2 1967) die Zeichnung eines Vogels mit ausgestreckten Flügeln. Das nach Csuris Vorlage digitalisierte Bild wurde in Linien zerlegt, die das in FORTRAN geschriebene Programm transformierte. Die von einem IBM 7094 Großrechner ausgeführten Transformationen ergaben sich aus Veränderungen der Koordinaten für Höhe und Länge ("xy coordinates"). "Hummingbird" wurde mit einem 835 Microfilm Plotter der California Computer Products Company (Calcomp) ausgeführt. Der Film enthält 14000 Frames, die sich schrittweise ändernde Linienkonfigurationen zeigen.
Csuri, Charles: Hummingbird, Film, 1967.
Es wird kein Vogel in Bewegung gezeigt, sondern die
Zeichnung erhält durch das filmische Konstrukt eine Zeitdimension:
Die Vogelzeichnung zerfällt in Linien, die sich ausbreiten und sich
wieder zum Bild eines Vogels mit offenen Flügeln fügen. Die
Zeichnung wird verzerrt und ihre Größe und Lage im Bild werden
verändert. 14
Während in den oben erwähnten Beispielen von Zajac bis Noll an der Entwicklung von 3D-Simulationen für CAD und Film gearbeitet wurde, stellten in zweidimensionaler digitaler Filmanimation Knowlton eine Software für Bitmapping und Csuri ein Verfahren für Morphing vor: Beide antizipierten in zweidimensionalen Animationen Verfahren, die später in dreidimensionale digitale Animationen integriert wurden.
IV.2.1.3 Die siebziger Jahre
Das Überführen eines Bildes in ein Anderes wird heute als "Morphing" bezeichnet. Die Computer Technique Group (CTG, 1967-69) führte in der Computergrafik "Running Cola is Africa" (1967/68) die Verwandlung eines Läufers in eine Cola-Flasche vor, aus welcher der Umriss Afrikas wurde. 15 Charles A. Csuri ließ in "Aging Process" (1967) aus einer jungen eine alte Frau werden. 16
Oben: Computer Technique Group (CTG): Running Cola is Africa, Plotterzeichnung, 1967/68. Sammlung Computer Arts Society, London.
Unten: Csuri, Charles: Aging Process, Plotterzeichnung, 1967 (Glowsky: Csuri 2006, S.71).
Peter Foldes stellte 1974 mit "Hunger/La Faim" eine vielbeachtete zweidimensionale Animation vor, die formal an Zeichentrickfilme anschließt: Foldes setzte lineare Interpolationstechniken von Nestor Burtnyk und Marcelli Wein ein, mit denen er unter anderem aus Menschen Autos, aus Notenständern Frauen, aus Frauen Milcheis, aus Stiften Esswaren werden ließ. 17
In einer Key-Frame Animation, die Burtnyk und Wein ab 1971 in mehreren Texten vorstellten 18, wurden Filmsequenzen durch die computergestützte Interpolation von Bildern zwischen Schlüsselbildern ("key images") ausgeführt. Interpolationsweisen und Zeitintervalle ("key intervals") waren wählbar.
Im "stroke to stroke mapping" wurden die Linien einer Zeichnung in ein Grafiktablet eingetragen. Die Reihenfolge, in der die Linien in Schlüsselbildern gespeichert wurden, bestimmt in Interpolationen "the form of the intermediate image." 19 Foldes´ "Hunger/La Faim" zeigte die Möglichkeiten dieser Interpolationstechnik für die Ausführung von überraschenden, teilweise grotesken Verformungen.
In dreidimensionalen Animationen werden reale Objekte
zuerst als Drahtgitter rekonstruiert. Drahtgittermodelle zeigen
wie auch Nolls "Hypercube" (s. Kap. IV.2.1.2) alle Seiten
eines Objekts ohne Rücksicht auf Überschneidungen. Das Drahtgitter
liefert in einem weiteren Schritt die Grundlage, gebogene Flächen
in ebene Bereiche mit Kanten (Polygone) aufzulösen. Soll ein Polygonmodell
erstellt werden, dann müssen die Überschneidungen des Drahtgittermodells
berechnet werden, die sich beim Drehen des virtuellen Körpers ändern.
Das erste Programm für Verdeckungsberechnungen entwickelte 1963 Lawrence
Gilman Roberts. Vor- und Nachteile alternativer Programme mit "Hidden
Surface Algorithms" untersuchten 1974 Ivan Edward Sutherland, Robert
F. Sproull und Robert A. Schumacker, um daraus ihre eigenen Schlüsse
zu ziehen. 20
Vom Objekt zum Drahtgitter- und Polygonmodell mit geglätteten Flächen (Sutherland/Sproull/Schumacker: Characterization 1974, S.5, Fig.2c-f).
Im "interactive perspectivalism" 21 wird ein dreidimensionales Objekt simuliert: Alle Seiten sind digital konstruiert. Ein Beobachter vor dem Bildschirm sieht Teile der Simulation des dreidimensionalen Objektes, wie sie für einen programminternen Beobachter organisiert wurde. Zu dem internen Beobachter gehören unter Anderem die sich mit der Objektbewegung ändernden perspektivischen Überschneidungen. Der programmierte Beobachter im System wird auf die Wahrnehmungsfähigkeiten von Menschen an Schnittstellen zum System (externe Beobachter) abgestimmt.
(Parke: Animation 1972, S.452, Fig.1).
Die Simulation von Objekten in veränderbaren Ansichten stellt auch Probleme, Licht und Schatten zu programmieren. Henri Gouraud entwickelte 1971 eine Methode, für in Polygone aufgelöste Flächen ein "continuous shading" zu errechnen:
The approach...is to keep the polygon approximation of the surface, but to modify slightly the computation of the shading on each polygon so that continuity exists across polygon boundaries.
Die Polygonoberflächen werden durch die Interpolation der Farben bestimmt, die an den Eckpunkten (Vertices) von angrenzenden Polygonen erscheinen. Interpolationen werden auf eine gebogene Ebene projiziert, wobei sich auf ihr eine Kontinuität des "Shading" in Abhängigkeit von der Kontinuität zwischen Polygonen ergibt.
Dieser Prozess verläuft in mehreren Schritten: Aus angrenzenden Polygonen werden Farbwerte an den Eckpunkten des Polygons errechnet, für das eine Farbe ermittelt werden soll. Gouraud beschreibt das Ziel dieses Verfahrens:
Each polygon has a different shading for each of its vertices, and the shading at any particular point inside the polygon has to be computed as a continuous function of the shading at the vertices of the polygon.
Die Zeilen der Kathodenstrahlröhre, auf der eine Ansicht präsentiert wird, bilden eine Schnittfläche durch das Polygon. Wenn das Polygon zeilenweise vom Elektronenstrahl der Kathodenstrahlröhre ausgeführt wird, dann werden seine Eckpunktfarben mit den Farben an den Polygon-Kanten (die zwischen den Eckpunkten liegen) interpoliert. Die Farben der sich an diesen Kanten berührenden Polygone werden wiederum mit den Farbwerten an Punkten der vom Elektronenstrahl zu bildenden Zeilen interpoliert.
Polygon A-B-C-D und von Zeilen der Kathodenstrahlröhre gebildete Schnittfläche ("Scan line") E-P-F (Gouraud: Shading 1971, S.91, Fig.5).
Im Gouraud Shading ändern sich die Oberflächeneigenschaften in einem Polygon abhängig von den Eigenschaften der umgebenden Polygone: Eckpunkte, Kanten, Flächennormale (die als senkrecht zur Polygonfläche stehender Vektor errechnet wird) und Polygonbinnenverhältnisse werden aufeinander bezogen. Die Oberflächen der Polygone gehen in den Eckpunkten weich ineinander über, während die Umrisse von Kanten gebrochen werden, statt ununterbrochene Linien zu bilden (weil hier die das Gouraud Shading konstituierende interpolygonale Vermittlung ausbleibt). Die Beleuchtung erscheint diffus: Glanzlichter fehlen. 22
Bui-Tuong Phong schlug 1975 ein Verfahren vor, die je nach Textur verschieden aufscheinenden Bereiche in jedem Polygon zu berechnen. Phong interpolierte "the surface normal vector" für jeden Punkt in einem Polygon aus Oberflächeneigenschaften wie Lichtreflexion und Schattierung. Das erhöhte den Rechenaufwand im Vergleich zum Gouraud Shading erheblich. 23 Der Nachteil des Gouraud Shading sein gröberes Verfahren ohne Glanzlichter war auch sein Vorteil. Bei Ivan Edward Sutherland, während seiner Professur an der Computer Science Faculty der University of Utah (1968-74), promovierten Gouraud (1971) und Phong (1973) über die erwähnten Probleme des Shading. 24
Melitta Teekanne ("Utah teapot") von 1974 als exemplarisches Objekt für Computer Animationen.
Links: Drei Beispiele für Texture Mapping (Blinn/Newell: Texture 1976, S.544, fig.2-5).
Rechts: Martin E. Newells Vermessung der Teekanne auf kariertem Papier. Computer History Museum, Mountain View/Kalifornien.
1968 richtete David Evans an der University of Utah eine Abteilung zur Weiterentwicklung
von Programmen für CGI (Computer-generated Imagery) ein. Michael Newells "Utah teapot" war eine dreidimensionale Simulation einer Melitta-Teekanne. Newell kaufte sie 1974 in einem Supermarkt in Salt Lake City. Sie diente an der University of Utah als Testfall für Probleme dreidimensionaler Simulation: von Gittermodellen über (das Glätten von) Polygonflächen bis zum Ausarbeiten von Texturen, Schatten und Lichtreflexen. 25
Edwin Earl Catmull erfand Texture Mapping und Z-Buffering. Das Applizieren von zweidimensionalen Oberflächenstrukturen (Texturen) auf dreidimensionale virtuelle Objekte thematisierte Catmull 1974 in seiner Dissertation (bei Ivan Edward Sutherland) ebenso wie das Z-Buffering, der Berechnung der von einem Standpunkt aus verdeckten und sichtbaren Teile eines Objektes. Im Framebuffer (Bildspeicher) enthaltene Pixelwerte werden mit den Angaben für die Tiefe eines neuen Pixels verglichen. Die z-Achse ist die Tiefenachse, und der Z-Buffer enthält die Information über die Tiefe des sichtbaren Objektes. Ergibt sich, dass ein neues Pixel auf Grund seiner Tiefenwerte vor einem im Framebuffer gespeicherten Pixel liegt, dann wird der Wert des neuen Pixels im Framebuffer als der zu präsentierende Wert gespeichert. Das Verfahren entwickelte Wolfgang Straßer ebenfalls 1974 in seiner Dissertation über "Schnelle Kurven- und Flächendarstellung auf graphischen Sichtgeräten." 26
James Frederick Blinn entwickelte viele Programme für CGI, unter anderem für Rendering, Clipping, Lighting Atmospheric Effects und Environmental Mapping. Mit Blinns Bump Mapping (1978) können rauhe Oberflächen simuliert werden. Probleme mit auch in 3D-Animation immer noch flach wirkenden Oberflächen können durch die Kombination von Texture Mapping mit Bump Mapping gelöst werden. 27
Unter Charles Csuris Leitung
entwickelte die Graphics Research Group der Ohio State University in den
siebziger Jahren die Animationssysteme ANIMA (ab 1975), ANIMA II (ab 1977)
und ANTTS (ab 1979). ANTTS (ANimated Things Through Space) lief auf einem
DEC (Digital Equipment Corporation) VAX
11/780 Minicomputer (ab 1977). Das System arbeitete mit zwei Buffern,
einen Framebuffer und einen Buffer für die Dauer von Sequenzen. 28
Die Systeme der Ohio State University antizipierten die Entwicklung der
achtziger und neunziger Jahre: Es entstanden Animationssysteme zunächst
für Großrechner und Minicomputer, dann auch für Personal
Computer. 29
Während in den siebziger Jahren experimentelle
Filme mit Video Tools für zweidimensionale Animation (s. Kap. IV.1.2)
ausgeführt wurden, wurde auch Software für dreidimensionale
Animation in Forschungsprojekten für Großrechner entwickelt,
die zu Präsentationen des Entwicklungsstandes und vereinzelt zu Sequenzen
in Spielfilmen (s. Kap. IV.2.1.4.1) führte. Den Experimentalfilmern
mit meist analoger Videotechnik steht eine am Spielfilm und an Werbung
orientierte Softwareentwicklung für digitale Großrechner gegenüber,
die in den achtziger Jahren zu Bildsimulationen führte, welche den
Erwartungshorizont an virtuelle Welten (s. Kap. IV.2.1.4.4) prägten.
Vorstellungen von sich verselbständigenden Simulationswelten wurden
zu Spielfilminhalten (s. Kap. IV.2.1.4.1). An die Anforderungen der Regisseure
solcher Filme waren die Mittel der computergestützten Bildverarbeitung
anzupassen. Beim Science Fiction von William Gibson, Bruce Sterling oder
Neil Stephenson lesenden Publikum konnte der Eindruck entstehen, die technische
Entwicklung werde so fortschreiten, dass bald virtuelle, sich eigenständig
entwickelnde Welten ("Cyberspace") entstehen. 30
IV.2.1.4 Die achtziger Jahre
IV.2.1.4.1 Filmsequenzen
Edwin Earl Catmull und Frederick I. Parke zeigten 1972 in dem Film "Halftone Animation", wie eine Animation von Körperteilen durch das Scannen von plastischen Modellen (einem Gipsmodell von Catmulls Hand) entsteht, auf deren Oberflächen Liniennetze zur Polygonaufteilung gezeichnet wurden. Außerdem zeigt "Halftone Animation" eine Gesichtsanimation mit Gouraud Shading (s. Kap. IV.2.1.3). 31
Catmull, Edwin Earl/Parke, Frederick I.: Halftone Animation, Film, 1972.
In Michael Crichtons "Westworld"
(1973) spielte Yul Brynner den Androiden "Gunslinger", der im
Freizeitpark "Delos" Duelle mit Besuchern startet, deren Waffen
präpariert sind. Die harmlosen Kämpfe zur Zerstreuung der Besucher
verkehrten sich in tödliche. Die Triple-I
(Information International Inc.)-Kollegen Gary Demos und James Whitney
Jr. zeigten Gunslingers Sicht der Welt als durch Digitalisierung modifizierte
Filmaufnahmen: Die Digitalisierung mittels Farbfilmscanner, die mit den
hochauflösenden Kathodenstrahlröhren von Triple-I möglich
wurde, wurde in ein grobes Pixelraster umgewandelt. Dabei wurden die Farben
in drei Tonwerte und eine Maske für schwarze Zonen getrennt. Das
Getrennte wurde in rechteckige Blöcke konvertiert. die in dieser
Konvertierung gewonnenen Tonwerte wurden wiederum in Farbwerte übersetzt.
Die Ausführung der je 10 Sekunden langen, insgesamt 2,5 Minuten dauernden
Ansichten des Androiden beanspruchte 8 Stunden Rechenzeit.
1972-74 von Catmull und Parke realisierte Gesicht- und Handsimulationen wurden 1976 von Richard T. Heffron (Regie) als auf einem Kontrollmonitor erscheinende Sequenzen in "Futureworld Das Land von Übermorgen", der Fortsetzung von "Westworld", eingesetzt.
Die Animation auf dem Bildschirm, die den Verlauf einer Doppelgänger-Erzeugung darstellt, zeigt auch Peter Fondas Kopf im Übergang von einer Polygonanimation zu geglätteten Gesichtszügen mit Lichtreflexen. Gary Demos und John Whitney Jr. fotografierten Fondas Gesicht von mehreren Seiten und übertrugen dessen Daten via Grafiktablet in einen digitalen 3D-Raum. Dieses Archiv der Gesichtsdaten war der Ausgangspunkt für weitere Animationsschritte, die auf dem Kontrollraummonitor als Werden des Doppelgänger-Kopfes von kantigen zu glatten Oberflächen erscheinen. 32
Heffron, Richard T.: Futureworld Das Land von Übermorgen, Film, 1976.
Fonda spielt den Journalisten Chuck Browning. Browning entdeckt im Freizeitpark "Delos" eine Klon-Produktion. Die Klone wurden nach den genetischen Codes bekannter und einflussreicher Persönlichkeiten erstellt ohne deren Wissen. Auch Browning wird geklont. Die Doppelgänger dienen dem hoch gesteckten Ziel, die Weltherrschaft zu erlangen.
Lucas, George: Star Wars Episode IV: A New Hope, Film, 1977 (Szene mit Projektion der Station "Death Star" des Empire und ihre Produktion mit GRASS, erklärt von Larry Cuba).
Mit Tom DeFantis Animationsprogramm GRASS (s. Kap. IV.1.2) realisierte Larry Cuba 1977 in drei Monaten eine Drahtgittersimulation für eine zweiminütige Sequenz in George Lucas´ Film "Star Wars Episode IV: A New Hope". Die Animation zeigte die Station "Death Star" des Empire als Projektion während einer Trainingssitzung der Rebel Alliance-Piloten unter General Dodonna. Die Simulation sollte den Vorstellungen des Publikums von computergenerierten Animationen entsprechen, weshalb Cuba darauf verzichtete, Animationen einzusetzen, die Oberflächen von Körpern simulieren.
Scott, Ridley: Alien, Film, 1979. Alan Sutcliffes Computer
Animation auf den Navigationsbildschirmen im Raumschiff Nostromo.
1979 zeigte Ridley Scott in "Alien" Drahtgittersimulationen von Alan Sutcliffe in einer Szene während der Landung des Raumschiffes "Nostromo" auf Navigationsbildschirmen: Im Anflug erschienen Berge als Wellenlinien. 33
Carpenter, Loren C.: Vol Libre, Film, 1980.
Loren C. Carpenter stellte 1980 in dem computeranimierten Kurzfilm "Vol libre" eine Gebirgslandschaft aus Fraktalen vor. Carpenters Demonstration, wie sich die Geometrie der Fraktale in dreidimensionaler Landschaftsdarstellung einsetzen lässt, war seine Eintrittskarte zu Lucasfilm. 34
1981 erschien in Michael Crichtons "Looker"
die erste computeranimierte Aktrice. Während in "Futureworld"
die Animationen von Körperteilen noch als Film-im-Film erschienen,
zeigt "Looker" als erster Spielfilm eine simulierte Aktrice.
Crichton, Michael: Looker, Film, 1981. Szene mit Scan des Körpers eines Models.
In "Looker" lassen Models ihren Körper digitalisieren und erhalten dafür lebenslang Monatslohn. Die virtuellen Models setzt Digital Matrix in Werbefilmen ein. Für eine Szene, in welcher der Körper eines Models (gespielt von Susan Dey) gescant wird, realisierte Triple-I den auf den Scanprozess sofort folgenden Aufbau einer Körpersimulation.
Der Film zeigt die Suche nach der Todesursache von drei der virtualisierten Models. Während der Kinofilm den Grund für die Beseitigung der Models schuldig bleibt, liefert ihn die TV-Version: Die lebenden Belege für den Besitz der Datenbanken von Körpern werden von Digital Matrix beseitigt wie alle Belege, die Konkurrenten nützlich sein könnten. 35
Meyer, Nicolas: Star Trek II: The Wrath of Khan, Film, 1982. Genesis-Demo.
Die Lucasfilm Computer Graphics Research Group erstellte 1982 für Nicolas Meyers "Star Trek II: The Wrath of Khan" eine einminütige Demo-Filmsequenz ("Genesis Demo sequence"). Sie zeigte einen Planeten, der nach dem Plot von einem "Genesis Torpedo" wiederbelebt wurde. Reyes Rendering wurde für die dreidimensionale Animation eingesetzt. Die Landschaft wurde von Loren C. Carpenter mittels Fraktalen simuliert. Mit Particle Systems wurden unruhige Oberflächen generiert, die Energiefelder aus Hitze und Anderem darstellen. 36
Reyes Rendering und Particle
Systems sind Entwicklungen der Lucasfilm Computer Graphics Research Group.
Das vielfältig einsetzbare Animationssystem Reyes Rendering ist darauf
ausgelegt, möglichst wenig Rechenkapazität für realitätsnahe
Simulationen zu beanspruchen. Deshalb ist Ray Tracing auf ein Minimum
reduziert. 37 Gebogene Oberflächen werden in "Micropolygons"
eingeteilt. Die "Micropolygons" sind in Reyes Rendering die
geometrische Grundeinheit fast aller Algorithmen: "They are flat-shaded
quadrilaterals that are approximately 1/2 pixel on a side." Der Rechenaufwand
wird durch einfache, parallel laufende Prozeduren reduziert. Grundelemente
("Primitives") werden nur so weit in "Micropolygons"
aufgelöst, wie es zur Darstellung glatter Flächen nötig
ist. Shading wird vereinfacht, indem "Micropolygons" zu größeren
Rasterflächen zusammengefasst (was zur Einsparung der an den angrenzenden
Kanten gleichen Micropolygone führt) und die "shading operations...vectorized"
werden. 38
Das von William T. Reeves´ am New York Institute of Technology entwickelte "Particle Systems" ist ein Programm für "Modeling a Class of Fuzzy Objects" wie "clouds, smoke, water, and fire":
They are not rigid objects nor can their motions be described by the simple affine transformations that are common in computer graphics. Particles change its form and move with the passage of time. 39
Partikel sind einfachere Grundeinheiten ("Primitives") als Polygone. Das Modell ist prozedural definiert und kann wie Fraktale so ausgelegt werden, dass beim Eintauchen ("zooming in") in ein "particle system" durch stochastische Verfahren laufend neue Details erkennbar werden. Neue Partikel entstehen, während alte verschwinden.
Nach Reeves wurde in der "Genesis demo"
für "Star Trek II" eine Feuerwand des wiederbelebten Planeten
mit "400 particle systems" erstellt, die 750.000 Partikel enthielten.
40
Sims, Karl: Particle Dreams, Film, 1988.
Karl Sims führt 1988 in "Particle Dreams" die Möglichkeiten von "Particle Systems" vor. Die Partikel in Bewegung repräsentieren keine Körper, dennoch können sie so koordiniert werden, dass sie Schneeflocken oder fließendes Wasser darstellen. Zu Beginn des Films entsteht eine pointillistische kopfförmige Konfiguration durch eine dreidimensionale Verteilung von Partikeln, um diese dann durch den Mund auszustoßen und sich selbst aufzulösen, als wären Köpfe nie feste Körper gewesen. Mit dieser Szene weist Sims auf Möglichkeiten des Programms, welche die Anwendung in Spielfilmsequenzen übersteigen: Es geht um mehr als nur um Resultate einer Sonderabteilung von "Special Effects", die Vorstellungen eines Filmregisseurs und eines Storyboards ausführt.
Sims implementierte "Particle Systems"
auf einem "data parallel computer", The
Connection Machine CM-2 der Thinking Machines Corporation (ab 1985).
Für die simultane Ausführung auf "thousands of processors"
inklusive virtueller Prozessoren schrieb Sims sein Programm in "a
parralel language called Starlisp". 41Starlisp
wurde von Cliff Lasser und Steve Omohundro für die Connection Machine
geschrieben. Das Programm rechnete mit PVARS (Parallel Variables) in Vektoren.
In dem nach "Star Trek II: The Wrath of Khan" in den Kinos vorgestellte Film "Tron" (1982) von Steven Lisberger (Regie und Drehbuch) leitet Ed Dillinger (gespielt von David Warner) das Medienimperium ENCOM, dessen Supercomputer mit dem sich selbst weiter entwickelnden "Master Control Program" die meisten Computersysteme kontrolliert und das Eindringen in geschützte Sektoren verhindert. Mit dem Sicherheitsprogramm "Tron", das vom "Master Control Program" unabhängig ist, versucht der Programmierer Kevyn Flynn (gespielt von Jeff Bridges), ein ehemaliger Angestellter von Dillingers Firma ENCOM, in das Zentrum des "Master Control Programs" einzudringen und die "Master Control Unit" zu zerstören. Flynn will belegen, dass Dillingers Aufstieg zum Präsidenten von ENCOM Datendiebstahl zu verdanken ist: Er präsentierte von Flynn entwickelte Computerspiele als seine Erfindung.
Der Film "Tron" spielt auf drei Ebenen: die von ENCOM kontrollierten
Spielhallen, in die Flynn zurückgeworfen wurde, das Firmengelände
von ENCOM, und in ENCOM den Supercomputer mit dem "Master Control
Program". Letzteres entkoppelt Atavare von ihren systemexternen Usern
und verwandelt sie in Gefangene seiner virtuellen Welt, in der sie sich
in Spielen auf technisch dafür eingerichteten Ebenen gegen andere
Gefangene behaupten müssen oder als Verlierer vernichtet werden.
Das "Master Control Program" bedroht Dillinger, da es den Speicher
mit den Belegen für Dillingers Betrug kontrolliert. Damit gerät
die Kontrolle von ENCOM über Games von Spielhallen in die Hände
des nach Macht strebenden "Master Control Programs".
Über den Kampf der User und ihrer Atavare gegen das "Master Control Program", den Flynn und Mitstreiter austragen, thematisiert der Spielfilm den Ausgleich zwischen Programmierung für externe Zwecke und programminternen Zusammenhängen. "Tron" ist das von "Master Control Program" unabhängige Sicherungsprogramm, das den Kontakt zu den Usern aufrecht erhält und dafür sorgt, dass sie die Kontrolle über ihre Atavare behalten. "Tron" folgt Science Fiction-Mustern, da ein System als von einer totalitären Macht kontrolliert vorgestellt wird, die bekämpft werden muss.
Triple-I,
MAGI/Synthavision,
Robert
Abel & Associates und Digital
Effects realisierten die computergestützten Animationen mit verschiedenen
Programmen. Die Kombination der Animationsfirmen ergab sich aus der Anforderung,
für "Tron" 30 Minuten (inklusive Hintergrundanimationen)
computeranimierter Filmsequenzen zu entwickeln. Die beteiligten Animationsfirmen
erhielten Regieanweisungen von Richard Taylor (Computer Effects Supervisor)
und Bill Kroyer (Computer Image Choreographer), die verbindlich waren,
um die Beiträge zusammenführen zu können. Digital Effects
realisierte die Titelsequenz und "Bit", einen kristallförmigen
Polygonkörper, der Form und Farbe mit seinen binären Antworten
(ja/nein) ändert. Von MAGI stammten die "Light Cycles",
"Recognizers" und "Tanks" mit mehr als 15 Minuten
der größte Teil der Computeranimationen. Triple-I realisierte
das "Master Control Program", einen Solarsegler und Sarks Raumschiff.
Abel & Associates entwickelten die Sequenz vor dem Eintritt Kevyn
Flynns in das System des Supercomputers. Syd Mead und Jean `Moebius´
Giraud entwarfen die zweirädrigen Fahrzeuge ("Light Cycles")
und ihre Umgebung im System des Supercomputers. 42
MAGIs Software "SynthaVision"
"converts models of quadric surfaces, polygons, and other geometric
forms into three-dimensional images. These can be shaded and textured."
Eine Regiesprache gab in SynthaVision Animatoren Möglichkeiten, für
Objekte Bewegungsweisen festzusetzen sowie Kameras und Lichtführung
zu bestimmen. Flüssige Bewegungsabläufe von Objekten waren mit
SynthaVision leicht zu erzielen. Die Fähigkeiten von SynthaVision
zur Simulation komplexer Elemente waren allerdings im Vergleich zur Simulation
mit Polygonnetzen von Triple I begrenzt. Von Abel & Associates stammten
vektorielle Effekte, die mit ihrer unter Bill Kovacs entwickelten Animationssoftware
ausgeführt wurden. 43
Virtuelle Welten wurden nach "Tron" auch in Spielfilmen wie der TV-Serie "Max Headroom" (1985-87) und in Romanen wie William Gibsons "Biochips" (i.O.m.d.T. "Count Zero", 1986) als eigenständige elektronische Systeme vorgestellt, die auf verschiedene Weisen mit der Realität `kommunizieren´. 44 Diese Fiktionen in Filmen, Romanen und postmoderner Medienkritik konstituierten Elemente eines "Technoimaginären" (s. Kap. IV.2.1.4.4), in dem die Gegenwart der Computeranimation im Hinblick auf eine Zukunft autonomer virtueller Systeme thematisiert wurde, weil diese Entwicklung zwangsläufig schien.
Lasseter, John: Toy Story, Film, 1995. Still.
Die Erwartungen an Computer Animation für Spielfilme wurden in den achtziger und neunziger Jahren vor allem von Pixar (der autonom gewordenen Abteilung für Computer Animation von Lucasfilm) und Industrial Light and Magic geprägt. Die Geschichte der Spielfilme mit Computer Animation bis zur ersten ausschließlich aus Computer Animationen bestehenden TV-Serie "Insektors" (1993, gesendet 1994, Studio Fantome) und zum ersten vollständig mit computergestützter Bildverarbeitung realisierten Spielfilm "Toy Story" (1995, Disney-Pixar) wird hier nicht weiter verfolgt. Für die "Geschichte der Computerkunst" reicht es, Zusammenhänge zwischen Rechenprozessen und Präsentationsweisen in einzelnen Bereichen bis zu einem Grad der Ausdifferenzierung zu verfolgen, ab dem sowohl die Erweiterung der technischen und künstlerischen Möglichkeiten als auch die Suche nach Verbindungen zu anderen Bereichen in Hybrids oder Intermedia naheliegt (s. Kap. I).
Die Computer Animation wurde und wird seit den achtziger Jahren für
die Realisation von Spielfilmen erweitert, während der Einsatz von
Animationstechniken in reaktiven Installationen und Virtueller Realität
die Um- und Neugestaltung von Mensch-Computer-Interfaces (HCI) verfolgt
(s. Kap. V).
IV.2.1.4.2 Musikvideos
In Musikvideos ist der technische Aufwand dreidimensionaler Computeranimation
im Vergleich zu den Sequenzen für Kinofilme gering. So wurden bei
der Ausführung der unten vorgestellten Clips das Evans
and Sutherland Picture System (ab 1974), die Quantel
Paintbox (ab 1981) und das Bosch
FGS-4000 Computer Graphics System (ab 1983) eingesetzt. Diese Systeme
kombinierten für die Animation geeignete Hardware mit Software und
konnten wegen ihrer Verkaufspreise für die Herstellung von TV-Sendungen,
Werbung und Musikvideos eingesetzt werden. Unter den folgenden Beispielen
fällt allerdings der technische Aufwand für das Video zu Mick
Jaggers "Hard Woman" (1985, s.u.) auf, da es auf einem Supercomputer
entstand.
Costello, Elvis: Accidents Will Happen. Musikvideo mit Animation von Annabel Jankel und Rocky Morton, 1978.
Ein von Annabel Jankel und Rocky Morton 1978 für Elvis Costellos "Accidents will Happen" ausgeführtes Musikvideo zeigte animierte Zeichnungen und endete mit Vektorgrafiken aus Umrisslinien von Costellos Gesicht. 45
Tharp, Twyla/Byrne, David: The Catherine Wheel, Tanzperformance, 1981. Computeranimation von Rebecca Allen für die Filmversion, 1982.
Für Twyla Tharps 90 Minuten dauernden Tanzfilm "The Catherine Wheel" von 1982 (mit Musik von David Byrne) entwarf Rebecca Allen die Figur der Heiligen Katharina als Computeranimation aus chaotisch sich kreuzenden weißen Linien auf schwarzem Grund oder als mehrfarbige Drahtgitterfigur. Die Tänzerin Sara Rudner koordinierte ihre Aktionen so mit den Bewegungen der animierten Heiligen, dass Zuschauer provoziert wurden, sich zu fragen, wie lange noch erkennbar sein wird, wer worauf reagiert.
Für "Abracadabra" der Steve Miller Band bearbeitete Peter Conn (Homer & Associates) 1982 Filmmaterial nach der Digitalisierung mit einem auf der Software "Forth" basierenden und von Paul Rother (Homer & Associates) entwickelten "8-bit computer paint system". Editing mit einer Konsole mit 24 Kanälen und das Paint System werden eingesetzt, um die Zusammenhänge zwischen Aktrice, Akteuren und Zauberrequisiten in einem mit geringem Aufwand eingerichteten Studio zu präsentieren. Die im Liedtext beschworene "burning flame" blitzt immer wieder auf. Die Bildbearbeitung mit dem Paint System verselbständigt sich in einigen Sequenzen zu Farbmustern aus sich überlagernden Rechtecken, die sich kurz ausbreiten und wieder verschwinden, während farbige Quadrate, die aus einem Zauberhut sprühen, ihre darstellende Funktion durch ihre konfettiartige Buntheit in Frage stellen. Da der Bandleader und Komponist Steve Miller mit Gitarre am Anfang und am Ende eingeblendet wird, lässt sich das Liebeslied auch auf ihn beziehen. 46
Powers, Will (Goldsmith, Lynn): Adventures in Success, 1983. Musikvideo von Rebecca Allen.
1983 in "Adventures
in Success" thematisieren Rebecca Allen (Bild) mit Will Powers
(Lynn Goldsmith), Robert Palmer und Sting (Musik) die scheinbar automatisierte
Wunscherfüllung: Der Weg vom Wunsch zum Erfolg ist nur eine Frage
der imaginären Selbstgestaltung, lautet die Botschaft im Refrain
"It´s you. Make it habit. Make it happen. Only you". Im
mit Computer animierten Clip geben drei Masken vor, den Refrain zu singen.
Zwei von drei sich drehenden Masken tragen mittels Texture Mapping (s.
Kap. IV.2.1.3) die Gesichtszüge von Will Powers. Wenn sich die Masken
so weit drehen, dass sie ihre Rückseite offenbaren müssten,
erscheint wieder ihre Vorderseite: Sie sind nur Fassade. Der Eindruck
einer Richtungsumkehr der Drehung entsteht durch optische Täuschung.
Allen mischt in "Adventures in Success" Filmaufnahmen mit zwei-
und dreidimensionalen Animationen. Die zweidimensionalen Animationen spielen
auf Cartoon-Figuren wie auf Werbeversprechen an. 47
Ashley, Robert: Perfect Lives, 1983. Videooper, visualisiert von John Sanborn und Dean Winkler.
John Sanborn und Dean Winkler visualisierten Robert Ashleys "Perfect Lives" (1983). Der die mehrsträngige Erzählung vortragende Komponist Ashley und der Pianist "Blue" Gene Tyranny dominieren in Bild und Ton: Wiederkehrende Motive sind Ashleys Oberkörper mit beim Vortrag gestikulierenden Händen und Einblendungen der Klavier spielenden Hände von "Blue" Gene Tyranny. Ashley, Sanborn, Tyranny und weitere Beteiligte arbeiteten auf Bild, Ton- und Sprachebene mit Variationen von Leitmotiven. Sie schufen eine postmoderne "Videooper" aus sieben halbstündigen Episoden. 48
Ashley, Robert: Perfect Lives, Part VII: The Backyard, 1983. Videooper, visualisiert von John Sanborn und Dean Winkler.
Auf die von Alvy Ray Smith für Ed Emshwillers "Sunstone" 1979 digital programmierte Animation aus Bildern, die im virtuellen Raum wie sich drehende Fenster behandelt und in Form eines Kubus angeordnet wurden 49, greifen Sanborn und Winkler in einer Sequenz von "Part VII: The Backyard" in "Perfect Lives" zurück, in der Ashley über einen "polychrome heart service" assoziierend spricht. Ashleys Kopf und Tyrannys Klavier spielende Hände erscheinen auf den Würfelflächen. Zwischen den lose angeordneten Kubusflächen wird ein weiterer kleiner Kubus sichtbar, der mit den Projektionen auf seinen Seiten eine Brechung des größeren Kubus ist.
Tacuma, Jamaaladeen: Renaissance, 1984. Musikvideo von John Sanborn und Dean Winkler.
Zur Eröffnung des Computer Museum 1984 in Boston schufen Sanborn und Winkler den Clip "Renaissance" zur Funk-Jazz-Instrumentalmusik von Jamaaladeen Tacuma. Das Video erscheint mit seinen Bildern von Boston Harbor, über Rasterebenen fliegenden stereometrischen Körpern und sich drehenden Gittern, als verarbeite es Versatzstücke der Computeranimation in einer Spielzeugwelt. Die Raumschichten der mit einer Quantel Paintbox (ab 1981) erstellten Animation konstituieren Kombinationen und Transformationen von Bauten und stereometrischen Objekten.
Conn wechselt in "Abracadabra" zwischen den Videoschnitten die Kameraperspektive auf den Studioraum. Aktrice und Feuerbälle bilden Konstanten im Schnittwechsel. Sanborn und Winkler dagegen wählen in "Perfect Lives" einen mit Einblendungen gebildeten, sich in der Art der Zusammensetzung ändernden multiperspektivischen Montage-Bildraum. In "Renaissance" wählen sie zwar einen in Tiefenschichten gestaffelten Bildraum, doch werden in ihm Gebäude und stereometrische Objekte zu sich bewegenden Motiven, als würden fliegend sich bewegende Objekte den Stadtraum bilden. Es entstehen sich unterschiedlich in die Tiefe erstreckende Konstellationen aus beliebig vervielfältig- und manipulierbaren Elementen. "Renaissance" zeigt den Übergang von in Postproduction bearbeiteten Filmaufnahmen zu Videos, die überwiegend aus via Computeranimation konstituierten Bildräumen bestehen. Allen wechselt in "Adventures in Success" zwischen Darstellungsweisen. Mittels korrespondierender Hintergrundgestaltung der Cartoons von Vorstellungen des besseren Selbst werden Schnitte zu Übergängen abgemildert. Sanborn und Winkler dagegen präsentieren in "Renaissance" einen kontinuierlichen Wandel in der Raumkonstitution durch digitale Bildverarbeitung: von Schnittsequenzen zum Transformationsraum.
Dire Straits: Money for Nothing, 1985. Musikvideo von Steve Barron.
Steve Barron produzierte 1985 einen Clip zu Dire
Straits´ "Money
for Nothing". Der Komponist Mark Knopfler stellte die Gedanken
eines Verkäufers vor: "Money for Nothing" erhalten Musiker.
Knopfler hielt sich im Songtext an die Sprache eines Verkäufers,
den er in einem "hardware department in a television/ custom/ kitchen/
refrigerator /microwave appliance store" traf. 50
Ian Pearson und Gavin Blair arbeiteten mit dem Animationssystem Bosch FGS-4000 und einer Quantel Paintbox. Sie bevorzugten monochrome Oberflächen und verzichteten auf Schattierungen und Texturen. Die Animationskünstler teilten den Verkäufer in zwei virtuelle Figuren ("Sal" und "Harv"), die aus stereometrischen Körpern zusammengesetzt sind. Die virtuellen Verkäufer agierten in Simulationen eines Wohnzimmers mit TV sowie eines Verkaufsraums mit TV-Wand und Großprojektion. Der im Song angesprochene MTV-Lifestyle fand sein Pendant in den auf Monitoren präsentierten MTV-Logos. Filmaufnahmen eines Dire Straits-Auftritts wurden in die animierten Räume eingeblendet. Diese Live-Sequenzen lösten mehrfach die Animationssequenzen ab. Teile der Live-Aufnahmen waren selbst im Rotoskopie-Verfahren überarbeitet, als wären Konturen von Mikrofonen und Anderem mit einem Leuchtstift nachgezeichnet worden.
Als Kontrast zu den Musikern in den Einblendungen eines Konzertauftritts erscheinen die Verkäufer als aus stereometrischen Elementen zusammengesetzte Körper, die Geräte durch den Verkaufsraum tragen. Die Funktion der entindividualisierenden Typisierung ist ambivalent: Sie bietet den Verkäufern nicht nur Schutz durch Anonymisierung, sondern ist auch erniedrigend. Die Betonung der Funktion der Kritik als Ventil von Menschen in unselbständigen Tätigkeiten nimmt Zuhörern die Möglichkeit, diese Kritik für berechtigt zu halten. Die Virtualisierung in Blockformen lässt aus den Verkäufern Karikaturen werden, da Zweifel an der Adäquatheit ihrer Kritik durch die schrulligen Gesichter und die grell-bunte Kolorierung provoziert werden.
Jagger, Mick: Hard Woman, 1985. Musikvideo von Digital Productions.
Für Mick Jaggers "Hard
Woman" schuf Digital Productions 1985 auf dem Supercomputer Cray
X-MP (ab 1983) Animationen mit der firmeneigenen Software "Digital
Scene Simulation". Das Körpervolumen einer weiblichen und einer
männlichen Figur wird von `leuchtenden´ farbigen Linien lediglich
angedeutet, während der Hintergrund durchscheint. Nicht nur die besungene
"Hard Woman", sondern auch Jagger erscheinen als Linienfigur.
Außerdem erscheinen Kameraaufnahmen des Sängers simultan in
mehreren Hauseingängen der Animation einer Straße. Der Inhalt
des Liedtextes wird von der Animation nicht interpretiert, sondern nur
visuell umspielt. 51 Die 3D-Animation von leuchtenden
Strichfiguren ist eine Weiterentwicklung der 2D-Strichfigur, die Allen
für Tharps "The Catherine Wheel" (s.o.) schuf.
Wenn die Liedtexte nur aus Variationen des Themas Liebe bestehen, dann
sind die Möglichkeiten, ungewöhnliche Musikvideos zu schaffen,
sehr begrenzt, wenn sie sich weitgehend auf Motive des Textes beschränken
sollen. Computer Animation kann dann den Charakter des Belanglosen oder
Redundanten des Liedes nicht nur nicht mehr ändern, sondern sie verstärkt
ihn. Jedenfalls legen Conns Video für "Abracadabra" (s.o.)
und "Hard Woman" diese Schlussfolgerung nahe.
Die großen Erfolge als "Video of the Year Winners" bei den Music Video Awards des Fernsehsenders MTV in Los Angeles waren 1986 der Clip zu "Money for Nothing" von den Dire Straits und 1987 der Clip zu Peter Gabriels "Sledgehammer".
Gabriel, Peter: Sledgehammer, 1986. Musikvideo von Steven R. Johnson.
Peter Gabriels "Sledgehammer"
animierten 1986 Aardman Animation und Brothers Quay unter der Leitung
von Steven R. Johnson. Der Clip verzichtet auf mit Computern erzeugte
Bilder und schließt mit schnellen Schnitten und Einblendungen sich
im Bildraum bewegender `fliegender´ Objekte an Trickfilme an. In
den Szenen mit Knetanimation werden ältere Animationsformen der Belebung
des Unbelebten aufgegriffen. Die Bewegungsanimationen mit Pixilation
werden nicht nur an Knetfiguren, sondern auch am Sänger Peter Gabriel
vorgeführt: Aufnahmen seines Kopfes werden Frame für Frame bearbeitet
er erscheint als "living stop motion puppet" und damit
als Bildfigur, die in Stop Motion nicht anders als die Knetfiguren behandelt
wird. Peter Gabriel soll 16 Stunden unter einer Glasscheibe gelegen sein,
um die Animationskünstler die für die Frames benötigten
Aufnahmen machen zu lassen.
"Sledgehammer" liefert in der Gattung Musikvideo ein erfolgreiches Gegenbild zu den Musikvideos mit Computer Animation, das aber ebenso künstliche Bildräume, Montagen von bewegten Objekten in irrealen Größenverhältnissen und schnelle Bild- oder Schnittfolgen aufweist. 52 "Sledgehammer" wurde zum meist gesendeten Clip in der Geschichte des Senders MTV.
Kraftwerk: Musique non Stop, 1986. Musicvideo von Rebecca
Allen.
Rebecca Allen bereitete 1983/84 den Clip für Kraftwerks "Musique non Stop" mit dem schon in "Adventures in Success" (s.o.) eingesetzten Equipment des Computer Graphics Laboratory im New York Institute of Technology vor. Da die Musiker von Kraftwerk die Tonstudiobearbeitung ihrer Aufnahmen erst 1986 abschlossen, konnte auch Allen ihre Animation nicht vorher fertig stellen.
Sie setzt in ihrer Animation keine Filmaufnahmen der Musiker ein. Dennoch schließt sie in der Art, wie sie Kopf- und Körperanimationen einsetzt, an die Live-Auftritte von Kraftwerk an, in denen die vier Musiker in gleicher Kleidung und Frisur, in einer Reihe und in gleichen Abständen hinter Tischen stehen, auf denen sie ihr Equipment bedienen.
Allen teilt plastische Modelle der Köpfe aller Mitglieder in Felder
ein, fotografiert sie von verschiedenen Seiten und erstellte damit animierte
Drahtgittermodelle. Die vier Köpfe erscheinen im Clip in verschiedenen
Anordnungen als Figuren in Drahtgitter-Simulationen (ohne Überschneidungen),
Polygonanimationen und Animationen mit glatten Oberflächen. Gegen
Ende des Clips zeigt Allen Aufnahmen der an Crashtest-Dummies erinnernden
gefelderten Kopfmodelle. Danach erscheint eine weiße Maske, die
zuerst Augen und dann Gesichtsfarben erhält, um schließlich
in eine schwarz-weiß-Simulation aus Linien zu wechseln.
Parallel zum von Wiederholungen und wenigen Variationen geprägten minimalistisch ausgerichteten Technopop von Kraftwerk und zum entindividualisierten Auftreten der Musiker mit wenigen, standardisiert wirkenden Gesten kombiniert Allen Elemente des Herstellungsprozesses von 3D-Simulationen der Musiker. Sie zeigt diese Elemente, als wären sie Ausschnitte aus einem wiederholbaren Werkstattprozess.
Während "Sledgehammer" mit unreinen Oberflächenreizen der Aufnahmen und mit Sprüngen im Bewegungsablauf sich digitaler Glätte entzieht, zelebrieren sie Allen und Kraftwerk: Das `Unreine´ gegen die Reduktion auf `reine´ Elemente maschineller Präzision. Indem Allen sowohl die Kraftwerk-Hybridästhetik zwischen Mensch, Maschine und Computer als auch die Drahtgitteranimationen in Science Fiction-Spielfilmen der siebziger Jahre (s. Kap. IV.2.1.4.1) aufnimmt, spielt sie mit bereits als technoid vorcodierten Elementen. Die (Animationen von) Menschen erscheinen wie Roboter zerleg- und rekonstruierbar. 53
Die Sängerin Perla Batalla war das Modell, dessen Körper mit
Bewegungen von Motion Analysis Inc. aufgenommen wurden. Die Bewegungsabläufe
wurden auf ein digitalisiertes Modell einer Aktrice namens Dozo übertragen:
Dozo, deren Haut glatt und unbelebt erscheint, bewegt sich wie Perla Batalla,
deren Stimme sie auch erhielt. Dozo singt einen von Walczak und Kleiser
für ihre Situation als virtuelle Performerin geschriebenen Text (Musik:
Frank Serafine). In "Don´t Touch Me" setzen Kleiser und
Walczak Motion Capture nicht mehr, wie Allen Kraftwerks Musiker in "Musique
Non Stop" animierte, als Baukasten zur Vorstellung einer virtuellen
Welt parallel zu Life-Auftritten einer Musikgruppe ein, sondern stellt
einen künstlich erstellten Star vor. Die audiovisuelle Performance
des Music Clips stellt zwar einen Star vor, doch als rein virtueller müsste
er sich ohne Live-Auftritt präsentieren und von einer Karriere als
Konzertstar unabhängig werden. Der Music Clip bleibt jedoch an den
Medienverbund mit Konzertstars gebunden, während "Don´t
Touch Me" ein aus der Form des Musikvideos entwickeltes Modell für
die Computeranimation von menschlichen Körpern und Bewegungen ist.
Nach 1987 brach der Verkauf von Musikvideos auf Videocasetten stark ein. Die Major Labels der Musikbranche kürzten ihre Etats für Clips. 55 Der Musicclip lebt in Fernsehsendern wie MTV (ab 1981) weiter: Der Charakter des gestalteten Wechselspiels zwischen Bild- und Tonebene verschiebt sich noch stärker zur Promotion von Musikern als Stars, die auch die Visualisierung dominieren. Der schnelle Wechsel von Videoschnitten, wie er als Filmbearbeitung an einem Schneidetisch für die Kadermontage viel zu aufwändig wäre, wird als Promo(tion)stil nach dem Niedergang des Marktes für Musikvideos auf Videocasetten fortgesetzt. 56
Kleiser und Walczak konzipierten "Don´t Touch Me" bereits
nicht mehr als Video für ein Musikstück, sondern als von der
Rückkoppelung an Stars von Konzerten befreiten, von Hewlett Packard
finanzierten Kunstfilm, mit dem sich 1989 der technische Entwicklungsstand
der Animation virtueller Akteure demonstrieren liess.
Die Kombination von simulierten Figuren und Life-Aufnahmen
in "Money for Nothing" ist ein Kompromiss zwischen Mark Knopfler
und den Anforderungen von MTV, interessante Clips zu zeigen und sich nicht
mit Dokumentationen von spielenden Musikern zu begnügen. 57
Zwischen virtuellen Performern als Hauptakteure wie Dozo in "Don´t
Touch Me" und deren Degradierung zu Statisten neben gefilmten
Konzertstars in "Money for Nothing" stehen in "Musique
Nonstop" Allens `virtuelle Akteure´ als Elemente einer Parallelwelt
zur Konzertaufführung als weitere Möglichkeit, Musiker und Computer
Animation aufeinander zu beziehen.
IV.2.1.4.3 Demoscene
Die Demoscene bestand in den achtziger Jahren aus Crackers, die den Kopierschutz (in der Software) von Computerspielen entfernten und ihre Kopien mit Intros versahen. Diese seit 1983 verbreiteten Cracktros für die Personal Computer Commodore 64 (1982-94) bestanden meist aus dem Logo ihres Autors (teilweise bewegt), einem Scrolltext, grafischen Elementen (teilweise bewegt) und Musik. Die Musik wurde in MIDI-Dateien ähnlichen Formaten geschrieben. Die Cracktros enthielten außerdem Maschinenanweisungen, zuerst in Assemblersprache und später in C und C++. 58 Die in Echtzeit 59, ohne erkennbare Zeitverzögerung vom Rechner in Bildschirmpräsentationen ausführbaren Codes waren für Computer mit 8-Bit-Prozessoren geschrieben. Zu diesen Prozessoren des Commodore 64 boten ab 1985 die 16-Bit-Prozessoren des Commodore Amiga eine Alternative. 60
German Cracking Service: Slamball, Cracktro für Commodore C64, 1984 (Botz: Kunst 2011, S.54ff.).
Aus Cracktros wurden autonome Demos, die Gruppen 1987 bis ca. 1990 in Megademos hintereinander zeigten. 61 Ab 1987 entstand eine Szene für Personal Computer mit dem Betriebssystem MS-DOS, die sich 1992 von der Amiga-Demoscene löste. Es gibt heute Demo-Wettbewerbe für verschiedene Personal Computer der achtziger Jahre. 62
Für die Frame-by-Frame-Entwicklung von Spielfilmsequenzen wurden Super- und Mainframe Computer eingesetzt. Diese Art der Computer Animation stand an einem Ende der Skala verfügbarer Rechenkapazitäten, während die Demoscene das andere Ende mit Echtzeit-Animationen für die geringen Rechenkapazitäten von Personal Computern einnahm. 63 Zwischen diesen beiden Extremen der Animation für große und kleine Rechner gab es Tools für digitale Mini- und Microcomputer, wie sie Tom DeFanti mit GRASS (ab 1973, für DEC PDP 11/45, ab 1972, s. Kap. IV.1.2) und ZGRASS (ab 1978, für Datamax UV-1, ab 1978) 64 sowie Woody Vasulka und Jeffrey Schier mit dem Digital Image Articulator (1976-78, für DEC LSI-11, ab 1975, s. Kap. IV.1.2) entwickelt haben. Steina und Woody Vasulka realisierten mit diesem Tool in den achtziger Jahren interessante Videos. 65 Mary Jane Veeder entwickelte in dieser Zeit mit ZGRASS eine aus Signets beziehungsweise Icons sowie aus Arcade und Video Games abgeleitete zweidimensionale Bildsprache. 66
Animationen mit Mainframe und Supercomputern orientierten
sich am Ideal des Hyperrealismus. Hyperrealismus ist in vielen digital
produzierten Künstlervideos wie in den Echtzeit-Animationen der Demoscene
für Personal Computer in den achtziger Jahren (noch) kein Ziel: Simulationsmaschinen
für Kinos (und Werbung) stehen alternative Konzepte gegenüber,
die Möglichkeiten des Umgangs mit auch für Privatpersonen erschwinglichen
Rechenkapazitäten zeigen. Autoren von Musikvideos greifen auf verschiedene
künstlerische wie kineastische Formen der Animationen zurück
und verbinden Video- mit Spielfilmästhetik. 67
Die meist auf Großrechnern und Supercomputern
entstandenen Animationen für Filmsequenzen wurden für und im
Auftrag von Produzenten der Unterhaltungsindustrie erstellt. Deren Filme
sollten Erwartungen des Kinopublikums erfüllen. Die Animationen von
Mary Jane Veeder, Steina und Woody Vasulka mit Mini- und Microcomputer
dagegen waren experimentelle Filme mit dem Anspruch, neue Filmformen zu
finden. In der Demoscene wiederum wurden Personal Computer von Autoren
einer Subkultur eingesetzt, die im Umgang mit beschränkten technischen
Möglichkeiten eine eigene Ästhetik laufender Text-(dreidimensional
erweiterte)Icon-Kombinationen entwickelten.
Sie praktizieren ein Gegenmodell zur Verwertung von Urheberrechten durch
die Kino- und Video Game-Industrie. Die Autoren der Demos verzichten auf
Gewinne und verbreiten ihre Produkte kostenlos. Dies hat in der Kombination
mit der Offenheit der Software (im Angebot zum kostenlosen Download) eine
kollaborative Weiterentwicklung der Programmierung ermöglicht. 68
Diese Offenheit wurde zum Leitbild alternativer digitaler Kulturen.
IV.2.1.4.4 Technoimaginäres
In den achtziger Jahren wurde Computerkunst in den Geisteswissenschaften aus dem Blickwinkel eines "Technoimaginären" wahrgenommen, das für eine von digitalen Medien und Telekommunikation möglich gewordene, positiv verstandene Virtualität steht. Mit der Telekommunikation (s. Kap. VI.1.2) wird eine ubiquitäre Zeichendistribution möglich 69, die nicht nur zu einer deterritorialisierten Vorstellung von Sozialisation führt, sonden auch zu einer virtuellen Welt, an die Realität angeschlossen werden kann, als lebten wir in einer elektronischen Welt und bräuchten Interfaces nicht zum Einstieg in virtuelle Welten, sondern zur Realität. 70 Paul Virilios Thesen zur Entwicklung von Relationen zwischen Medien, Zeit und Territorien im 20. Jahrhundert wurden mit Jean Baudrillards Thesen zur Simulation 71 zu einer sich von referentiellen Funktionen verabschiedenden und diese ersetzenden beschleunigten Zeichendistribution verbunden, die eine Erfahrung materieller Gegenwart in eine Ferne rückt, als wäre diese nur in historisch-musealisierender Beobachtung erfassbar: In der Perspektive vom "Hyperrealen" auf die Realität beginnt das uneinholbar Ferne schon in der Gegenwart, während diese Ferne bisher Kennzeichen von Rekonstruktionen vergangener Zustände war. 72
Einerseits soll der Austausch von Gütern nicht immer eine am Tauschwert orientierte Distribution gewesen sein, wofür Vergleiche mit Gaben in noch nicht merkantil organisierten Gesellschaften dienen. Andererseits wird in Massenmedien die Kommunikation von Zeichen mit Zeichen tauschwertorientiert und mediengestützt derart beschleunigt, dass Kommunikation zunehmend von "flottierenden Signifikanten" abgelöst wird. Symbolische Interaktion (Kommunikation) verliert ihre Gemeinschaft konstituierenden Funktionen und wird zunehmend von Spektakel-Organisationen ersetzt, die korporativ organisierte Medienverbünde bilden. Das Musikvideo ist ein Produkt eines Medienverbundes dieser Art (Schallplatten-TV-Kinofilm-Konzerte-Videos-Werbung). 73
Verschwendung ohne Gegengabe
dient seit den Situationisten als Modell eines freien Austauschs. 74
Voraussetzung des freien Austauschs sind `Gegenstände´ oder
Zeichen ohne Bindungen an Codes, wie sie unter anderem Tauschwerte bilden.
Diese Bindungen werden im "Hyperrealen" zu Schatten einer Vergangenheit,
die sie hervorbrachte. Rezipienten akzeptieren schließlich Spektakel-Organisationen,
weil die durch sie zirkulierenden Zeichen die Imagination so tief imprägnieren,
dass Abgrenzungen zu fremdbestimmten Vorstellungen nicht mehr möglich
sind. Die Scheinwelt aus "Simulakra" wird allumfassend. 75
Als Teil dieser Spektakel-Organisation erscheint die 3D-Simulation durch
Computeranimation besonders dann, wenn sie als wichtiges Element einer
sich verselbständigenden virtuellen Welt vorgestellt wird.
Wie sehr Computerspiele mit ihren virtuellen Welten zu Fiktionen führen, in denen sie nicht nur als Welten hinter dem nicht anders als über ein technisches Interface zugänglichen Bildschirm vorkommen, sondern vor allem als er- und gelebte Welt, führt "Tron" (s. Kap. IV.2.1.4) bereits zu einem Zeitpunkt vor, als Computer Games von einem Immersion erzeugenden "Hyperrealismus" noch weit entfernt waren (s. Kap. VII.1.3.1).
Dass simulierte Akteure unsere Vorstellungen von Sozialisation in einer technologisch durchorganisierten Welt bestimmen, die nicht nur Games produziert, sondern diesen immer ähnlicher wird ("Gamification"), dieser Situation versucht Lisbergers Spielfilm durch den Kampf zwischen "Master Control Program" und dem die User-Kontrolle aufrecht haltenden Sicherungsprogramm "Tron" entgegen zu wirken. Allerdings wird dieser Ausgleich im Rahmen eines Science Fiction-Plots literarisch und filmisch verräumlicht und nicht wie heute im Web 2.0 als Problem der Organisation und offenen oder versteckten Kontrolle von Datenflüssen vorgeführt. Die Computer Animation dient dieser im Plot und Storyboard mit `Stift und Imagination´ computerextern ausgearbeiteten literarisch-filmischen Fiktion der Interaktion zwischen Mensch und Computer.
Baudrillard versucht in seiner Kritik der Simulation
und der Simulakra zwar, in der Spektakel-Organisation eine Zivilisation
aufzuzeigen, die Zeichendistribution so organisiert, dass ihre Mitglieder
zunehmend die Fähigkeit verlieren, Fremdbestimmung zu erkennen, dennoch
wird aus seiner Kritik in der Rezeption auch Technikeuphorie. 76
Die beschleunigte Verbreitung
von Zeichen kann mit der Simulation auch zur Dissimulation von Gender-Mustern
führen. Diese Möglichkeit lässt sich über die beschleunigte
Bildverarbeitung via Computer und einen geschichteten virtuellen Bildraum
aufzeigen, der statt einer Repräsentation eines Realraumes nurmehr
mögliche Phasenräume kennt. Peter Weibel hat das in seinen Thesen
zum "Pictorialen Raum in der elektronischen Kunst" 77
und mit Valie Export in der Performance "Stimmen aus dem Innenraum"
(1988) 78 als möglichen Weg einer sich digital
reorganisierenden, geschlechtsspezifische Rollenmuster überschreitenden
Zivilisation vorgestellt.
Export, Valie/Weibel, Peter: Stimmen aus dem Innenraum, intermediale Performance, Brucknerhaus, Linz 17.9.1988.
Nachdem Fraktale erzeugende Algorithmen in Computeranimationen zur Erzeugung
von Formationen eingesetzt wurden, die Menschen als Landschaften wahrnehmen
(vgl. Loren C. Carpenter 1980 in "Vol Libre" und 1982 in der
"Genesis demo" für "Star Trek II: The Wrath of Khan",
s. Kap. IV.2.1.4.1), lassen sich Export und Weibel in "Stimmen im
Innenraum" auf die zweifache Bindung von Rechenprozessen an darstellende
und symbolische Funktionen ein, um sie einseitig zu überschreiten:
Sie lösen symbolische Funktionen auf, leisten aber Körperimaginationen
jenseits von Geschlechtsmustern Vorschub und verzichten damit darauf,
auch die darstellenden Funktionen zu überschreiten. Allerdings werden
diese Funktionen nicht mehr für Wiedergaben realer Zustände
eingesetzt, sondern für deren Transgression.
Voraussetzung
dieser das Tempo der Verbreitung von digital organisiertem Wissen beschleunigenden
"Chronokratie" ist die Verbreitung von erschwinglichen Computern:
Die in Silicon Valley neoliberal gewordene Gegenkultur der Hacker und
frühen Netzwerke (s. Kap. VI.1.2) 79 liefert mit
der Verbreitung von Personal Computern und der Steigerung ihrer Leistung
die Voraussetzung für eine Technoperspektive 80,
die auch der Cyberfeminismus in seinen Thesen zu "Cyborgs" vertritt:
Wenn biologische Beschränkungen des Körpers, wie sie zum Beispiel
durch Geschlechtsmerkmale gegeben sind, durch neue Möglichkeiten
der biologischen Transformation überschreitbar werden, dann sind
soziale Bindungen zwischen biologischem Geschlecht und geschlechtsspezifischen
Rollenmustern obsolet, weil ersteres so formbar wird wie letztere formbar
sind. 81
Die
Cyberpunk-Anregung, mit "Biochips" 82 zu leben,
erleichtert es, sich den Menschen als "Prothesengott" 83
vorzustellen, der sich selbst erweitert und dies bis zur Umformung seiner
Selbst zum sich selbst steuernden Computer tun kann. Dieser von Oswald
Wiener bereits Mitte der sechziger Jahre publizierten Vorstellung der
technoiden Selbsttransformation 84 stehen die realen
Probleme gegenüber, Artificial Life aus sich selbst umwandelnden
Rechenprozessen entstehen zu lassen. Jeder Computer und jede Software
setzt der Selbsttransformation unüberschreitbare Grenzen, da die
Transformationsregeln die Rechenprozesse immer festlegen, wie sehr sich
diese Regeln auch selbst weiter entwickeln: Das Ideal einer unbeschränkten
Emergenz ist ein technisch unerreichbares Fernziel. 85
In den Vorstellungen von Autoren der achtziger Jahre
werden die Möglichkeiten der 3D-Simulation mit Artifical Intelligence
und Artificial Life, die evolutionäre Kunst aufgreift (s. Kap. IV.3.1
und Kap.IV.3.2), sowie mit Telekommunikation (s. Kap. VI.1.2) verbunden,
als würden diese drei Bereiche zwangsläufig zu einem "Cyberspace"
zusammenwachsen. 86 Aber es fügt sich doch nicht
so nahtlos Eins zum Anderen (Emergenz), wie das in einer Technoperspektive
in den achtziger Jahren möglich schien. "Second
Life" mag heute einige der Vorstellungen, wie 3D-Simulation mit
Telekommunikation verbunden werden kann, erfüllen, doch können
in dieser Plattform Vorstellungen des Artificial Life nur auf semantischer,
nicht auf algorithmischer Ebene eingebracht werden.
Theorien des Cyberspace verdeckten, wie sehr die technischen Möglichkeiten der 3D-Simulation vor allem menschlicher Imagination bedurften, um damit Bildräume und Filmsequenzen zu entwickeln: Die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer wird von Menschen so bearbeitet, dass die aus verschiedenen Software-Entwicklungen zusammengesetzten Phasenräume für die Imagination von Zuschauern aussagekräftig werden, die ihre Erwartungshaltungen an malerischen, fotografischen und filmischen Codes geprägt haben. Computeranimation dient in Spielfilmen vor allem einer Weiterentwicklung der mit diesen Codes entwickelten Kunstvorstellungen: Digitale Animationen sind von Menschen für Menschen gestaltete Projektionsmaschinen.
"Maschine"
ist hier nicht nur ein technischer, sondern auch ein psychologischer Begriff,
der gerade dieses sich Fügen von heterogenen Elementen zu neuen Synthesen
in der Imagination meint 87, nicht aber eine Bezeichnung
für Algorithmen von Transformationen, die Rechner ausführen,
wie auch immer Menschen die so erzeugten Präsentationen wahrzunehmen
in der Lage sind (s. Kap. VIII.1 über modulare und generative Verfahren).
Die "Wunsch-Maschine" Kino leitet den Gebrauch der Computer
Animation, während evolutionäre Kunst die "Technik-Maschine"
über von Algorithmen geleitete Rechenprozesse freisetzt und damit
für menschliche Beobachtungsoperationen zum Experiment wird: Hier
ist offen, was zur "Wunsch-Maschine" werden kann. 88
Diese Offenheit setzt aber eine generative Kunst voraus, die Evolution
nur als Anlehnungskontext verwendet (s. Kap. IV.3.3). Dagegen bindet eine
Vegetabiles und Körper simulierende Variante evolutionärer Kunst
durch die darstellende Funktion präsentierter Zeichenkomplexe (als
organische Körper) und die symbolische Funktion (durch die gewählte
Nähe zur biologischen Evolution (s. Kap. IV.3.1 und Kap. IV.3.2))
die "Technik-Maschine" an eine "Wunsch-Maschine",
die sich von darstellend-symbolischen Zweifachbindungen nicht befreit,
sondern sich damit begnügt, Vor- und Darstellbarkeit von Zusammenhängen
zwischen Kunst, Technik und Wissenschaft zu erweitern. Diese Bindungen
aber wies die Kritik der Philosophen der Postmoderne als zu dekonstruierende
"Dispositiva" aus. 89
Dr. Thomas Dreher
Schwanthalerstr. 158
D-80339 München. Homepage
mit zahlreichen kunstkritischen Texte, u.a. zur Konzeptuellen Kunst und
Intermedia Art.
Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder einen eigenen Tip geben? Dann schicken
Sie uns eine E-Mail.
Anmerkungen
1 Jones: Synthetics 2011, S.45; Magnenat Thalmann/Thalmann:
Computer 1990, S.14f.; Weibel: Geschichte 1984, S.18.
Die digitalen "Frame-by-frame"-Verfahren greifen das Bild-für-Bild-
oder Kader-für-Kader-Verfahren des klassischen Films wieder auf,
in dem auf Filmstreifen aus lichtempfindlichem Material (Zelluloid u.a.)
Bildfolgen gespeichert werden. Der aufgespulte Film wird im Filmprojektor
über einen Licht emittierenden Projektionsmechanismus geführt
bzw. ab- und wieder aufgespult. Das Verfahren der Bildproduktion, das
Speichermedium und die Koordination der Bildfolge im Speichermedium werden
mit Videotechnik (Magnetband) und Digitalisierung durch andere Verfahren
ersetzt. Das "Frame-by-frame"-Verfahren erlaubt es, bei der
Einzelbildproduktion ("Frame") die gesamte Rechenkapazität
einzusetzen. Die Monitorpräsentation des errechneten Frames wurde
photographiert. Die Reihe dieser Aufnahmen auf dem Filmträger "Frame-by-Frame"
ergibt in der Projektion den Eindruck von Bewegung.
Das Erstellen von Bildsequenzen durch einen Rechner, der programmierte
Transformationen von Bild zu Bild ausführte, war in den achtziger
Jahren ein lang dauernder Prozess, dessen Resultat auch für den Programmierer
überraschend sein konnte. Wenn die Bilder via Filmspule oder Magnetband
und den dazu nötigen Abspielgeräten bewegt wurden, dann war
der Computer nur ein Bilderzeuger, und beim Abspielen stellte sich das
Problem der Rechenkapazität nicht (Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer
1990, S.14f.). zurück
2 Auzenne: Visualization 1994, S.33-37; Carlson: History 2003, chap. A Short History of CCRG and ACAD; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.25-35. zurück
3 Botz: Kunst 2011, S.13-16; Tasajärvi: History 2004, S.12-15. zurück
4 Mary Jane Veeder, Tom De Fanti, Steina und Woody Vasulka
(s. Kap. IV.1.2, IV.2.1.4.3 mit Anm.65f). zurück
5 Auzenne: Visualization 1994, S.28; Goodman: Visions 1987, S.153ff.; Holbrook/Brown: History 1982, S.14; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.21 mit Abb. 1.5, S.24; Knowlton: Movies 1968. zurück
7 Carlson: History 2003, Section 3; Goodman: Visions 1987, S.21f.; Krull: Origin 1994 (Zitate). zurück
8 Interfaces für die Mensch-Maschine-Interaktion:
Alan Kay und seine Forschergruppe am Xerox PARC, Palo Alto: Alan Kay´s Forschergruppe in Xerox PARC (Palo Alto Research Center): Bardini: Bootstrapping 2000, S.215f.; Flückiger: Effects 2008, S.54; Friedewald: Computer 2009, S.237-355; Manovich: Kay 2007; Manovich: Software 2008, Part I, Chapter 1; Rheingold: Tools 1985, Chapter 11.
Xerox Star, Apple Lisa und Apple Macintosh (vgl. Anm.64): Friedewald: Computer 2009, S.343-351,379-409; Matis: Wundermaschine 2002, S.270f. zurück
10 Knowlton: Movies 1968, S.68; Noll: Movies 1965:
Robbin: Shadows 2006, S.177ff.
Hardware: Mainframe Computer IBM 7094 (ab 1962), Stromberg Carlson 4020 Microfilm Recorder (ab 1959), 16 mm Kamera. zurück
13 Le Grice: Computer 1974, S.163 (1. Zitat); Sutton:
Vanderbeek 2012, S.320 (2. Zitat).
Knowlton entwickelte aus den Erfahrungen mit VanDerBeek das Programm TARPS
("Two-dimensional Alphanumeric Raster Picture System"), mit
dem "Poemfield No.1" (1964) bis "Poemfield No.8" (1967)
programmiert wurden (Lansdown: Computing 1975; Patterson: Vision 2015,
Kindle Ebook Position 1473). Als das von Vanderbeek zur Produktion von
"Poemfields" eingesetzte Programm erwähnen Carolyn L. Kane,
Gloria Sutton und Gene Youngblood nur BEFLIX, nicht aber TARPS (Kane:
Algorithm 2014, Kindle Ebook Position 2649; Sutton: Machine 2015, S.173,175;
Sutton: Vanderbeek 2012, S.313,315f.; Youngblood: Cinema 1970, S.246).
In "New Talent The Computer" beschreibt Vanderbeek mit
dem Produktionsprozess auch die Programmierung und erwähnt dabei
nur BEFLIX (Vanderbeek: Talent 1970, S.86,91).
Zur Kolorierung: Gloria Sutton zitiert Vanderbeeks "EAT [Experiments
in Art and Technology] talk, c. 1968": "Starting with a black-and-white
film on one end of an optical printer and projecting it on color based
film and sticking color filters in the way, you superimpose a color layer
over your black-and-white material." (Sutton: Machine 2015, S.173f.).
Nach Zabet Patterson wurde der Film "carefully colored by hand."
(Patterson: Vision 2015, Kindle Ebook Position 1524. Vgl. Kane: Algorithms,
Kindle Ebook Position 1490). zurück
14 Csuri/Shaffer: Art 1968, S.12,97; Jankel/Morton:
Computer Graphics 1984, S.22f. mit Abb. 1.10.1-4; Youngblood: Cinema 1970,
S.202f. Rosen: Record 2006, S.46 mit Anm.42: "Programming Assistance:
Samuel J. Cardman, and J. Carroll Notestine...Shaffer developed the technique
to bring in short segments of the plotter drawings. Csuri developed the
ideas of morphing, randomness and fragmentation, which were implemented
by Shaffer, Cardman, and Notestine. Charles Csuri, e-mail to [Margit Rosen]...,
8 May 2006."
Weitere Beispiele früher, zwei- und dreidimensionaler Computer Animationen:
Pritchett, Tony: Flexipede,
1967-68, Film, 16 mm, s/w, Ton, 2 Min. 10 Sek. In: Mason: Computer 2008,
S.211f.
Yamada, Gaku/Tsukio, Yoshio: The
Art of Fugue, 1968. Film, 16mm, s/w, Ton, 3 Min. In: Sakane: Computer
1986, S.158. zurück
15 Reichardt: Computer 1971, S.81f.; Reichardt: Serendipity 1968, S.75f. zurück
16 Glowsky: Csuri 2006, S.33,71. Das Vorgehen Csuris ist in Kap. IV.2.1.2 bereits an Hand des Films "Hummingbird" skizziert worden. zurück
23 Phong Shading: Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.94; Morrison: Computer 1994, Kap. 1970-79; Phong: Illumination 1975, S.312: "When planar polygons are used to model an object, it is customary to shade the object by using the normal vectors to the polygons. The shading of each point on a polygon is then the product of a shading coefficient for the polygon and the cosine of the angle between the polygon normal and the direction of incident light." zurück
24 Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.93ff.,147. zurück
25 Carlson: History 2003, Section 20; Flückiger: Effects 2008, S.58f. mit Abb.8f., S.86 mit Abb.10, S.270 mit Abb.81. zurück
27 "Bump Mapping": Blinn: Simulation 1978;
Flückiger: Effects 2008, S.85f.
Über James F. Blinn: Auzenne: Visualization 1994, S.52-59. zurück
28 Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.26,30f. zurück
29 Autodesk, ab 1982; Wavefront, ab 1984; Prisms, ab 1985; TOPAS, ab 1986; Pixars Render Man, ab 1988 (erwerbbar seit 1989); Autodesk Animator, ab 1989 (für Personal Computer); Wavefronts Composer, ab 1991; Wavefronts Kinematon und Dynamation, ab 1992; After Effects, ab 1993 (s. Manovich: Effects Part II 2006, Chap. Deep Remixability: "remixability of previously separate media languages"). zurück
30 Gere: Culture 2008, S.184f.,190ff.; Neuhaus: Gibson 2006. zurück
33 Star Wars Episode IV: Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.111; Weibel: Geschichte 1984, S.27.
Alien: Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.110f.; Mason: Bits 2006,
S.12-15; Mason: Computer 2008, S.233ff.: Sutcliffe´s "program
was written in FORTRAN with calls to FROLIC subroutines". Colin Emmett
entwickelte die Animationssoftware FROLIC und Alan Sutcliffe arbeitete
mit ihr an einem Atlas
Lab Prime 400 (ab 1976/77). Sutcliffe baute ein Styropor-Modell der
Berge. Er verwendete deren Maße als Grundlage seiner Simulation
(Mason: Bits 2006, S.14). zurück
35 Auzenne: Visualization 1994, S.53,67,86; Flückiger: Effects 2008, S.62,424; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.118f.; Wikipedia: Looker 2012.
Flückiger: Effects 2008, S.424 über die Szene mit der auf den Körper-Scanprozess folgenden Simulation: "Wie in `Westworld´...ist die Konstruktion der digitalen Figur gleichzeitig als Thema der Narration präsent; es findet im engeren Sinn keine Illusionierung des künstlichen Körpers statt, sondern die Darstellung ist als eine technisch Verfasste gerahmt..."
Animationen in "Westworld", "Futureworld", "Looker"
und "TRON" (s.u.) wurden von Triple-I (Information International
Inc.) ausgeführt (Flückiger: Bodies 2010, S.7ff.,12f.; Flückiger:
Effects 2008, S.62,115,423f.,427; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer
1990, S.37). zurück
37 Für das Animationssystem wurde 1986 ein eigener Computer entwickelt: Reyes war mit in seine Grafikmaschine eingebauten komplexen Algorithmen leistungsfähiger als sein Vorgänger Pixar und der Cray X-MP, wie ihn zum Beispiel Digital Productions einsetzten (Conlan: Computers 1986, S.83,90).
Im Ray Tracing wird die Berechnung von Lichtstrahlen vereinfacht: Nicht alle von einem Gegenstand reflektierten Strahlen, sondern nur die Reflexe werden berechnet, die vom Beobachterstandpunkt aus sichtbar werden. Die Ray Tracing Technik wurde zum ersten Mal Anfang der siebziger Jahre im MAGI (Mathematical Applications Group Inc.) Animationssystem angewandt (Flückiger: Effects 2008, S.181f.; Goldstein/Nagel: Simulation 1971; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.101f.). zurück
38 Cook/Carpenter/Catmull: Reyes Image Rendering 1987 (Zitate S.97). zurück
39 Reeves: Particle Systems 1983, S.359. Vgl. Flückiger: Effects 2008, S.132f.; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.39. zurück
40 Reeves: Particle Systems 1983, S.365-371. zurück
42 Carlson: History 2003, Section 6; Conlan: Computers 1986, S.75-83; Flückiger: Bodies 2010, S.12f.; Flückiger: Effects 2008, S.7f.,117,216f.,427; Gere: Culture 2008, S.182ff.; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.110 mit Abb.7.1, S.112-115 mit Abb.7.2-7.10, S.118f.; Weibel: Musik 1987, S.141. zurück
43 Auzenne: Visualization 1994, S.62,68; Carlson: History 2003, Section 6; Conlan: Computers 1986, S.75-83; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.37; Morrison: Computer 1994, Chap. History 1980.
"Tron" (1982) als Arcade Game von Bally/Midway Games enthielt vier kleine Spiele mit Sequenzen des Spielfilms (Wirsig: Lexikon 2003, S.471). Das Spiel war erfolgreicher als der Film. zurück
44 Gere: Culture 2008, S.190f.
In der TV-Serie "Max Headroom" wurde die Hauptfigur nicht mittels
Computer Animation simuliert: Mit Video editing wurden die zeitgenössischen
Techniken der Filmproduktion (Schauspieler Matt Frewer mit Make-up) erweitert.
Mit Commodore Amiga 1987 erstellte Computergrafik für die amerikanische
Version der Serie erstreckte sich auf die Monitor-Erscheinung der
wie es das Plot wollte nach einem Unfall nur im Datenraum existenten
Hauptfigur (Masson: CG 101 1999, Chap. History
of Computer Graphics). zurück
46 The Catherine Wheel: Jankel/Morton: Computer Graphics
1984, S.35,85,88f.,133.
Abracadabra: Conn: Promos 1983, S.8.
Außerdem: Soma Holiday: Human
Vectors, 1982: mit einer Vektorgraphik, die von Dov Jacobson mit der
"home game machine" "Vectrex" erstellt wurde: Jacobson:
Vectors 2013. zurück
47 Goodman: Visions 1987, S.163 (Software: System mit Gesichtsparametern entwickelt von Frederick I. Parke, Direktor des Computer Graphics Laboratory am New York Institute of Technology. Hardware: Digital Equipment Corporation (DEC) Vax 11/780 (ab 1977), Evans and Sutherland Picture System, Ikonas Frame Buffer); Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.,119,133f. mit Abb. 8.34 zurück
48 Ashley: Perfect Lives 1991; Machan: Ashley 1986; Nabakowski: Geld 1985.
John Sanborn und Dean Winkler verwendeten "Video Image Processing" für die Bildbearbeitung (Video-Synthese und Video-Schnitt).
Richard Wagner 1852 in "Oper und Drama" über die Musikdrama-Konzeption des "Leitmotivs": Wagner: Oper 1994, S. 163,286,298-308,332f.,349-365,419,446ff., 492f., 532f. (Zum "Leitmotiv" in "Perfect Lives": John Rockwell, zit. in: Nabakowski: Geld 1985, S.91). zurück
49 Auzenne: Visualization 1994, S.110f.; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.46ff.; Weibel: Geschichte 1984, S.32. Programmierung: Alvy Ray Smith, Lance Williams und Garland Stern (am Computer Graphics Laboratory des New York Institute of Technology, Old Westbury/Long Island). zurück
50 Knopfler 1994 in: Flanagan: Interviews o.J.
Über den Music Clip "Money for Nothing": Barron: Dire Straits 2006; Girl on Film: Anniversary 2010.
Zur Rotoskopie: Flückiger: Effects 2008, S.110,216. zurück
51 Flückiger: Bodies 2012, S.10f.; Flückiger: Effects 2008, S.425f.; Goodman: Visions 1987, S.2f.,162f.,187.
Über die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Supercomputern für Animationen (am Beispiel von Digital Productions): Auzenne: Visualization 1994, S.86ff. zurück
52 Zur Interpretation des Videos "Sledgehammer": Drewett/Hill/Kärki: Peter Gabriel 2010, S.57-69,195-209. zurück
54 Flückiger: Bodies 2010, S.9 mit Anm.8; Flückiger: Effects 2008, S.424 mit Anm.8; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.238; Morrison: Computer 1994, Chap. History 1980.
Motion Capture wurde von Jim Hanson und Brad de Graf entwickelt (Morrison: Computer 1994, Chap. History 1980). De Graf wird als einer der "body flexing software consultants" im Abspann genannt. Die Interpolation von Key Frames für die Gesichtsanimation wurde mit Software von Larry Weinberg ausgeführt und die Körperanimation mit Software von Konrad Witz. zurück
56 Schneller Wechsel von Videoschnitten in Musikvideos:
Poschardt: Video 2004, S.14.
Es gibt auch nach 1987 Ausnahmen vom Musikvideo als Promo des Konzertstars, unter anderem bei Daft Punk (wegen selbst gewählter Anonymität (z.B. "909 Revolution" (1998) von Roman Coppola)) und Aphex Twin (z. B. "Rubber Johnny" (2005) von Chris Cunningham). zurück
58 Über die Form der Cracktros: Botz: Kunst 2011,
S.14; Tasajärvi: History 2004, S.13.
Cracktros, ab 1983 für Commodore 64: Botz: Kunst 2011, S.14,46,51f.,63f.
Beispiele von TRIAD und FAIRLIGHT: Botz: Kunst 2011, S.77f.
Programmiersprachen der Cracktros: Botz: Kunst 2011, S.59f. zurück
60 Botz: Kunst 2011, S.46-50,103-107; Matis: Wundermaschine 2002, S.283ff.
Wegen der illegalen Kopien von Computerspielen sanken die Umsätze,
die von Game-Unternehmen mit Versionen für Commodore-Rechner erzielt
wurden. Schließlich stellten immer weniger Game-Produzenten Versionen
für Personal Computer von Commodore her. Commodore gelang es nicht,
in den Markt für Bürorechner vorzudringen. Das soll an dem Image
als Erzeuger von Personal Computer für Spieler und Videoerzeuger
gelegen haben. Diese nutzten die Fähigkeiten der Commodore-Rechner
für Grafikdarstellungen und das Tape Deck für Audiocasetten (Tasajärvi:
Demoscene 2004, S.12; Wikipedia: Amiga Software 2012, Kap. Piracy). Die
aus diesen technischen Eigenschaften resultierenden Image-Probleme und
andere Gründe führten 1994 zum Bankrott von Commodore Business
Machines.
Die Grafikfähigkeiten von Personal Computern führte Andy Warhol
1986 in einer TV-Sendung vor: Er überarbeitete ein digitales Bild
von Deborah Harry mit einem Paint System (Graphicraft von Commodore Amiga
Inc.) auf einem Commodore Amiga 1000 (Goodman: Visions 1987, S.89). Warhol
zeigte, wie einfach Personal Computer mit einem Graphical User Interface
(GUI) zu bedienen waren (Lambert: Computer 2003, Chap.6: The
Act of Using) und stellte die grafischen Möglichkeiten des Commodore
Amiga 1000 vor. Die Demoscene war nicht auf Programme angewiesen, die
via GUI den Code von Benutzern fernhalten. zurück
61 Botz: Kunst 2011, S.132-153 (mit einer Analyse von Red Sectors Megademo 1989 ab S.145). zurück
62 Botz: Kunst 2011, S.15,220-232,241-249; Reunanen: Computer 2010, S.47f. zurück
63 Wichtige Hersteller von Personal Computern waren in den siebziger und achtziger Jahren: Xerox (Alto, 1972; Star, 1981); MITS (Altair 8800, ab 1974); IMSAI (8080, ab 1975); Apple (Macintosh, ab 1976; Apple II, ab 1977); Commodore (PET, ab 1977; C 64, ab 1982; Amiga, ab 1985); Atari (400/800, ab 1979); IBM (IBM 5150 Personal Computer, ab 1981). Lit.: Augarten: Bit 1984, S.270-281; Friedewald: Computer 2009, S.366-409; Matis: Wundermaschine 2002, S.271-288. zurück
64 ZGRASS: Dietrich: Real Time Animation Techniques 1982; Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.84; Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.33. Datamax UV-1 ist
ein kleiner für ZGRASS konstruierter Computer, der von Bally als
Home Computer vermarktet werden sollte. Datamax UV-1 hätte mit dem
Apple II (s. Anm.63) konkurrieren müssen. Doch Bally stieg 1980 aus
diesem Geschäftsbereich aus. zurück
65 Vasulka, Woody: Bad, 1979 und Artifacts, 1980. In: s. Kap. IV.1.2 mit Anm.45.
Vasulka, Steina: Selected Treecuts, 1980. In: Hatanaka/Koizumi/Sekiguchi: Vasulka 1998, S.19. zurück
66 Veeder, Mary Jane: Montana, 1982. In: Magnenat Thalmann/Thalmann: Computer 1990, S.33f.; Popper: Electra 1983, S.418f.
Außerdem mit ZGRASS:
Cuba, Larry: Calculated Movements, 1985. In: Youngblood: Cuba 1986. Weitere Beispiele: Jankel/Morton: Computer Graphics 1984, S.82 mit Abb.6.6, S.84. zurück
67 Diedrichsen: Kunstvideo 2004, S.73-78: Feinemann: Kunst 2004, S.87f.; Theweleit: Frühgeschichte 2004, S.58-65; Weibel: Musik 1987. zurück
69 Technoimaginäres: Rötzer: Technoimaginäres 1988, S.66ff.; Rötzer: Technoimaginäres 1989, S.55. Diese Vorstellungen vom "Technoimaginären" sind wegen ihrer Bindung an die Computertechnik nicht mit Villem Flussers Auffassung vom Technoimaginären (s. Anm.76) identisch.
Telekommunikation und Zeichendistribution: Virilio: Bild 1989; Weibel: Beschleunigung 1987, S.110ff.,125. zurück
70 Baudrillard: Ecstasy 1983, S.127 ("The subject himself, suddenly transformed, becomes a computer at the wheel, not a drunken demiurge of power."); Rötzer: Technoimaginäres 1989, S.55. zurück
76 Im positiven Sinn ergibt sich mit Villem Flusser durch technischen Fortschritt eine die Möglichkeiten der technischen Bilder auslotende "Technoimagination" (Flusser: Umbruch 1998, S.169,209-222; Krtilova: Bild-Theorie 2010, S.11). Flusser artikulierte diese Möglichkeit experimentellen Mediengebrauchs 1973-74, als die Wechselwirkung zwischen technischem und sozialem Fortschritt neue Perspektiven auf eine bessere Zukunft zu eröffnen schien. zurück
85 Cariani: Emergence 1991; Whitelaw: Metacreation 2004, S.217-221; s. Kap. IV.3.4. zurück
86 z.B. Rötzer: Technoimaginäres 1988, S.66ff.,73f. zurück
87 Schmidgen: Unbewußte 1997, bes. S.76f.,145ff.: "Nach [Gilles] Deleuze und [Félix] Guattari gilt..., daß die Technik-Maschine eine Repräsentation der Wunsch-Maschine ist." (S.77) zurück