IASLonline Lektionen in NetArt
Link, Filter und Informationsfreiheit:
ODEM
Dragan Espenschied und Alvar
C. H. Freude thematisieren seit 1999 Link und Filterfunktionen als
zentrale Aspekte des Internet.
Der Assoziations-Blaster (seit 1999)
ist ein äußerst populäres Mitschreibeprojekt, in dessen
deutscher Fassung User bisher 327900 Beiträge und 23682 Stichwörter
hinterließen (Statistik,
27.10.2002; am 5.6.2004: 506884 Texte zu 38794 Stichwörtern; am 9.10.2006:723154
Texte zu 56475 Stichwörtern). Beiträge werden miteinander in
einer labyrinthischen, Assoziationen provozierenden Weise verlinkt. Ein
Filter hilft, die Bewertungen von Usern als Auswahlkriterium einzusetzen.
Weitere Projekte sind heute in die Plattform ODEM
integriert, die Espenschied, Freude, Andreas Milles und Jörg-Olaf
Schäfers betreuen. Die derzeitigen Aktionsbereiche von "ODEM"
sind: der Einsatz für Link-Freiheit und die Verhinderung von Verfügungen,
die den Einsatz von Filterfunktionen anordnen.
"Odem" begegnet der Forderung von staatlichen Stellen, Verbindungen
zu illegalen Inhalten durch Filterfunktionen zuvor zu kommen, die den
Empfang dieser Inhalte verhindern. Die Initiativen von "ODEM"
versuchen, den Umbau der deterritorialen Netzarchitektur durch Reterritorialisierung
via lokaler Sperrungen zu verhindern.
Korporationen fordern zur Durchsetzung ihrer Verwertungsmechanismen von
Copyrightansprüchen dieselben oder ähnliche Reterritorialisierungsmaßnahmen,
wie sie staatliche Institutionen in Deutschland fordern. Ansprüche
der Inhaber von Urheberrechten und Bestrebungen, die Verbreitung von unerlaubten
Inhalten zu unterbinden, führen in Deutschland zu Restriktionen,
die die Informationsfreiheit einschränken, die Artikel
5 des Grundgesetzes garantiert.
Zwischen der Verwendung eines Filters im "Assoziations-Blaster"
als von Usern einstellbares Spielkriterium in einem kollaborativen Netzwerk
und ODEMs Intitiativen gegen den verordneten Einsatz von Filterfunktionen,
zwischen dem spielerischen Ausloten von Medienmöglichkeiten und dem
politischen Einsatz für den Erhalt dieser Möglichkeiten, liegt
eine für den heutigen Stand der Netzkunst beispielhafte Entwicklung:
Die Thematisierung des Mediengebrauchs wird mindestens so wichtig wie
die Auslotung der Medienmöglichkeiten.
Der "Assoziations-Blaster" von Espenschied und Freude (seit
1999) ist ein Mitschreibeprojekt ohne jede thematische Vorgabe und Einschränkung.
Der Blaster ermöglicht es Partizipanten nach drei Beiträgen in Schreibfenster,
neue Stichwörter hinzu zu fügen. Die Schreibfenster erscheinen unter
den vorhandenen Beiträgen.
Espenschied, Dragen/Freude, Alvar: Der Assoziations-Blaster, Erster Eintrag: Wurzelgnom, Januar 1999, Webprojekt.
Links werden automatisch in alle Beiträge so eingefügt, dass Worte
der Texte mit gleichlautenden Stichwörtern (Überschriften bzw.
Topics/Etiketten von Beiträgen) verknüpft werden: Wer einen
mit Link versehenen Begriff in einem der Beiträge anklickt, dem wird nach
einer Zufallsauswahl einer der Beiträge zugespielt, die den angeklickten
Begriff als Etikett enthalten.
Da es keinen Stichwortindex gibt, findet der User auf der Homepage
Stichwort-Vorschläge für den Einstieg. Nach dem Einstieg führen
sowohl die Links in den Einträgen weiter als auch die "Flucht-Links".
"Flucht-Links" helfen besonders bei kurzen Einträgen ohne
Links oder mit wenigen, nicht unbedingt anregenden Links weiter.
User bewegen sich entweder durch ein Textlabyrinth oder sie suchen mittels
Stichworteingabe. Mit Roland Illigs Blaster-Browser konnten Einträge
mit identischem Stichwort nacheinander abgerufen werden.
Der "Connectionmaker" lässt sich auch mittels Web-Blaster
auf jede beliebige URL-Adresse anwenden. Über die Links unter Blaster-externe
Texte können User wieder Wege zurück zum Blaster-Archiv finden:
Der externe Text wird mittels "Web-Blaster" zum "Portal".
Die Automatisierung der Links im "Assoziations-Blaster",
die bei jeder Erweiterung des Stichwortarchivs die Links in allen Beiträgen
verändert, führt zur Desemantisierung der Verknüpfungen. Mittels dieser
Desemantisierung und mittels Zufallsselektion der Beiträge verhindert
der "Assoziations-Blaster" nach Christiane Heibach "jegliche
`Sinnkonstruktion´". 1 Entsemantisiert ist die Verknüpfungsfunktion,
nicht aber der durch sie ermöglichte Gebrauch des Verknüpften.
Also entstehen zwischen vorher und nachher gelesenen Beiträgen Beziehungen:
Jeder Link verbindet Wörter mit unterschiedlichen semantischen Feldern:
Anapher
und Katapher.
Usern können Kombinationen (von Teilen) der Bedeutungsfelder neue
Einsichten eröffnen. Diese Einsichten können User wiederum in
neuen Beiträgen ausdrücken. Also gibt es doch "Sinnkonstruktionen",
die auch ihren Niederschlag im "Assoziations-Blaster" finden.
Es handelt sich eher um eine Pluralisierung und Fortschreibemöglichkeit
von "Sinnkonstruktionen" als um eine Verhinderung.
Außerdem sind Beiträge bewertbar. Wenn User einige Beiträge
geschrieben haben, erhalten sie Bewertungspunkte, die sie an Beiträge
als Plus- oder Minus-Punkte vergeben können. Die Kriterien, nach
denen User Punkte erhalten, sind nach Freude vielfältig. Die Länge
der eingegebenen Beiträge und die dafür erhaltenen Bewertungen
spielen eine Rolle: "Im Prinzip kriegt man für längere
Texte mehr Punkte, bis zu ca. 30 auf einmal." (Freude, e-mail, 29.10.2002)
Die Summe der Bewertungen zeigt der Blaster bei jedem Beitrag an. Ein
Filter ermöglicht Usern seit Frühjahr 2000 eine Vorauswahl:
User können Wertungen einstellen,
ab denen Eintragungen ausgeblendet werden.
Active
Link und Insert Coin
Active
Link heißt sowohl eine Website als auch Deutschlands erste Online-Demonstration.
2 Am 29.6.2000, zwischen 21.25 und 22.00 Uhr, realisierten
150 Teilnehmer ein virtuelles Sit In. Sie starteten mit Freudes Demonstrations-Software
Zugriffe auf die Website des Bundesministeriums der Justiz. Bei der geringen
Anzahl der Teilnehmer wurde der Webserver nur `entschleunigt´. Blockiert
werden kann die mit Zugriffen beschickte Website mit Freudes Programm
erst, wenn die Anzahl der Teilnehmer "in die Tausende" geht.
3
Die Online-Demonstration machte auf das ungelöste Problem der rechtlichen
Verantwortung der Link-Setzenden für die Inhalte der direkt oder
indirekt (über weitere Links) verknüpften Seiten aufmerksam
und plädierte für freie Link-Verwendung.
Für die Notwendigkeit nicht restriktiver Verknüpfungsmöglichkeiten
plädierte bereits Tim Berners-Lee. Er unterscheidet zwischen Inhalten
anderer Sites, die mittels Frames integriert wurden, und verlinkten Inhalten.
Letztere sollen so frei sein wie Literaturhinweise. 4
Besonders akut wird das Problem der Links durch Anbieter von Diensten
und Waren, die nur Links auf ihre Homepage zulassen und Deep
Links auf einzelne Seiten ihrer Websites verbieten wollen. Der Grund,
weshalb sie vorhandene Rechtsmittel zur Steuerung der Links ausnutzen,
und damit die Netzarchitektur gefährden, die alles mit allem verknüpfbar
macht, liegt in den Werbeframes, die beim Quereinstieg in Seiten einer
Site ausgeblendet sind. Teilnehmer konnten den Demonstrator
abladen und durch ihre Anmeldung bei einem Demo-Portal aktivieren. Freude
hat eine gutmütige Alternative zu DDoS
(Distributed Denial-of-Service) Angriffen geschaffen. Freudes Demonstrator
hat die Programmierung der besetzten Seite nicht modifiziert. Außerdem
waren der Zeitpunkt der Aktion und die Namen der Teilnehmer bekannt. Außerhalb
der Demonstrationszeit ist das Programm nicht aktivierbar. Um Missbrauch
auszuschließen, hat Freude den Quellcode nicht veröffentlicht.
Aus dem selben Grund stellt er den "Demonstrator" derzeit auch
nicht im Netz zum Abspeichern zur Verfügung.
In die Unterschriftenliste
für eine Rechtsprechung, die Linkfreiheit sichert, konnten sich User
wegen der unverminderten Aktualität des Problems eintragen.
Espenschied und Freude realisierten Insert
Coin (ab 6.10.2000) an der Stuttgarter Merz Akademie als Abschlussarbeit
bei Prof. Olia Lialina. Die
Arbeit untersuchte die Manipulierbarkeit des Datenstroms im Internet und
die Medienkompetenz der Studenten.
Zwischen Rechner mit Firewall und Arbeitsplatz-Rechnern schalteten Espenschied
und Freude einen Server (sogenannter Studenten-Server),
der die Kontrolle des Datenflusses der Akademie erlaubte. Sie manipulierten
unerkannt die Datenfernübertragungseinstellungen von Arbeitsplatz-Rechnern:
Die Internetverbindungen wurden über einen Proxy geleitet, der in
dem als neuer Netzknoten eingerichteten Studenten-Server installiert war.
Der mittels Proxy installierte Filter diente zur Vertauschung von URL-Adressen
(z. B. Spiegel gegen Focus, und umgekehrt) und zur Veränderung von
Texten (Austausch
von "Schröder" gegen "Stoiber", "Violence"
gegen "Love" usw., und umgekehrt).
Espenschied und Freude integrierten in die häufig von Studenten
benutzten Suchsysteme ein Meldeformular. Das Formular erschien auf jeder
gesuchten Seite und forderte dazu auf, den Charakter der Seite als "pornografisch,
rassistisch..." zu indizieren: User konnten ihre Klassifikationen
den Betreibern der Suchsysteme melden. Auch Veränderungen der Maildienste
wurden vorgenommen. Die Website zu "Insert Coin" stellt auf
der Seite Manipulationen
und Reaktionen diese und weitere Eingriffe vor.
Nach einem Ausfall des Studenten-Servers entdeckten die Netzwerktechniker
am 6.12.2000 die Manipulation, als sie feststellten, dass an allen mit
diesem Server verbundenen Arbeitsplatz-Rechnern "keine Web-Zugriffe
mehr möglich waren". Im Laufe des Ausfalltages wurde die Internetunterbrechung
beseitigt. Deshalb informierte Lialina die Technische Assistenz und die
Verwaltung über die Aktion ihrer Studenten.
Der Leiter der Medienwerkstatt behauptete, der Proxy hätte es ermöglicht,
alle Daten mitzuprotokollieren. Espenschied und Freudes Bekanntgabe
des Projektes enthielt eine Gegendarstellung und einen Link zu einer
Deaktivierungs-Anweisung für die Einstellungen an den Arbeitsplatz-Rechnern,
die zum Proxy führten. Die Filter-Funktionen waren trotzdem noch
Februar/März 2001 auf vielen Arbeitsplatz-Rechnern intakt, bis eine
Netzwerkumstellung erfolgte und alle Rechner neu konfiguriert wurden.
Einerseits war die Aktion von Espenschied und Freude eine praktische
Übertretung, die zeigt, dass User sich mit medienspezifischen Funktionen
auseinander setzen müssen, weil anders keine Gewißheit über
die Art des Datenempfangs zu gewinnen ist.
Andererseits weisen die Koinitiatoren ihre Aktion als Modell-Vorführung
aus, die zeigt, was nicht Netzalltag werden soll: Ihre Auswertung (Die
Standardisierung der Zensur, Kontrolle
über das Kopieren) steckt Möglichkeiten ab, in die Datenströme
durch Filter und andere Maßnahmen regulierend einzugreifen, und
vergleicht dies mit zeitgenössischen Versuchen von staatlicher und
privater Seite, die Datenströme zu regulieren.
Jede Seite der Site "Insert Coin" kann von Usern kommentiert
werden. Einige Kommentare thematisieren das Problem, warum Espenschied
und Freude ausführten, was andere nicht tun sollen. Ein User-Kommentar
beklagt, die verdeckte Manipulation des Informationszugangs sei rechtswidrig,
was in einem weiteren Kommentar
bestritten wird.
Anfang Februar 2002 verschickte die Bezirksregierung Düsseldorf,
der die Medienaufsichtsstelle Nordrhein-Westfalen unterstellt ist, eine
Sperrungsverfügung
gegen 76 Provider des Bundeslandes. Die Provider sollten Zugänge
zu zwei Websites neofaschistischen Inhalts sperren: die Websites stormfront.org
und nazi-lauck-nsdapao.com. Die amerikanischen Content Provider dieser
Websites haben auf Aufforderungen der Medienaufsichtsstelle, die Sites
zu entfernen, nicht reagiert.
Die Medienaufsichtsstelle stützt ihre Verfügung auf den von
den Bundesländern 1997 verabschiedeten Mediendienstestaatsvertrag
(MDStV). In diesem
Vertrag sind in §8 die unzulässigen Angebote aufgeführt,
darunter "Haß gegen Teile der Bevölkerung", Verherrlichung
von Gewalt und Krieg, Pornographie und Verletzung der Menschenwürde.
Mediendienste (wie zum Beispiel Videotext) liefern
laufend aktualisierte Meldungen, während die Verfügung anordnet,
Sites zu sperren, die in der Art der Information und der Darstellung als
normale Websites anzusehen sind. Über die Zuständigkeit des
Mediendienstestaatsvertrags weichen die Ansichten zwischen der Bezirksregierung
und einigen Juristen ab: Thomas Hoeren und Dirk Schumacher halten das
Teledienstegesetz (TDG)
für anwendbar, nicht aber den MDStV. 5 Die Einordnung
der Dienste der Access Provider wie der zu sperrenden Sites als Mediendienste
ist in diesem Musterstreit, der von der Bezirksregierung stellvertretend
für alle Bundesländer durchgeführt wird, höchst fragwürdig.
Der MDStV befreit in §5
(3) Provider von der Verantwortung für die Inhalte, für die
sie "Zugang zur Nutzung vermitteln". Die Provider in ihrer Funktion
als Zugangsanbieter (Access Provider) können allerdings nach §18
(3) zu Sperrungen aufgefordert werden, wenn es keine anderen Möglichkeiten
gibt, "fremde Inhalte" zu verbieten. Eine Sperrungsverfügung
gegen Access Provider ist möglich, wenn der Anbieter unter Wahrung
des Fernmeldegeheimnisses gemäß §85 des Telekommunikationsgesetzes
[TKG]
von den Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch möglich
und zumutbar ist." Dieser Paragraph enthält die Crux der Düsseldorfer
Begründung der Sperrungsverfügung: Von seiner Auslegung und
Anwendbarkeit hängt ihre Gültigkeit ab.
Seit Mitte Juni 2001 plant die Bezirksregierung Düsseldorf
Sperrungen. Am 8.10.2001 sind 56 Provider in Nordrhein-Westfalen Aufforderungen
zugeschickt worden, vier amerikanische Seiten zu blockieren. 6
Die neofaschistische Seite front14.org befand sich nicht mehr im Netz
und die Kritik an der Absicht, rotten.com
zu sperren, hatte offenbar zur Folge, dass diese Website von der Sperrung
bisher verschont blieb. Zu rotten.com gehören eine Reihe (mit Links
angeschlossener) weiterer Websites und es hätte bei jeder Seite dieser
Sites geklärt werden müssen, ob sie illegale Inhalte vorstellt
oder ob es sich nicht vielmehr um Bilder und Kommentare handelt, über
deren Aussagen sich zwar streiten lässt, die aber nicht unzulässig
sind. In MDStV §18 (2) heißt es: "Die Untersagung ist,
soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann, auf bestimmte Arten und
Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken." Es können
also nicht einfach ganze Websites geschlossen werden, wenn einzelne Seiten
als unzulässig klassifizierbar sind. Noch weniger können Gruppen
von Websites (siehe rotten.com) verboten werden.
Jürgen Büssow, Präsident der Bezirksregierung Düsseldorf,
erliess die Sperrungsverfügung im Februar 2002, obwohl die betroffenen
Provider und ihre Vereinigung eco (Electronic
Commerce Forum - Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V.) die Nichtausführbarkeit
der Sperrung in vorausgegangenen Treffen (November-Dezember
2001) darlegten.
Die Sperrungsverfügung gegen zwei Websites hat zur Folge, dass geprüft
werden muss, ob die Sites komplett gesperrt werden dürfen. Die Sperrungsverfügung
hebt zwar einige Seiten als auffallend hervor, dehnt dann aber die Sperrung
auf alle Seiten der beiden Sites aus: Die Verfügung begründet
die Sperrung ganzer Sites unzureichend. Ist die Sperrung der kompletten
Sites nicht möglich, hat dies Folgen für die technischen Möglichkeiten,
die als Sperrmaßnahmen in Betracht kommen (s. u.), und für
die Einschätzung der Zumutbarkeit.
Die Sperrungsverfügung liess
den Providern die Wahl zwischen drei technischen Möglichkeiten (Einsatz
von Proxy Servern, Blockade von IP-Adressen und Änderung der Einträge
in den DNS-Servern), ohne die Legalität dieser Möglichkeiten
zu klären 7. Seit dem Scheitern eines Filterpilotprojektes
(von Bocatel) bevorzugt die Bezirksregierung, so zum Beispiel in ihrem
Widerspruchsbescheid
gegen Sperrverfügung (22.7.2002) 8, eine Modifikation
im DNS-Server: Der User
erhält statt der IP-Adresse, zu der ihn der DNS-Server seines Providers
führen sollte, eine andere Adresse.
Diese DNS-Modifikation lenkt nicht nur einzelne Seiten um, sondern ganze
Sites und verhindert die mit ihnen verbundenen e-Mail-Dienste: Die Provider
haben also mit Klagen wegen rechtlich nicht abgedeckter Zugangsverhinderungen
zu rechnen, wenn sie der Sperrungsverfügung folgen.
Außerdem sind Anleitungen
für Umgehungen der DNS-Modifikationen im Netz verfügbar. 9
User von Providern in Nordrhein-Westfalen können zusätzlich
auch Provider außerhalb Nordrhein-Westfalens, die Zugangsdienste
auf Abruf anbieten, in Anspruch nehmen. Dies stellt den Charakter der
Maßnahme als Sperrung und ihre Angemessenheit in Frage: Nur "Fritzchen
Doof" kann die DNS-Modifikation nicht umgehen. 10
Doch auch ein unbedarfter User könnte die Maßnahme umgehen,
wenn er die IP-Adresse erfährt, oder noch einfacher
wenn ihm ein Link mit dieser Adresse angeboten wird.
Nachdem die Bezirksregierung Widersprüche von
38 Access Providern gegen die Sperrungsverfügung abgelehnt hat (Widerspruchsbescheid
gegen Sperrverfügung, s. o.), empfahl eco ihren Mitgliedern, Klagen
bei den zuständigen Verwaltungsgerichten einzureichen. Den 17 laufenden
Verfahren begegnete Büssow am 6. September 2002 mit einer Anordnung
des sofortigen Vollzugs, da sonst die klagenden Provider von dem Verfahren
profitieren würden, wenn sie neue Kunden im rechtsextremen Umfeld
finden. Büssow unterstellte hier nicht zum ersten Mal, dass die Gegner
seiner Sperrungsverfügung rechtsextremen Kreisen nahe stehen. 11
Elf
der klagenden Provider haben gegen die Anordnung zur sofortigen Vollstreckung
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Die 11. Kammer
des Verwaltungsgerichts Minden hat am 31. Oktober 2002 den Provider Mediaways/Telefonica
von der sofortigen Vollstreckung befreit, da der wirtschaftliche Nachteil
(!) durch die Sperrung höher zu bewerten sei als die Frage des Zugangs
zu Inhalten, die über Provider außerhalb von Nordrhein-Westfalen
zugänglich bleiben. 12 Die Bezirksregierung hat
Anfang April 2003 einen Aufhebungsbescheid für die Sperrverfügungen
an Mediaways/Telefonica geschickt, ohne ihn zu begründen. 13
Inzwischen haben Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen fünf
Anträge von Access-Providern für die aufschiebende Wirkung der
Sperrungsverfügung abgelehnt. 14 Bei Mediaways/Telefonica
lassen sich Netzwerk- und Access-Providing nicht trennen, weshalb die
Sperrungsverfügung vom Verwaltungsgericht Minden als für den
Großteil der Geschäftstätigkeit unverhältnismäßig
eingestuft wurde. Das Netz von Mediaways/Telefonica verfügt "über
viele hundert Domain-Name-Server und Router-Rechner..., deren technische
Anpassung einen weit höheren Aufwand bedeutet hätte, als die
Bezirksregierung zunächst wahrhaben wollte. Es kommt also auch auf
die individuellen Gegebenheiten an. Von diesen Konsequenzen wird die gesamte
Internetwirtschaft profitieren können." 15
Den gegen die Sperrungsverfügung klagenden Providern
standen in Nordrhein-Westfalen Provider und Universitäten gegenüber,
die sich schon an Büssows erste Forderungen anpassten und Zugänge
zu rotten.com und front14.org sperrten. User wurden von front14.org
(zu einem Zeitpunkt, als es diese Site nicht mehr gab) zu einer Adresse
mit Werbung für http-Server
umgelenkt. Diese Seite war mit der Überschrift versehen: "This
page is a place holder for the home page of your own web site." (18.11.2002,
am 4.6.2004 erschien stattdessen www.searching.net)
Die URL-Adresse der ehemaligen rechtsextremen Website wurde Usern bereits
als neue Adresse für eine Website angeboten, während noch Sperrmaßnahmen
bestanden. Wie hätte der neue Eigner einer Website mit der angebotenen
URL-Adresse erfahren können, dass einige Server den Zugang zu seiner
Adresse wegen Vorbelastung sperren?
Außerdem können Ausfälle von Rechnern, die die DNS-Modifikationen
bearbeiten, Zugänge zu nicht gesperrten Seiten blockieren. Maximilian
Dornseif überprüfte die Sperrungen der dazu verpflichteten Provider
und stellte fest, dass sowohl zu viel als auch zu leicht umgehbar (weil
der Zugang durch Weglassen des "www" in der URL-Adresse möglich
war) blockiert wurde. Die US-Provider der zu sperrenden Seiten änderten
ihre Konfiguration ständig. Deshalb schlugen Versuche zweier Provider
fehl, den von der Sperrungsverfügung nicht betroffenen e-Mail-Verkehr
aufrecht zu erhalten. 25 weitere von Dornseif untersuchte Provider ersparten
sich diese Mühe. Die Aktualisierung einer exakten Blockierung erfordert
nach Dornseif "Detektivarbeit". Er bezeichnet die von der Bezirksregierung
getroffene Einschätzung der Zumutbarkeit der Sperrung (auf der die
Argumentation der Sperrverfügung aufbaut) als "Ermessensfehlerhaftigkeit".
16
Das Internet entstand für den schnellen Austausch und die Verknüpfung
von Forschungsdaten. Sperrungen lassen es zu einem Datendickicht mit unübersichtlichem
und unsicherem Datenzugang verkommen.
Dass Büssows Sperrungsverfügung den zu sperrenden Sites Popularität
verschafft und seine Verfügung im politischen Sinne kontraproduktiv
ist, zählt wegen des Musterprozess-Charakters offensichtlich nicht.
Außerdem wurde in Folge des von Büssow angestrengten Verfahrens
in Artikeln erläutert, welche Sperrungsmaßnahmen bestenfalls
möglich und wo die Anleitungen zu ihrer Umgehung zu finden sind:
Rechtsextreme wissen deshalb heute besser als vorher, dass Sperrung in
der technischen Umsetzung nur eine Zugangserschwerung ist. Für Sites,
die dieselben Inhalte in neuen URL-Adressen verbreiten, müssen wieder
neue Sperrungsverfügungen ausgestellt werden.
Die von Freude, Espenschied und Milles gegründete Plattform ODEM
(= Online-Demonstration), der Chaos Computer
Club und eco gingen auf verschiedenen Ebenen gegen die Sperrungsverfügungen
vor. "ODEM" tat dies wie folgt:
- Mit dem Projekt FreedomFone
(früher: TeleTrust) reagierte ODEM Ende 2001 auf die Pläne der
Düsseldorfer Bezirksregierung. "FreedomFone" setzt die
vom Fernmeldegeheimnis (TKG §85) garantierte Informationsfreiheit
im Sprachtelefondienst ein, um die rechtliche Problematik von Sperrungen
im Internet vorzuführen. Ein Telefondienst bietet für 1,24
Euro pro Minute Lesungen von Internetseiten als "ungefilterten
Zugriff" an doch wie lassen sich multimediale Seiten und
Links lesen? "FreedomFone" nahm als Satire bereits vorweg,
wohin die Pläne der Bezirksregierung führten: "Das ist
erst der Anfang der Markt an gefilterter Information wird täglich
größer..." 17
- Alvar Freude erstattete gegen Mitglieder der Bezirksregierung sowie
gegen Internet-Provider, Forschungseinrichtungen und Hochschulen am
21.1.2002 Strafanzeige
wegen Verstössen gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, Verdacht auf
Anstiftung zur Datenunterdrückung und der Planung von Datenmanipulation
(Freude erwähnte folgende Gesetze: StGB
§26,206,240 Absatz 4, 303a und b). Die zuständigen Staatsanwaltsbehörden
nahmen Ermittlungen auf. In Dortmund,
Düsseldorf,
Köln
und Siegen
wurden sie zwischen Januar und März 2002 wieder eingestellt. Die
Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hatte die meisten Provider zu überprüfen.
Sie verzichtete aber darauf, zu untersuchen, dass die Firma Isis Zugriffe
auf die vier zuerst zur Sperrung vorgesehenen Domains der Bezirksregierung
weiterleitete, die damit dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegende
Benutzerdaten bekam. Dass die Firma Ahrens eine Umleitung von e-Mails,
die an die gesperrten Domains gerichtet sind, an einen eigenen Server
installiert hat und sich damit unbefugt Userdaten verschaffte, wurde
auch nicht untersucht. Offenbar scheiterte Freudes Strafanzeige daran,
dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf einige Verstöße
gegen §206 StGB (Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses)
nicht untersuchte. Die Staatsanwaltschaft Köln hat ein eigenes
Rechtsverständnis, denn sie schließt e-Mails grundsätzlich
vom Post- und Fernmeldegeheimnis aus.
- Die am 26.2.2002 gestartete Unterschriftenliste
wies am 16.10.2002 bereits 14.025 Unterzeichner auf (am 4.6.2004: 19.940
Unterzeichner). Die Liste ist die erfolgreichste aller "ODEM"-Aktionen.
- Freude stellte am 28.5.2002 Antrag auf Einsicht
in die Dokumente zur Sperrung von Internetseiten. Der Antrag hätte nach
dem Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Monats beantwortet sein müssen.
Die ablehnende Antwort
der Bezirksregierung Düsseldorf erfolgte erst nach Ablauf der Frist
am 2.7.2002, als Reaktion auf ODEMs Nachfrage. "ODEM" widerlegte
die Gründe der Ablehnung, die bereits bekannten Tatsachen in vielen
Fällen widersprachen. Für den Vorgang erhielt die Bezirksregierung
von der Landesbeauftragten für Datenschutz eine Rüge. Einen
Teil der Dokumente hat die Bezirksregierung schließlich doch zur
Einsicht vorgelegt. Auf erneute Aufforderungen der Landesbeauftragten
folgte am 6.11.2002 die Freigabe weiterer, aber noch immer nicht aller
Dokumente. Einer Aufforderung vom 24.3.2003, eine öffentlich verwendete
PowerPoint-Präsentation herauszugeben, kam die Bezirksregierung
ebenfalls nicht nach, obwohl die Landesbeauftragte für Datenschutz
am 27.3. und 23.5.2003 erneut intervenierte. 18
Eine Real Life Demonstration mit dem Motto "Wegfiltern
Wegschauen" wurde vom Chaos
Computer Club am 6. April 2002 in der Düsseldorfer Innenstadt
organisiert. Büssow, Regierungsvizepräsident Hans-Jürgen
Riesenbeck und Mitarbeiter warteten vor der Bezirksregierung auf den Demonstrationszug.
Büssow und Riesenbeck betonten in den Gesprächen mit Demonstranten
den Modellcharakter der Sperrungsverfügung, die "gegen alle
illegalen Inhalte" erweitert werden soll. Sie erwarteten, dass schließlich
ein Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Verfügungen
entscheidet, da - so Riesenbeck - "die rechtliche Grundlage...auf
einem schmalen Grat" fußt. 19 Zahlreiche
Aussagen Büssows dokumentieren während der Demonstration gedrehte
Szenen im Video "Gegen alle illegalen Inhalte" von Till Steinmetz
und Ruben Malchow (Studiengang Audiovisuelle
Medien, Kunsthochschule für Medien Köln).
Espenschied, Freude und Andreas Milles stellen eine Software namens OmniCleaner
(2002) vor, die Funktionen
wie Sperrungen, Umleitungen, Schwärzungen, Einblendungen von Gegendarstellungen
und unbegrenzte Protokollierung bieten soll.
Die Site für "OmniCleaner" enthält auch ein Formular
mit einer Petition für "Informationssicherheit". Die Petition
fordert Bundes- und Landtags-Abgeordnete auf, Initiativen zur Sperrung
illegaler Inhalte zu unterstützen, illegale Inhalte zu sperren, und
"OmniCleaner" "an den Brückenstellen zum ausländischen
Internet" installieren zu lassen: "Verabschieden Sie ein Gesetz
dass den Einsatz des OmniCleaners an allen erforderlichen Stellen vorschreibt."
Das Formular verlangt erstens keine Eingaben über die Partei,
deren Bundes- und Landtagsabgeordnete informiert werden sollen, sondern
behauptet, "zuständige Politiker" "automatisch"
anzuschreiben, zweitens bedankt sich das System immer für
abgesandte Petitionen, auch wenn alle Eingabefelder unausgefüllt
blieben, und drittens gibt es keine Angaben über Anzahl und
Namen der Unterzeichner abgesandter Petitionen. Während die oben
vorgestellte Website "ODEM" zu Engagement für Informationsfreiheit
auffordert und gegen Sperrungsversuche unter anderem in Form einer ausführlich
dokumentierten Unterschriftenliste
agiert, wird "OmniCleaner" pseudinformativ und plakativ vereinfachend
präsentiert. Offenbar fangen die drei "ODEM"-Aktivisten
User ab, die bereit sind, sich für (eine Fiktion von) "Informationssicherheit"
auf Kosten von (konkreter) "Informationsfreiheit" zu engagieren.
Espenschied, Freude und Milles verzichten auf karikierende
oder groteske Stilelemente, was schon einige User in die Irre führte.
20 Wer über die Site The
Kingdom of Piracy zu dem dort angekündigten OmniCleaner
gelangt, der müsste stutzig werden, zum Beispiel nachdem er sich
mit dem Beitrag The
File That Wouldn´t Leave von www.0100101110101101.org
auseinandergesetzt hat. Dieser Beitrag stellt einen Fall der Providerzensur
vor. PSINet
drohte mit Verweis auf seine
Abuse Policy, die Verbindungen von 0100101110101101. org zu kappen,
da die Datei mit Luther Blissetts
Text Lasciate
che i bimbi (s. u.) von einem User als "illegal and defamatory
and relating to pedophilia" eingestuft wurde. Das Archiv von Luther
Blissett (Texte von 1994-2000), das den indizierten Text enthielt,
wird von 0100101110101101.
org betreut.
Die Aufforderung des Providers berücksichtigte nicht, dass der Inhalt
der indizierten Datei nicht pädophil ist, sondern einen Gerichtsfall
behandelt, in dem der Vorwurf der Pädophilie ein Anlass war, um einen
Schauprozess gegen Satanismus durch zu führen. Als die Datei über
den kanadischen Provider STYX.ORG verbreitet wurde (November 2002), scheiterten
Denunziationen am Administrator, da dieser sich weigerte, auf nicht nachvollziehbare
Vorwürfe zu reagieren. Der Administrator forderte einen "appropriate
action" einklagenden User auf, der sich lediglich mit "Slobodan"
auswies, sich zu identifizieren.
Vorgestellt und kommentiert wird in der indizierten Datei ein italienisches
Gerichtsverfahren gegen zwei Anhänger der Sektes "Bambini di
Satana". Luther Blissett hat den Prozess
1996-97 kritisch begleitet und die Angeklagten (Marco Dimitri, der Anführer
der Sekte, und zwei Mitglieder) als unschuldig vorgestellt. Die damalige
Bologneser Staatsanwältin Lucia Musti, die mit katholischen
Bewegungen gegen Satanskulte und andere nichtchristlichen religiösen
Tendenzen in Verbindung stand, verlor den Prozess.
Musti leitete gerichtliche Schritte gegen das Buch "Lasciate che
i bimbi. <Pedofilia">: un pretesto per la caccia alle streghe"
(Castelvecchi Edizioni, Oktober 1997) ein. Sie erreichte, dass das Buch
aus dem Verkehr gezogen werden musste (Dezember 2001). Wenn die beanstandeten
ersten beiden Seiten entfernt werden, kann es wieder verbreitet werden.
Die Musti zugestandenen Geldforderungen kann der Verlag nach seinem Konkurs
nicht erfüllen. Ihrer Forderung, das Buch (mit Anticopyright) nicht
mehr zum kostenfreien Abladen auf der Website LutherBlissett.net und bei
den Providern "2008 Communications" sowie "Cybercore"
anzubieten, begegnete Luther Blissett mit der Aufforderung zu Spiegelseiten
(Kopien der Download-Offerten). Die Spiegelseiten liefern linke Gegenbeispiele
zur rechtsextremen Praxis (Garry Lauck hat seine Website am 12.2.2002
unter nordrhein-westfalen.biz gespiegelt), die in Deutschland verhindert
werden soll. Eine Animation
von "needle´s eye" stellt in "The File That Wouldn´t
Leave" die beiden Prozesse und ihren Ausgang vor.
Die via Internet herstellbare Öffentlichkeit korrigiert für
den in Italien verbotenen Text eine fragwürdige Rechtsprechung, in
der eine Richterin die Verbreitung eines Buches wegen Rufschädigung
verbieten lassen kann, dass ihre diffamierende und gescheiterte Anklage
kritisch vorstellt. Wie, wenn nicht durch Einsicht in das verbotene Buch,
lässt sich feststellen, ob hier die italienische Judikative nicht
einseitig eine Richterin vor den Folgen von Kritik geschützt hat,
während die von ihr Angeklagten im Satansprozess keinen Schutz vor
den Folgen des Prozesses erhielten (Marco Dimitri ist arbeitslos).
Espenschied, Freude und Milles widmen sich in ihrem Beitrag für
"Kingdom of Piracy" ebenfalls Versuchen, die Informationsfreiheit
im Internet einzuschränken. Sie wählen jedoch nicht wie 0100101110101101.
org Mittel der kritischen Dokumentation, sondern Mittel der Überspitzung.
Espenschied, Freude und Milles zeigen in ihren Projekten Unterschiede
zwischen Strategien der Übertreibung und der Aufklärung, zwischen
Überaffirmation und Didaktik nicht über Darstellungsformen an.
Sie überlassen es Usern, diese Unterschiede zu erkennen. User können
dazu die Funktionen der Seiten prüfen und die Aussagen in einen weiteren
kontextuellen Rahmen hinterfragen, wie ihn für "OmniCleaner"
zum Beispiel "The Kingdom of Piracy" bietet.
Espenschied, Freude und Milles konzentrieren sich auf juristische und
ökonomische Konstellationen, die Möglichkeiten des Internet
blockieren oder zu blockieren drohen. Netzbedingte Veränderungen
stellen die Art auf die Probe, wie im etablierten Rechtsverständnis
Informationsfreiheit und unzulässige Inhalte vermittelt werden. Besser
an Netzbedingungen angepasste, nicht zweideutige und nicht zu langwierigen
Auseinandersetzungen vor Gericht führende rechtliche Regelungen sind
offensichtlich notwendig.
Espenschied, Freude und Milles führen diese Aspekte nicht in Werken
mit Eigenschaften geschlossener Systeme vor, sondern organisieren die
Plattform "ODEM" als aktivistisches Netzwerk, das sehr variabel
auf sich wandelnde Verhältnisse reagiert.
Korporationen mit Verwertungsrechten an digitalen,
kopierbaren Programmen und Werken üben auf Judikative und Legislative
Einfluss aus, um Userrechte einzuschränken. Dies geschieht, um die
Verwertbarkeit von Daten, die über e-Commerce gegen Entgelt zum Abladen
freigegeben werden, zu erleichtern. Das Recht auf Privatkopie
wird im Namen intellektuellen Eigentums (Copyright) eingeschränkt
und die Verbreitung unliebsamer Programme zur Aufhebung von Sperren, wie
zum Beispiel das DeCSS-Script gegen die Codierung von DVDs, wird mit rechtlichen
Mitteln unterdrückt. 21
Inhaber von Verwertungsrechten und staatliche Institutionen haben ihre
Interessen immer schon von professionellen Agenten bei judikativen und
legislativen Instanzen anmelden lassen, bevor sich Bürgerbewegungen
gegen Gerichtsurteile und Vorlagen neuer Rechtsentwürfe formieren
können.
Bürgerbewegungen müssen
verdeutlichen, dass sie Grundrechte in neuen Medien verteidigen. Neue
netzspezifische Gesetze, zum Beispiel in USA (Digital
Millenium Copyright Act, 1998) und Deutschland (MDStV), erfordern
diese Defensive, da sie entweder einseitig auf Urheberrechteinhaber ohne
Rücksicht auf die Open Source Movement (USA) zugeschnitten 22
oder in ihrem Ziel, Access Provider zu schützen (D) 23,
umkehrbar sind.
Können Bürgerbewegungen in der Position der Defensive, aus
der heraus sie agieren müssen, noch gewinnen? Wenn ohne Aufsehen
Bürgerrechte den Interessen korporativ organisierter Kapitalträger
weichen oder an sie angepasst werden, erscheinen Bürgerbewegungen
entweder bloß noch lästig oder als unverzichtbare und notwendige
Instanz gegen die Dominanz der Interessenvertreter der Korporationen.
Die Erkenntnis können Bürgergewegungen nicht voraussetzen, dass
die ökonomische Dominanz einiger Korporationen den Bestand von Demokratien
gefährdet.
Zensurfragen, die im Druckmedium nach lang dauernden Auseinandersetzungen
beseitigt sind, können im Netz neu aufgerollt werden, wenn "alle
illegalen Inhalte" gesperrt werden sollen, wie dies die Bezirksregierung
Düsseldorf fordert. Interpretationsfragen, die bei der Einschätzung
von Inhalten als zu- oder unzulässig entstehen, würden erneuert
werden. Frühere Versuche, die Verbreitung von Drucksachen in einem
größeren Umfang zu verhindern, als er von Gesetzen abgedeckt
ist, können bei der Verhängung von Sperrungen Neuauflagen erleben.
Auch die Bezirksregierung Düsseldorf begab sich, als sie in ihren
ersten Sperrungsforderungen, die sie vor der endgültigen Sperrungsverfügung
gegenüber den Providern erhob, rotten.com
(s. o.) einschloß, auf rechtlich nicht mehr abgesichertes Terrain.
Ebenso schafft die freiwillige Selbstkontrolle, die Provider als Alternative
offerieren, erhebliche Probleme, wie der in "The File That Wouldn´t
Leave" von www.0100101110101101.org (s. o.) vorgestellte Fall erkennen
lässt.
Illegale Inhalte, die über Parabolantennen in
Deutschland empfangen werden können, führen nicht zu Verboten
oder zur Entwicklung von technischen Mitteln, die das Ausblenden von Sendungen
mit unzulässigen Inhalten möglich machen. Parabolantennen gelten
vielmehr nach Grundgesetz §5 Absatz
1 Satz 1 Halbsatz 2 als unersetzbarer Zugang zu Informationen. 24
Dagegen sollen im Netz Restriktionen der Informationsfreiheit wieder eingeführt
werden, die für andere Medien nicht (mehr) gelten.
Wenn User nicht kontrollieren können, was ihnen ihr Provider oder
ihr Suchsystem vorenthält, können sie sich nicht auf die Offenheit
der Datenwege im Netz verlassen, obwohl diese Offenheit zu seiner Grundstruktur
gehört. Territorial begrenzter Datenausfall enthält einem Teil
der User Informationen vor, die anderen zugänglich sind. Dies kann
zu lokal bedingten beruflichen Beeinträchtigungen im globalen Wettbewerb
führen. Statt Restriktionen müssten vielmehr Garantien für
uneingeschränkten Informationszugang institutionalisiert werden,
am Besten überregional mit Beteiligung möglichst vieler Regierungen,
die diese Offenheit in ihren Gesetzen und ihrer Rechtsprechung garantieren.
Die Diskussion um Restriktionen im Netz erfordert eine Rückbesinnung
auf die Grundlagen fundamentaler Zusammenhänge zwischen Demokratie
und freier Information, die immer noch populistische Restriktionsforderungen
gefährden: Im Grundgesetz Artikel 5 sind Informationsfreiheit und
Zensurverbot festgelegt, die nicht bei beliebigen Anlässen leichtfertig
durch enge Auslegungen und Einschränkungen in Frage gestellt werden
dürfen.
Holocaustverleugnung und Rassenhetze sind nicht internet-, sondern sozial
bedingt. Die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit sozialen Problemen
weisen Neue Medien auf, wenn dort Inhalte in neuer Form wiederkehren.
Dann sind aber nicht die Medien selbst das Problem, sondern sie führen
zu neuen Brechungen medienextern schon vorhandener Probleme.
Der Versuch des Umbaus des Netzes zu Datenflüssen, die mittels Blockaden
territorialisiert sind, lässt sowohl die Folgen für Informationsfreiheit
als auch die Netzarchitektur außer acht, und hinterfragt nicht,
wer Informationssicherheit haben will: Offenbar will dies der unmündige
Bürger, der Angst vor Inhalten zu haben vorgibt, die er selbst aufgerufen
hat, und der sich um die Folgen von Sperrungen nicht mehr sorgen will,
da er sich an dem selbst Aufgerufenen schon genug reibt (oder dies zu
tun vorgibt).
Das Internet kann so wenig wie andere Medien ausschließlich an
Bedürfnisse des Jugendschutzes angepasst werden: Es ist ein generelles
Informationsmedium für alle Inhalte. Fragen des Gebrauchs des Internet
durch Jugendliche sind den Fragen des freien Zugangs nicht gleich zu stellen,
sondern nachzuordnen, da zuerst alle Informationen mündigen Bürgern
zur Verfügung stehen müssen.
Dr. Thomas Dreher
Schwanthalerstr. 158
D-80339 München.
Homepage
mit zahlreichen kunstkritischen Texten, u.a. zur Konzeptuellen Kunst und
Intermedia Art.
Copyright © (as defined in Creative
Commons Attribution-NoDerivs-NonCommercial 1.0) by the author, November
2002/ June 2004/ October 2006.
This work may be copied in non-commercial contexts if proper credit is
given to the author and IASL online.
For other permission, please contact IASL
online.
Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder einen eigenen Tip geben? Dann schicken
Sie uns eine E-Mail.
Anmerkungen
1 Heibach, Christiane: Literatur im Internet: Theorie
und Praxis einer kooperativen Ästhetik. Diss. Neuphilologische Fakultät
der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Dezember 1999. Berlin 2000
(Bezugsquelle für Buch und PDF-Datei: URL:
http://www.dissertation.de/ buch.php3? buch=2953). S.330. Vgl. Dies.:
Texttransformation - Lesertransformation. Veränderungspotentiale der digitalisierten
Schrift, Kap. 4. In: URL: http://netzliteratur/
heibach/ texttransformation.htm: "Der Link hat hier keine semantische,
sondern eine formale Funktion." Ausführliche Interpretationen
des "Assoziations-Blaster": Ortmann, Sabrina: netz literatur
projekt. Entwicklung einer neuen Literaturform von 1960 bis heute. berlinerzimmer.de
(Book on Demand). Berlin 2001, S.67-72; Simanowski, Roberto: Interfictions.
Vom Schreiben im Netz. Frankfurt am Main 2002, S.46-53.
Beispiel für Links mit semantischen Funktionen: Art & Language:
Blurting In A & L online. Zentrum für Kunst und Medientechnologie.
Karlsruhe 2002. URL: http://blurting-in.zkm.de/
e/ home. Über die "typisierten Verknüpfungen"
(bzw. semantisierten Links) in Blurting
in A & L: Dreher, Thomas: Art & Language & Hypertext:
Blurting, Mapping and Browsing. In: IASLonline Lektionen in NetArt,
Kap. Theorie. URL: http://www.iasl.uni-muenchen.de/
links/ NAAL.html.
Im Folgenden erscheinen Begriffe wie Betreiber, Demonstrant, Partizipant,
Pressevertreter, Student, Teilnehmer oder User zwar in maskuliner Form,
doch ist damit auch die feminine Form gemeint. Kombinationen aus femininen
und maskulinen Formen wie `die / der UserIn´ oder `die Userin / der User´
können die Lesbarkeit von Sätzen (teilweise stark) einschränken. Deshalb
wird hier darauf verzichtet. zurück
2 Vor ihrer Integration in ODEM hatte (und hat) "Active
Link" eine eigene Website. URL: http://www.online-demonstration.org/.
Neue URL: http://odem.org/ alink/
(5.6.20044).
Vgl. Kein Mensch ist illegal/Libertad!: Online-Demonstration against Deportation
Business. URL: http://www.geocities/
demo4alles/ dt/ home/ home.html (8.10.2004). Diese Aktion vom 20.6.2001
weist sich als erstes deutsches Beispiel für elektronischen zivilen
Ungehorsam aus:
Es gibt in Deutschland noch kein gelungenes Beispiel elektronischen
zivilen Ungehorsams, unsere Aktion gegen Lufthansa ist die erste dieser
Art in der BRD. Sie ist in der Sichtweise der "eHippies" eine
"client side ddos" Aktion. (o. A.: Zur Geschichte des elektronischen
zivilen Ungehorsams. Kap. Server side vs. Client side ddos. URL: http://www.geocities.com/
demo4alles/ dt/ info/ activism.html#third (8.10.2002))
Diese Darstellung ignoriert die Online-Demonstration "Active Link",
weil diese keine DDOS-Attacke ist (s. u.). Zugleich impliziert die Darstellung,
dass entweder nur bestimmte Online-Demonstrationen als Beispiele elektronischen
zivilen Ungehorsams gelten und "Active Link" mit seiner nicht
aggressiven Software nicht dazu gerechnet wird, oder "Active Link"
gilt nicht als "gelungenes Beispiel". zurück
3 ODEM: on.line-Demonstration. Die Demonstrations-Software.
URL: http://www.online-demonstration.org/
demonstrator.html (5.6.2004). Neue URL: http://odem.org/
demonstrator.html (5.6.2004). zurück
4 Berners-Lee, Tim: Was ist ein Link (5.7.1998)? URL:
http://www.freedomforlinks.de/Pages/tbl.html (1.11.2002). Vgl. Piwinger,
Boris `pi´: pi´s kleine Linklehre (17.10.2002). URL: http://piology.org/
dsr/ linklehre.html.
Links zu den damals akuten Fällen des Rechtsproblems (Links zu Napster,
e-Commerce gegen Deep Links, Explorer und der "Abmahnwahn",
Burkhard Schroeders antifaschistische Webseiten und ihre Links) enthält
unter anderem die "Hintergrund"-Seite zu "Active Link",
URL: http://www.online-demonstration.org/
alink/ hintergrund.html (5.6.2004). Neue URL: http://odem.org/
alink/ hintergrund.html (5.6.2004).
Der Strafprozess auf der Grundlage des Schweizer Antirassismusgesetzes
gegen den Informatik-Professor Thomas
M. Stricker (ETH Zürich), der durch einen Link zu einer Antirassismus-Seite
auf das Problem des indirekten Link aufmerksam machte, endete mit einem
Freispruch. Die Richterin des Bezirksgerichts Zürich plädierte
im Freispruch, dass "auch die Funktion des Internet...zu berücksichtigen
[sei], könnte man das Internet doch ohne Links gleich abschalten."
([SIUG-announce] Sonder-Newsletter September 2002. URL: http://your.trash.net/
pipermail/ siug-announce/ 2002-September/ 000059.html) Da sich Websites
laufend ändern und ein Link Setzender diese Veränderungen nicht
laufend prüfen kann, hat die Züricher Richterin Recht, wenn
sie die "ausufernde Verantwortlichkeit für indirekte Links als
`hirnverbrannt´ bezeichnet" ([SIUG-announce] Sonder-Newsletter
September 2002, s. o.)
Zu welchen Absurditäten Urteile führen, die dem Link Setzenden
die Verantworung auch noch für "tief in der Struktur der angelinkten
Site" verborgene Inhalte zuweisen, zeigt ein deutsches Urteil (Landgericht
München) gegen eine Software Firma (McAffee) mit Werbeversprechen,
die verboten sind. Nachdem deutsche Seiten eingerichtet wurden, die der
hiesigen Rechtsprechung (einhaltbare Werbeaussagen) Rechnung tragen, genügte
ein vom Webmaster vergessener Disclaimer, um deutsche Kunden für
kurze Zeit über eine längere Klickkette doch zur verbotenen,
technisch nicht erfüllbaren amerikanischen Aussage gelangen zu lassen
(o. A.: Neues Link-Urteil. In: intern.de, 17.8.2000. URL: http://www.intern.de/
news/ 808.html). Die Angaben des Landgerichts München über
den Linkverlauf machen deutlich, dass hierzu schon eine sehr lange Linkkette
gewählt werden musste. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe war
die Folge, die der Firma vor der Revision ihrer Website drohte, wenn sie
unzulässige Aussagen deutschen Usern weiterhin zugänglich macht.
Der oben genannte Fehler schlich sich nach der Revision ein. zurück
5 Hoeren, Thomas: Stellungnahme zur geplanten Sperrungsverfügung
der Bezirksregierung Düsseldorf (Anhörung am 13.11.2001). URL:
http://odem.org/
zensur/ stellungnahme-prof-hoeren.pdf Schumacher, Dirk: Sperrungsverpflichtungen
für Access-Provider bezüglich des Zugangs zu Webseiten mit rechtswidrigen
Inhalten (11.4.2002). URL: http://www.dfn.de/
content/ beratung-weiterbildung/ rechtimdfn/ archiv/sperrungsverpflichtungen
(5.6.2004). zurück
6 Zur Vorgeschichte der Sperrung: o. A.: Sperrung von
Websites in NRW: Chronologischer Ablauf. In: Jurawelt - Anwaltswelt. 23.7.2002.
URL: http://www.jurawelt.com/anwaelte/4181.
zurück
7 Stadler, Thomas: Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider.
Juni 2002. Kapitel VI. In: MMR. Zeitschrift für Informations-, Telekommunikations-
und Medienrecht 6/2002. URL: http://www.jurawelt.com/download/aufsaetze/sperrungsverfuegung.pdf;
Ders.: Der Widerspruchsbescheid zur Düsseldorfer Sperrungsverfügung.
Kapitel 1. In: Artikel 5, 2002. URL: http://www.artikel5.de/artikel/widerspruchTS.html.
zurück
8 Im "Widerspruchsbescheid gegen Sperrverfügung"
versucht Büssow sein Vorgehen sowohl im Sinne des MDStV als auch
im Sinne des TDG gerechtfertigt erscheinen zu lassen. zurück
9 Chaos Computer Club: Anleitung zur Konfiguration der
DNS-Einstellungen. URL: http://www.ccc.de/
censorship/ dns-howto/ ?language=de (5.6.2004). zurück
10 Krempl, Stefan: Netzsperre für Fritzchen Doof.
In: Telepolis, 22.11.2001. URL: http://www.heise.de/
tp/ deutsch/ inhalt/ te/ 11175/ 1.html. zurück
11 Boettcher, Michael: Offener Brief an die Bezirksregierung
Düsseldorf (23.11.2001, mit zahlreichen Unterzeichnern, darunter
auch Alvar Freude). URL: http://www2.bezreg-duesseldorf.nrw.de/
ubb/ Forum9/ HTML/ 000045.html (5.6.2004). zurück
12 Verwaltungsgericht Minden, Beschluss vom 31.10.2002,
11L 1110/02. In: URL: http://www.jurpc.de/
rechtspr/ 20020381.htm (4.6.2004). o. A.: Rechtmäßigkeit
der Internet-Sperrverfügung offen (Az 11 L 1110/02). In: Pressemitteilungen
des Verwaltungsgerichts Minden. 15.11.2002. URL: http://www.vg-minden.nrw.de/
presse/ pressem/ 2002/ p0211152.htm; Krempl, Stefan: Provider in NRW
erstreitet Teilsieg gegen Website-Sperrung. In: Heise News-Ticker, 13.11.2002.
URL: http://www.heise.de/
newsticker/ result.xhtml?url=/ newsticker/d ata/ jk-13.11.02-000/ default.shtml
&words=Bezirksregierung. Diesen Hinweis und weitere Daten verdanke
ich Alvar Freude, Andreas Schmidt, Joerg-Olaf Schaefers, Thomas Stadler
und Lars Weiler (November 2002). zurück
13 jk: Sperrverfügungen gegen Websites: einer
kam durch. In: Heise online, 7.4.2003. URL: http://www.heise.de/
newsticker/ meldung/ 35937. zurück
14 o. A.: Sperrverfügungen der Bezriksregierung
Düsseldorf vom 6.2.2002. Chronologie der gerichtlichen Prüfung.
In: http://www.artikel5.de/
entscheidungen/ sperrungsanordnungen_2002.html (4.6.2004); Voregger,
Michael: 5 zu 1 für die Bezirksregierung. In: Spiegel online, 14.3.2003.
URL: http://www.spiegel.de/
netzwelt/ politik/0,1518,240106,00.html (inzwischen kostenpflichtig,
nicht in Google Cache, 4.6.2004). zurück
15 Schreier, Torsten: Düsseldorfer Sperrungsverfügung:
Warum ein Provider erfolgreich war. In: MMR. Zeitschrift für Informations-,
Telekommunikations- und Medienrecht 5/2003. URL: http://rsw.beck.de/
rsw/ shop/ default.asp? sessionid= 8AF6031FE5EC4C7592913E0713407914 &
docid=93505 &highlight=Schreier. Das Verwaltungsgericht Köln
entschied am 17.10.2003, dass ein weiterer Internet Service Provider der
Sperrungsverfügung nicht Folge leisten muss. Dieser benutzt die technische
Infrastruktur des Unternehmens Mediaways/Telefonica, das vor dem Verwaltungsgericht
Minden bereits erfolgreich war (Urteil Verwaltungsgericht Köln, 6
L 699/03. In: URL: http://www.justiz.nrw.de/
nrwe/ ovgs/ vg_koeln/ j2003/ 6_L_699_03beschluss20031017.html (28.7.2004)).
zurück
16 Bayer, Michael: Ermessensfehlerhaftigkeit. In:
Frankfurter Rundschau, 30.6.2003. Neu in: URL: http://www.michael-bayer.de/
netpolitik/ sperren-ermessen.shtml (4.6.2004). zurück
17 Der Stuttgarter Staatsanwalt Milionis leitete August/September
2003, nach zwei Strafanzeigen (im April 2002 vom Geschäftsführer
eines IT-Dienstleisters in Düsseldorf und im Juni 2003 von einer
Mitarbeiterin der Bezirksregierung Düsseldorf, auf offiziellem Briefpapier)
sowie Ermittlungen des Landeskriminalamtes (LKA) ein Ermittlungsverfahren
gegen Alvar Freude ein: wegen "Gewaltdarstellung im Internet",
" Volksverhetzung" und Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher
Organisationen. Milionis drohte am 2.9.2003 mit "Freiheitsstrafe",
"Einziehung der Tatmittel" und "Berufsverbot". Der
Staatsanwalt begründete sein Ermittlungsverfahren mit unkorrekten
Angaben u. a. über Links der "Top7" von "FreedomFone".
Diese Links werden aus einem Archiv von URL-Adressen zufällig gewählt.
Das Archiv enthält URL-Adressen aus Freudes Tätigkeit als Aktivist,
also auch Adressen, die nach dem 2001 von Büssow favorisierten, aber
gescheiterten Filterprojekt nicht zugänglich sein sollten. Dem Ermittlungsverfahren
liegen "unrichtige Tatsachenbehauptungen" unter anderem über
den Inhalt von "FreedomFone", die URL-Adressen der Links, die
technische Art der "Redirect Links" (als angebliche Umgehung
von Sperren) und den Charakter der Links im Kontext des Satire-Projektes
zugrunde, wie aus Thomas Stadlers Stellungnahme
vom 23.9.2003 hervorgeht (Freude, Alvar: Berufsverbot für Satire.
In: URL: http://odem.org/
aktuelles/ staatsanwalt.de.html (17.6.2004); Gassner, Oliver: "Am
Ende bleibt nur noch die Mickymaus". In: Stuttgarter Zeitung, 19.11.2003.
Neu in: URL: http://www.oliver-gassner.de/
presse/ presse_alvarfreude_langfassung_200311.html). Milionis hat
eine Anklage erhoben. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte Freude 2004
zu einer Geldstrafe, doch das Landgericht Stuttgart sprach Freude am 15.6.2005
frei (anw/c't: Freispruch im Hyperlink-Prozess. In: Heise Online News,
15.6.2006. URL: http://www.heise.de/
newsticker/ meldung/ 60673 (16.6.2005); Stadler, Thomas: Landgericht
Stuttgart: Strafbarkeit vonHyperlinks. URL: http://www.afs-rechtsanwaelte.de/
Pages/ URTEILE131.HTM (18.11.2005)). In der Revision,
welche die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichtes eingelegt
hatte, bestätigte das Stuttgarter Oberlandesgericht 2006 das Urteil
des Landesgerichtes (Gassner, Oliver: Endgültiger Freispruch - mit
Warnung vor unbedachten Nachahmern. In: Telepolis, 24.4.2006. URL: http://www.heise.de/
tp/ r4/ artikel/ 22/ 22527/1.html (8.10.2006)). zurück
18 Freude, Alvar: Knast für Kritiker? URL: http://odem.org/
informationsfreiheit/ o-ton--oeffentlich.html (4.6.2004). zurück
19 Kleinz, Torsten: Nerds in der Sonne. In: Telepolis,
8.4.2002. URL: http://www.heise.de/
tp/ deutsch/ inhalt/ te/ 12262/1.html; Steglich, Florian: Von der
Datenautobahn auf die Straße (11.4.2002). URL: http://www.foebud.org
archiv/foebud/ docs/ foebud_poldig020411_steglich_
vonDerDatenautobahnAufDie Strasse.html zurück
20 Buschek, Oliver: Volle Kontrolle - Der Omnicleaner
manipuliert das Internet. URL: http://www.br-online.de/
jugend/ zuendfunk/ themen/ netz/ omnicleaner.htm (5.6.2004). zurück
21 Storz, Reinhard: Texte, Scripts und Codes. Ein Exkurs
zur Grenzfigur des Programmierer-Künstlers. URL: http://www.dichtung-digital.com/
2002/ 07/ 24-Storz/ (5.6.2004). zurück
22 Lessig, Lawrence: Free Culture (15.8.2002). URL:
http://www.oreillynet.com/
pub/ a/ policy/ 2002/08/15/ lessig.html?page=3 :
If you are explaining you are losing...Three seconds to understand,
or you lose. This is our problem. Six years after the [copyright] battle
began, we´re still explaining. We´re still explaining and
we are loosing. They frame this as a massive battle to stop theft, to
protect property. They don´t get why rearchitecting the network
destroys innovation and creativity. They extend copyrights perpetually.
They don´t get how that in itself is a form of theft. A theft of
our common culture. zurück
23 Tauss, Jörg (Beauftragter für Neue Medien,
SPD-Bundestagsfraktion): Stellungnahme zum Vorgehen der Bezirksregierung
Düsseldorf (20.2.2002). URL: http://www.odem.org/
material/ verfuegung/ Stellungnahme-Sperrungsverfuegung-Tauss.pdf:
Denn mit dem Mediendienstestaatsvertrag und dem Teledienstegesetz
war unter anderem beabsichtigt, insbesondere Access-Provider von der Verantwortlichkeit
für die von ihnen übermittelten Inhalte freizustellen.
Büssow verwendet jedoch den MDStV, um von Access Providern Sperrungen
übermittelter Inhalte fordern zu können. zurück
24 Bundesverfassungsgericht: BVerfGE 90, 27 - Parabolantenne
I. Verfasssungsbeschwerde wegen Errichtung einer Parabolantenne durch
einen Mieter. Beschluß des Ersten Senats vom 9.2.1994. URL: http://www.oefre.unibe.ch/
law/ dfr/ bv090027.html (5.6.2004). zurück