IASLonline Lektionen in NetArt
Informationschoreographie:
Maciej Wisniewski
Maciej Wisniewskis Netzprojekte, die in verschiedenen Websites zu finden
sind, irritieren User durch Interfaces, die einen zielorientierten Zugriff
auf Webseiten verhindern und eine Orientierung fördern, die als Schwimmen
in einem Datenstrom beschrieben werden kann: User bewegen sich in und
zwischen auftauchenden, vom Programm selbständig aus Netzresourcen
bezogenen Daten. Aus Browsen zwischen Websites, die analog zu Druckseiten
und Dateien gegliedert sind, wird Floaten. So tritt an die Stelle einer
an Medien und/oder Fachgebieten orientierten Suche entweder Neugier auf
alles Auftauchende oder Ablehnung des Fachgrenzen ignorierenden, potentiell
alle Netzresourcen einbeziehenden Datenstroms.
Maciej Wisniewski wurde in Polen geboren. Er studierte
Skandinavistik in Danzig und Stockholm (M. A. Mai 1984) und arbeitete
von September 1984 bis Mai 1987 im Rahmen eines Dissertationsprogramms
für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaften an der Stockholmer
Universität. Im Mai 1989 beendete er das Studium am Hunter College
in New York als M.F.A. (Master of Fine Arts). Wisniewski besitzt die schwedische
Staatsbürgerschaft und arbeitet als Software-Entwickler bei IBM in
New York.
Mai 1996 realisiert Wisniewski in der New Yorker Postmasters Gallery (Ausst.
"Walk on the Soho Side", Kurator Marc Pottier) die Installation
"Tele-Touch". Eine Jacke ist mit drahtlosen Tasteffektoren (Ausgabemedien
für taktile Reize) ausgestattet. Besucher der Galerie, die die Jacke
tragen, können über Internet berührt werden.
Besucher, die die Jacke anziehen, hinterlassen im Computer Angaben über
Name und Geschlecht und lassen sich fotografieren: Diese Informationen
erhält der Internet-User. Auch Internet-User unterziehen sich einer
"log-in procedure", bevor sie eine von drei Arten der Aktivierung
der Tasteffektoren wählen können: "public, friendly or
intimate." Nach der Anmeldung erscheint eine virtuelle Jacke, deren
Flächen angeklickt werden können: Diese Klicks lösen die
Tasteffektoren der Jacke in der Galerie aus. Nach der Fernaktivierung
der Tasteffektoren sieht der User die "log-in profiles" von
Jacke tragenden Besuchern und kann deren Kommentare über die Wirkung
der aktivierten Tasteffektoren lesen. Reziprok erhält auch der Jacke
tragende Galeriebesucher auf einem Monitor ein Profil des Web-Users und
dessen Kommentar.
Die Dokumentation der Installation, wie sie jetzt im Internet zu finden
ist, besteht aus den Profilen der Jacke tragenden Galeriebesucher und
den Profilen und Kommentaren der Web-User.
Auf der vom Walker Art
Center (Minneapolis/Minnesota) übernommenen äda'web-Site
präsentiert Wisniewski Jackpot
(1997) als "Spielmaschine". Auf dem Monitor erscheinen drei
Spalten mit offenbar willkürlich aufgegriffenen Websites. Jede Spalte
zeigt nur Webseiten, deren URL-Adressen meist einen anderen "top
level domain name" als die anderen Spalten aufweisen, zum Beispiel
organisatorische Domänen wie ".org", ".com" oder
".gov". Wer zufällig zwei URL-Adressen mit gleichem "top
level domain name" öffnet, "can visit a URL of choice":
Eine offensichtlich ironisch gemeinte Belohnung, als ob ein "Jackpot"
gezogen worden wäre.
Diese sehr begrenzte Wahlfreiheit der User ist der Selektionsaktivität
der Software beim Zugriff auf Webpages nachgeordnet. Die überraschend
gewährte Wahlfreiheit ändert an dem angesichts des willkürlichen
Datenflusses unvermeidbaren Eindruck der Beliebigkeit der eigenen
Vorlieben nichts im Gegenteil: Die keine Regel offenbarende Selektionsaktivität
der Software relativiert eigene Präferenzen. Diese Relativierung
provoziert die Frage, ob Mitteilungen unserer Präferenzen mehr als
weitere Daten in einem Meer von Daten sind analog zum Paradox eines
weiteren Steins, der die Identität eines Steinhaufens nicht ändert
(Abaelards Paradox).
"Turnstile
II" (1998) ist das in stadiumweb,
der von Ron Wakkary betreuten Künstlerprojekt-Website des Dia
Center for the Arts (New York City, Soho), integrierte Netzprojekt,
das parallel zur Installation "Turnstile I" (1998) realisiert
wurde. Satzteile aus "html pages, live chat and email archives"
erscheinen in "Turnstile II" in konstantem Fluss:
"Turnstile part II" is an XML (Extensible markup Language)
based server application and java client that display the continuity of
space within the network. An endless realm of <content> is generated
by the live culling of network <objects> from html pages, live chat
and email archives. (M.W., e-Mail, 20.10.2000)
Durch Klick auf eine der Zeilen lässt sich die Webseite öffnen,
der der Text entnommen wurde: Wisniewski ermöglicht es Usern, den Strom
aus Textfragmenten mit den Webseiten zu konfrontieren, denen die Fragmente
entnommen wurden wenn sie aus "html pages" stammen. Bei
wiederholtem Klick auf dieselben Zeilen erscheinen allerdings neue Webseiten.
Bei Zeilen, die nicht aus "html pages" im Web stammen, erscheint
nach Anklicken eine die Quelle substituierende Webseite.
Da die Assoziationen, die die Zeilen auslösen, und die narrativen
Ebenen der durch Klicks abgerufenen Webseiten auch dann kaum miteinander
in Verbindung zu bringen sind, wenn eine Webseite die Quelle einer Zeile
war, entsteht der Eindruck, daß die fortlaufende Zeilenanzeige und
die jeweils aufrufbaren Webseiten zwei unabhängige Internet-Welten
sind, in denen zufällig dieselben Elemente wiederkehren. Durch die
laufende Verschiebung der nach Klicks aufscheinenden Webseiten wird dieser
Eindruck zweier parallel laufender Datenströme, zwischen denen der
User springen kann, verschäft. Allerdings ist nur ein Text produzierender
Datenstrom im Fließprozess verfolgbar, während die anklickbaren
Webseiten wie Momentaufnahmen aus einem zweiten, umfassenderen Datenfluss
erscheinen.
Da der umfassendere Datenfluss zwar den Text produzierenden Datenstrom
speist, letzterer aber abgekoppelt von seiner Datenresource erscheint,
ergibt sich ein Verhältnis der Ebenentrennung und der Ebenenverbindung,
das in "Turnstile" vor allem vom Prozesscharakter der Datenströme
geprägt wird. Die Zeitdimension erschwert die Vorstellung einer hierarchischen
Ebenentrennung: Durch den nach wiederholtem Anklicken von Textzeilen sich
ändernden Zugriff auf Webseiten entsteht der Eindruck sich zueinander
laufend verschiebender Ebenen.
In "Scanlink" (1998) werden User mit der "navigation panel"
konfrontiert, die aus einem vertikalen Block von horizontalen <Schiebern>
"sixty scrollbars" besteht. Nach einer bestimmten
Rechenzeit erscheinen beiderseits dieses Blocks Daten: In der "activity
panel" links erscheinen Titel von Sites, die durch Links mit einer
bestimmten Site in Beziehung stehen, und in der "history panel"
rechts erscheint eine Anzahl von URL-Adressen, die eine Auswahl aus einer
größeren Anzahl gefundener Adressen sind und die ebenfalls
Links auf eine oben angegebene URL-Adresse enthalten. Da die Titel von
Sites auf der linken Seite und die URL-Adressen rechts in direkter Beziehung
zueinander stehen, erscheint beiderseits der "navigation panel"
die gleiche "Number of Sites found": "There is a one-to-one
mapping between the left and the right column." (M. W., e-Mail, 20.10.2000)
Bei einer hohen Anzahl gefundener Sites wird eine geringere "Number
of sites collected" (ca. 28-48) links und rechts präsentiert.
Durch Klick auf die Adressen lassen sich deren Webseiten öffnen.
Die rechte Spalte zeigt die "Number of sites collected" aller
vorangegangener Verschiebungen für die Dauer einer Sitzung, während
links nur die Resultate der letzten Suche erscheinen. Anders als in "Turnstile
II" können User in "Scanlink" die vorangegangenen
Prozesse im Verlauf einer Sitzung überblicken. Außerdem erzeugen
User erst durch Veränderungen der Schieber-Positionen ("navigation
panel") einen Datenstrom. Mit der Veränderung der Schieber-Positionen
ist der Datenstrom auch steuerbar. Allerdings ist die Navigation nur bedingt
möglich: Modifikationen der Schieber-Positionen müssen ausgeführt
werden, ohne die Veränderungen im Datenstrom sogleich in der linken
und/oder rechten Spalte erkennen und gegebenenfalls gegensteuern zu können,
was eine den Datenzugriff präzisierende Navigation ermöglichen
würde. Zwischen Schieberpositionen und Datenströmen läßt
sich keine Rekursion herstellen, die eine fortlaufende Präzisierung
der Navigation auf eine gesuchte oder im Suchprozeß ausgewählte
Webadresse erlauben würde. "Scanlink" kann zwar Anreize
zum Surfen liefern, doch liefert es mit dem Retracing der Links zu einer
Website auch einen Ansatz zum Nachvollzug vergangener, in Webpräsentationen
aufbewahrter Selektionsprozesse, die natürlich durch Klicks auf URL-Adressen
der rechten Spalte als Anfang weiteren Browsens genutzt werden können:
Scanlink is a Web application for browsing the Web backwards.
Scanlink starts with a Web page and traces all the links to that page.
(M.W., e-Mail, 20.10.2000)
Wisniewskis
Netomat ist eine
abladbare Software 1, die in ihrem Zugriff auf Internet-Daten
einem Browser entspricht, in der Art jedoch wie sie diesen ausführt
und präsentiert, gezielten Datenzugriff verweigert. Nach Herstellung
einer Internet-Verbindung und Abruf der abgeladenen Software beginnt Netomat
mit einem aus Beobachterperspektive willkürlichen Datenzugriff. 2
Rechts unten erscheinen Angaben, wie viele Texte ("txt"), Bilder
("img") und Tondokumente ("snd") aktiviert sind. 3
Wisniewski, Maciej: Netomat, 1999, Browser (Foto vom Bildschirm, Oktober 2000).
Bilder und Texte tauchen als gerichteter Datenstrom auf und werden wieder
ausgeblendet. Die Fließrichtung und das Tempo des Bild-Text-Datenstroms
können durch Verschieben des Cursors mit der Maus beeinflusst werden.
So verlaufen die Bewegungsrichtungen des Datenstroms konträr zu Cursorbewegungen.
Der Datenstrom bewegt sich am schnellsten, wenn der Cursor zu den Bildrändern
gelenkt wird. Beruhigen lassen sich der Datenfluss und das Tempo der Ein-
und Ausblendungen durch Cursorverschiebungen zur Mitte des Bildfeldes.
Da sich die Ein- und Ausblendungen auch in der ruhigsten Cursorstellung
nicht abstellen lassen, stehen Beobachtungsoperationen auch im beruhigten
Datenfluss unter Zeitdruck. Ausdruck- oder Speicherfunktionen von Zuständen
gibt es nicht.
Die unterste Zeile ist für Texteingaben vorgesehen. Nach einer Eingabe
und Betätigung der Enter-Taste errechnet Netomat einen neuen Zugang
und nach einer Pause erscheint der neue Datenstrom. Der neue Datenstrom
löst den alten dank einer "Memory"-Funktion nicht vollständig
ab, sondern modifiziert den bisherigen Datenabruf.
Die den Datenstrom präsentierende Bildfläche enthält keine
Klickfunktionen: Es gibt keine Verbindung zu den Websites, aus deren Resourcen
die gezeigten Elemente stammen. Netomat verweigert direkten Datenzugriff
auf Webpages, die er als Quelle verwendet: Netomat kennt keine additiven,
seitenähnlichen Informationsgliederungen. Der Browser verhindert
zielgerichtete Recherche, die innerhalb solcher Gliederungen bestimmte
Gruppen und Untergruppen aufsuchen will.
Dekontextualisierte Textteile, Bilder und Töne werden im Datenfluss
rekontextualisiert. Dieser Datenfluss schafft einen Montageprozess, der
von Filmmontage in folgenden Punkten abweicht: in seiner Aufsplitterung
in simultane Abläufe vor schwarzem Grund und in Überlagerungen
statt >Schnitten<.
Die im Datenfluss aufkommenden Partikel können einen Bewusstseinsstrom
aus Assoziationen zwischen heterogenen Elementen provozieren, deren Zusammenhang
mit ihrem gleichzeitig im Internet existenten Ursprungskontext so gut
wie gekappt ist, weil er ohne Hilfe von Zufallstreffern nicht zu finden
sein dürfte.
Begriffe, die in den vorbeifließenden Textteilen auftauchen, können
zur Modifikation des Datenstroms in der untersten Zeile eingegeben werden.
Zur zielgerichteten Navigation können solche Eingaben aber nicht
führen, da die nicht abschaltbare "Memory"-Funktion zu
nicht kalkulierbaren Durchdringungen zwischen neuen und alten Resourcen
führt. Die Bereitschaft des Users, sich auf Überraschungen einzulassen,
wird getestet.
Wisniewski will "nml (netomatic markup language)"
als "open source software" zur Verfügung stellen, und so
Usern die Möglichkeit bieten, den "sortierenden Algorithmus"
des Netomat selbst zu definieren: "An online guide for writing netomatic
files will be available online soon." 4
Wisniewski hat Netomat als "meta-browser" bezeichnet und Ron
Wakkary beschreibt in seiner Einleitung
den Eindruck, den der Datenfluss hinterlässt, als "the feel
of an anti-browser." Die Begriffe "meta-" und "anti-browser"
auf der Website des Netomat haben in der Rezeption durch die Presse
deutliche Spuren hinterlassen.
So modifiziert der Begriff "le navigateur conceptuel"
5 Wisniewskis Begriff "meta-browser": Der Begriff
<konzeptuell> impliziert nach seinem Gebrauch als Bezeichnung für
Conceptual
Art der sechziger und siebziger Jahre sowohl einen semantischen Anstieg
zur Reflexivität (Reflexion der Reflexion) als auch eine Problematisierung
jeden Anspruchs auf eine finale, nicht durch eine höhere übersteigbare
Reflexionsebene. Der Begriff «le navigateur conceptuel» lässt
offen, ob Netomat als medienreflexiver "meta-browser" verstanden
werden soll, der Aspekte des Datenflusses im Internet aufzeigt, oder eher
als eine Präsentationsform, die die Konstruktion von Metaebenen als
beliebige Brechung in einer nichthierarchischen, also auch nicht zu höheren
Reflexionsstufen führenden Ebenenfolge erkennbar macht. Ist Letzteres
nicht eine Folge einer Präsentation, die die Verbindung zu gliedernden
und sortierenden Verfahren demonstrativ abbricht, und die springend assoziierendes
(Zeitungs-)Sehen-Lesen und Bewusstseinsströme provoziert?
Ein Plädoyer für eine kritische Position zur Finalität
der Brechung in Metaebenen liefert die Informationsarchitektur des Netomat.
Wisniewski erläutert:
Ich produziere <fliegende Kunst> ...
Es handelt sich ... um einen Prozess, nicht um ein Produkt ... Insgesamt
ist das Netz dann eigentlich eher ein Meer an Informationen als ein geordneter
Informationspool. Es ist sehr chaotisch in seiner Definition. 6
Was sichtbar gemacht wird, und wie dies geschieht, läßt
sich dies zeigt Netomat nicht trennen: Sind nicht die Fragen,
wie Netomat auf Daten (>Was<) im Internet zugreift, und wie er eine
Präsentationsform für sie schafft, zwei Seiten einer Medaille?
Die Art des Datenzugriffs führt zu einer Präsentationsform, die
sich als Eintauchen in einen fließenden Strom beschreiben läßt.
Die Präsentationsform beeinflußt die Sicht auf das Vorgestellte
und umgekehrt: Die Untrennbarkeit von Wie und Was ist die konzeptuelle Seite
des Netomat. 7 Demnach sind Eigenschaften des Datenflusses
im Netz und die Art, wie Netomat diese Eigenschaften durch seine Präsentationsweise
sichtbar macht, nicht voneinander trennbar - denn: Wie könnten wir
ohne eine veranschaulichende Präsentation Eigenschaften des Internet
als User-relevant erkennen?
Wisniewski legt in der folgenden Äußerung ein Verständnis
des Internet als unteilbare Einheit nahe, aus dem sich seine Darstellung
des Netomat ergibt: Wisniewski stellt seinen Netomat als Mittel zur Präsentation
von Eigenschaften des Internet vor, die andere Browser nicht erkennen
lassen. Somit weist er Wakkarys Begriff "anti-browser" als eine
zeitbedingte Bezeichnung aus, da sich "anti" auf den Internethorizont
bezieht, den derzeit aktuelle Browser schaffen:
The typical browser is based on the page
metaphor, but thatīs really just a suggestion. Itīs only one way of accessing
and interacting with the network that is the Web ... The Web is not only
a database or a static, flat file-storage system. Itīs one big application.
8
Sieht Wisniewski Browser in der Funktion, Eigenschaften des Internet erkennbar
zu machen, oder besteht das Internet nicht aus einer Einheit aus Programmen,
Rechneraktivitäten und Interfaces für User? Anders ausgedrückt:
Kann das Internet für uns mehr als das sein, was Browser von ihm sichtbar
machen? Wenn Browser eine dienende Funktion erfüllen sollen, die aus
der Oberflächenerzeugung für Funktionen besteht, die auf der Programmebene
vorhanden sind Funktionen stehen sollen, dann müsste es eine programmierte
Funktionalität der Datenflüsse geben, die erst durch Browser eine
pragmatische Komponente der Aktivierbarkeit von Funktionen durch User erhält.
In diesem Fall würden nur Rechner mit Rechnern kommunizieren und wäre
ein Mensch-/Maschine-Interface überflüssig beziehungsweise nur
eine externe und periphere Zusatzfunktion.
Dass Rekursionen zwischen der Programmierung der Rechnervernetzung und
Useraktivitäten auch zu einer Revision der Programmierung führen
können, die Programmierung sich also auch an Möglichkeiten von
Interfaces für menschliche Beobachteroperationen ausrichtet, ist
ein Vorgang, der ausgeschlossen wird, wenn Browser sich nur in dienender
Funktion der Programmierung der Rechnervernetzung unterordnen sollen.
Eine Fragen für die Zukunft, die ein konzeptueller Browser wie Netomat
durch die von ihm aufgezeigten Aspekte des Datenzugriffs stellt, zielt
auf umfangreicher als bisher die Webpage-Programmierung und die Rechnervernetzung
ausforschende Interfaces/Browser und damit auch auf ein durch Browser
erweitertes Netzverständnis, das wiederum neue Anforderungen an die
Programmierung der Websites und der Rechnervernetzung stellen kann.
Netomat verlegt die Kunst vom abladbaren datensortierenden Produkt auf
die Programmebene:
Der Netomat ist nicht mehr Browser-Kunst,
sondern ein Kunst-Browser ... Software kann also Kunst sein, hat sozusagen
ein Kunst-Potential. 9
Dank der Art der Präsentation von Daten durch Netomat
wird das Internet als "one big application" (s. o.), als unteilbarer
Datenfluss, kunstrelevant. Dies geschieht in Form einer die Möglichkeiten
des Internet zugleich aufweisenden und im Aufweis gestaltenden Interface-Kunst.
Das Programmatische des experimentellen Ansatzes und die Alternativen,
die er aufzeigt, bestimmen den Charakter des Netomat als Denkmodell für
Weisen der Beobachtung des Internet. Das Denkmodell ist nicht nur Provokation
zur Reflexion, sondern enthält auch eine Neues antizipierende pragmatische
Komponente: Netomat ist ein Experiment, das Bestandteile enthält,
die auch Komponenten zukünftiger Browser werden können.
Die Geschichte der künstlerischen Avantgarde, die sich vom Wandel
der Kunstformen in Lebensformen zum Wandel der Lebensformen beeinflussenden
Medienformen entwickelte 10, setzt Wisniewski fort,
wenn er Möglichkeiten vorführt, die in alltagstaugliche Browser
erst noch zu integrieren sind.
Dr. Thomas Dreher
Schwanthalerstr. 158
D-80339 München.
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defined in Creative
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given to the author and IASL online.
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Sie uns eine E-Mail.
Übrigens: Drehers Homepage bietet
zahlreiche kunstkritische Texte, u.a. zur Konzeptuellen Kunst und Intermedia
Art.
Fußnoten:
1 Die Netomat-Software muss, um den Internet-Anschluß
aufnehmen zu können, auf dem Laufwerk installiert werden, auf dem
auch die DFÜ-Programme installiert sind (normalerweise Laufwerk C:).
zurück
2 Soundfiles können nur bei schnellen Verbindungen
aufgerufen werden. Die Verbindung zu Soundfiles muß eventuell abgeschaltet
werden, um die Funktionen des Netomat beim Abruf von Text- und Bilddaten
nicht zu behindern. Wenn der Cursor der Zeile am untersten Bildrand steht,
kann auf eine Netomat-Version ohne Soundfiles umgeschaltet werden. zurück
3 Ron Wakkary schreibt in seiner Einleitung zu Netomat:
"netomat (TM) can retrieve almost all types of data that resides
on the Internet, including RealAudio, jpegs, gifs, aiff, wav, html, xml
and plain text." zurück
4 Wisniewski, Maciej: Netomat, FAQ. In: URL: http://www.netomat.net/faq.html
(nicht mehr im Netz, 30.9.2006). Vgl. Wisniewski in: Hadler, Simon: Informations-Choreografie
als Netzkunst. In: ORF On Kultur. URL: http://www.orf.at/orfon/kultur/991217-2586/2588txt_story.html
(nicht mehr im Netz, 30.9.2006). zurück
5 o. A.: Un artiste invente le navigateur conceptuel.
In: DVD & MP 3 Belgium. 1.7. 1999. In: URL: http://www.clicmp3.com/week01_04_07.htm
(nicht mehr im Netz, 30.9.2006); Ploton, Frédéric: Un artiste
invente le navigateur conceptuel. In: ZD Net, 1.7.1999. URL: http://www.zdnet.fr/actu/logi/a0009916.html
(nicht mehr im Netz); Romagnolo, Salvatore: Netomat, il primo browser
concettuale. In: Apogeo online, 20.7.1999. URL: http://www.apogeonline.com/
riflessi/art_138.html zurück
6 Wisniewski in: Hadler, Simon: Informations-Choreografie
als Netzkunst. In: ORF On Kultur. In: s. Anm.4 zurück
7 Ein entscheidender Beitrag von Art & Language zur Geschichte
Konzeptueller Kunst besteht darin, bis 1972 dem Diskurs, in dem die Fragen
des Wie (und Warum) erörtert werden, den Vorrang vor dem Was (im
materiellen Sinn) gegeben zu haben (Burn, Ian: Conceptual Art as Art.
In: Art and Australia. September 1970, S.168), um dann ab 1973 die Wechselseitigkeit
zwischen Wie und Was (im pragmatischen Sinn der Präsentationsform)
zu thematisieren:
Die Wechselseitigkeit aus theoretischem Programm (Frage des Wie und Warum)
und Präsentationsweise (damals vorrangig eine Frage der Materialisierung,
des Was) wird als unhintergehbares Problem erkannt (Dreher, Thomas: Art
& Language: Kontextreflexive Kunst im Kunstkontext. Plurifunktionale und
mehrschichtige Diskursmodelle. In: Institut für soziale Gegenwartsfragen.
Freiburg i. Br./Kunstraum Wien (Hg.): Art & Language & Luhmann. Wien 1997,
S.41-84. Neu in: URL: http://dreher.netzliteratur.net/
3_Konzeptkunst_Art_Lang.html; Ders.: Konzeptuelle Kunst in Amerika
und England zwischen 1963 und 1976. Diss. Ludwig-Maximilians-Universität,
München/Frankfurt am Main 1992, S.309-319).
Wisniewski beschreibt sein Vorgehen im Transmedium Internet als Präsentation
einer "Informations-Choreographie" (in: Hadler, Simon: Informations-Choreografie
als Netzkunst. In: ORF On Kultur. In: s. Anm. 4): Ist dies nicht auch
eine Art, den unteilbaren Zusammenhang von Syntax/Semantik und (Rhetorik
sowie) Pragmatik zu betonen? zurück
8 Wisniewski in: Jana, Reena: Netomat: The Non-Linear
Browser. In: Wired News. 30.6.1999. URL: http://www.wired.com/
news/ culture/ 0,1284,20473,00.html
Mit der Infragestellung des Begriffs "database" als Kriterium
des Internet stellt Wisniewski auch die Schlüsselrolle in Frage,
die Lev Manovich diesem Begriff in "Database as a Symbolic Form"
(1998). URL: http://www.manovich.net/
DOCS/ database.rtf gibt. zurück
9 Wisniewski in: Hadler, Simon: Informations-Choreografie
als Netzkunst. In: ORF On Kultur, s. Anm.4 zurück
10 Vgl. Lev Manovich über "old" und "new
media avantgarde" in: Ders.: Avant-garde as Software (1999). URL:
http://www.manovich.net/
DOCS/ avantgarde_as_software.doc zurück