IASL Diskussionsforum online Oliver Jahraus Fragen und Antworten Die Verbindung von Systemtheorie und Zeichentheorie, wohlgemerkt in der Peirceschen Ausprägung, erscheint wie das Ei des Kolumbus: Die großartige Entdeckung eines neuen Kontinentes, dessen Existenz man zuvor nicht für möglich gehalten hatte, aber ein Unternehmen, das auch in seiner Großartigkeit eigentlich von jedem hätte initiiert werden können. Wie dem auch sei, jedenfalls im Rahmen dieses Kommunikationsforums haben Barbara Kastner und Werner Scheibmayr die ersten Schritte getan. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist relativ einfach und stützt sich auf die Kommunikationstheorie der Systemtheorie. Dabei muß man beachten, daß Kommunikation als Prozeß definiert und zugleich als das sozial konstitutive Moment, das Gesellschaft ausmacht, bestimmt wird. Wird also das Piercesche Zeichenmodell übertragen, so zielt diese Projektion auf eine Rekonzeptualisierung nicht nur des Kommunikationsprozesses, sondern auch des Gesellschaftsbegriffes. Wenn man nun die Überlegungen, die auch schon in diesem Forum angestellt, differenziert, erweitert und kritisiert wurden, zu den Vorgaben der strukturellen Kopplung von Bewußtsein und Kommunikation hinzuzieht, so läßt sich sagen, daß die Projektion des Zeichenmodells auf die entsprechenden Theorieelemente der Systemtheorie zu einem zeichentheoretisch fundierten Prozeßschema für Bewußtsein und Kommunikation, für psychische und soziale Systeme führt. Was soll das heißen? Werner Scheibmayr ist in seiner Einschätzung wesentlich vorsichtiger als Barbara Kastner. Er schreibt, daß die Komponenten (also die zeichentheoretischen und systemtheoretischen Theoriebausteine) aufeinander beziehbar seien; demgegenüber wirkt Barbara Kastners Formel "Autopoiesis=Semiose" wie ein Paukenschlag, der forsch jede ontologische Implikation, die sich hinter dem "Ist-gleich-Zeichen" verbergen mag, unbeeindruckt in Kauf zu nehmen scheint. Solange man sich jedoch nicht vergegenwärtigt hat, wie denn die Relation zwischen diesen beiden Theorien und Theoremen ihrerseits zu konzeptualisieren ist, solange wird es bei einer interessanten Gegenüberstellung, bei der Feststellung einer vielleicht zunächst verblüffenden Koinzidenz bleiben, die (noch) nicht in der Lage ist, die theoretischen Konsequenzen zu ziehen. Was heißt es nun, Systemtheorie und Zeichentheorie seien aufeinander beziehbar, aufeinander abbildbar, ihre Bausteine seien identisch? Von außen betrachtet kann man - wie dies Werner Scheibmayr tut - sozusagen theoriediagnostisch zunächst Ähnlichkeiten in den jeweiligen Theoriearchitekturen feststellen und die Relationen herstellen. Damit ist, um dies ausdrücklich zu betonen, eine wertvolle Vorarbeit geleistet, wertvoll insbesondere im Hinblick auf Abbildbarkeiten und Unterschiede, aber insgesamt doch eben Vorarbeit. Dabei gilt es zu differenzieren. Es ist das Verdienst der Überlegungen von Werner Scheibmayr, daß er dort, wo er den Semioseprozeß in Beziehung mit dem Kommunikationsprozeß setzt, deutlich macht, daß diese Projektion ein Erklärungsdefizit der Systemtheorie zeichentheoretisch auffüllen kann. In diesem Kommunikationsprozeß stellt sich nämlich die Frage, wie denn der Prozeß autoiterativ zustande kommt. Daß er zustande kommen muß, sieht das Luhmannsche Modell zwar vor, erklärt aber nicht, wie es notwendigerweise dazu kommen muß.
Weil diese Prozessualität im Peirceschen Zeichenmodell ein immanentes Moment darstellt, das Zeichen also immer schon prozessual konzipiert ist, kann Werner Scheibmayr zeigen, daß in der Übertragung auf Kommunikation der Kommunikationsprozeß in seiner Autopoiesis nur als Semiose modelliert werden kann. Fazit: Die Autopoiesis von Gesellschaft wird überhaupt erst durchschaubar, wenn man sie als Semiose - sagen wir ruhig: beobachtet. Und dasselbe muß für das Bewußtsein und seine autopoietische Verfaßtheit gelten. Barbara Kastner radikalisiert diesen Gedanken noch, indem sie von Kommunikation und Bewußtsein als spezifizierten autopoietischen Prozessen absieht und Autopoiesis prinzipiell als Semiose definiert. Bevor man auf einzelne problematische Implikationen aus ihrer Ineinssetzung eingeht, gilt es zunächst, überhaupt zu klären, was es heißt, Zeichentheorie auf Systemtheorie abzubilden, sie miteinander zu vergleichen oder sie gar ineinszusetzen. Fragt man also, ob Bewußtsein und Kommunikation oder autopoietische Prozesse überhaupt 'wirklich' Zeichenprozesse sind, scheint man dasjenige, was nun system- oder zeichentheoretisch modelliert wird, sei es das Bewußtsein oder die Kommunikation oder was auch immer, in eine theorieunabhängige, ontologisch autonome Position zu rücken. Man fragt nach der Adäquatheit der Feststellung, ob hinter der Autopoiesis 'wirklich' Semiose steckt; Adäquatheit allerdings ist eine repräsentationalistische Kategorie, die hier ihrerseits nicht adäquat ist. Die Frage muß anders gestellt werden, und dann erkennt man, daß sich die Frage, ob Autopoiese wirklich Semiose ist, von selbst erledigt. Man muß fragen, wer bzw. was diese Ineinssetzung oder Abbildung vornimmt und von wo aus; und das ist die Frage nach dem Beobachter. Der Beobachter benutzt die Differenz von Systemtheorie und Zeichentheorie operativ, d.h. er kann Systemtheorie zeichentheoretisch und - zumindest denkbar - Zeichentheorie systemtheoretisch beobachten. Schon die hermeneutische Figur etwas als etwas zu verstehen macht deutlich, daß das, was verstanden, was beobachtet wird, immer nur in wechselseitiger Konstitution von Verstehendem und Verstandenem, Beobachter und Beobachtetem entsteht. Beobachtung meint also die wechselseitige Konstitution von Beobachter und Beobachtetem. In dem Moment, in dem Systemtheorie, bzw. ihre entsprechenden Theoriebausteine, zeichentheoretisch beobachtet werden, stellt sich die Frage nach dieser Adäquatheit der Beobachtung nicht mehr. Nun kann man auch - der Einfachheit und Prägnanz halber - auf den ontologischen Zungenschlag verfallen, wenn man gleichzeitig bedenkt, daß es hier nur um den sprachlichen Ausdruck der Fraglosigkeit, d.h. der Unhintergehbarkeit der wechselseitigen Konstitution von Beobachter und Beobachtetem in der Beobachtung geht. Wird also Systemtheorie zeichentheoretisch beobachtet, ist weder große Vorsichtig noch ein forsches Vorpreschen notwendig, weil mit der Beobachtung die Entscheidungen ohnehin schon getroffen sind. Versucht man sich zu vergegenwärtigen, wie weitreichend diese Entscheidungen sind, zeigt es sich, daß die Frage nach dem Status des Beobachteten generell hinfällig ist. Denn der Status des Beobachteten, wie immer man ihn dann nennt oder ausdrückt, bestimmt sich nach dem Beobachter in der Beobachtung. Um dies zu verdeutlichen, weise ich noch einmal auf den vielleicht spontanen Rückgriff auf die Hermeneutik hin, der stillschweigend den hermeneutischen Verstehensbegriff über die Systemtheorie mit ihrem Beobachtungskonzept in Verbindung gebracht hat. Dabei ist dieser Effekt nicht unerwünscht, macht er doch auf einen entscheidenden Ebenenüberstieg deutlich. Verstehen ist - systemtheoretisch gesprochen - ein differentielles Ereignis im Prozeßverlauf der Kommunikation, das sich aber - aufgrund der Vorgaben der strukturellen Kopplung auch im Bewußtsein wiederfinden läßt. Soziales und psychisches Verstehen laufen prozessanalog ab, auch wenn niemals sozial zu verstehen ist, was psychisch verstanden wurde. Verstehen kann also als kommunikativ bzw. psychisch spezifiertes Beobachtungsereignis aufgefaßt werden. Beobachten ist (kommunikatives bzw. psychisches) Verstehen. Aber mehr noch: Fragt man sich danach, wer oder was denn überhaupt beobachten kann, so gibt es nur zwei Systeme, die überhaupt als solche Konkretisierung der abstrakten Beobachterfunktion in Frage kommen, nämlich Bewußtsein und Kommunikation. Wenn man so will, nur Bewußtsein und Kommunikation sind unmetaphorisch als Beobachter anzusprechen: Bewußtseinsprozesse und Kommunikationsprozesse als paradigmatische Beobachtungen! Wenn nun bei Barbara Kastner und Werner Scheibmayr Bewußtsein oder Kommunikation beobachtet werden, handelt es sich auch um eine Selbstbeobachtung, die - in der Form von Texten - kommunikativ konkretisiert wird, in weiteren Lektüreakten einer fortgesetzten Selbstbeobachtung von Kommunikation und Bewußtsein für Kommunikation und Bewußtsein zur Verfügung steht. Wenn nun Barbara Kastner und Werner Scheibmayr weiterhin Bewußtsein und Kommunikation zeichentheoretisch beobachten, damit auch das Verhältnis von Systemtheorie und Zeichentheorie beobachten, vollzieht ihre Beobachtung performativ, was sie beobachtet; das Wie und das Was der Beobachtung sind zeichentheoretisch vermittelt, d.h. wechselseitig zeichentheoretisch konstituiert. Die zeichentheoretisch Beobachtung des Verhältnisses von Systemtheorie und Zeichentheorie vollzieht auf der operativen Ebene, was sie auf der thematischen Ebene fokussiert. Warum? Die Beobachtung ist ein Prozeß, und in diesem Fall wird ein Prozeß beobachtet: es kommt zur operativen Ebenenüberlagerung, wenn prozessual Prozesse beobachtet werden. Der Prozeß der Beobachtung und der Prozeß des Beobachteten bedingen sich gegenseitig. Wenn demnach der Prozeß des Beobachteten ein semiotischer Prozeß (kurz: Semiose) ist, dann ist die Beobachtung selbst Semiose. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Systemtheorie und Zeichentheorie kann sich dann gar nicht mehr stellen - es geht der Frage voraus! Diese kommt in jedem Fall zu spät und wird im eigentlichen Sinn gegenstandslos, weil das Verhältnis immer schon prozessiert wird, das angeblich in Frage gestellt wird. Die zeichentheoretische Beobachtung der Systemtheorie, genauer: des Verhältnisses von Systemtheorie und Zeichentheorie ist einer self-fulfilling prophecy vergleichbar. Das Verhältnis von Systemtheorie und Zeichentheorie ist nur zeichentheoretisch beobachtbar! Die autopoietischen Prozesse werden als semiotische Prozesse beobachtet und werden eben gerade dadurch selbst zu semiotischen Prozessen. Wenn "Autopoiesis = Semiose" und "Beobachtung = Autopoiesis", dann gilt: "Beobachtung = Semiose". Und das läßt sich am Zeichenbegriff selbst am deutlichsten veranschaulichen. In diesen Prozessen konstituiert sich das Zeichen, indem einem Repräsentamen ein Objekt so zugeordnet wird, daß diese Zuordnung sich im Verhältnis eines Interpretanten zu diesem Objekt wiederholt. Wenn nun Beobachtung von Systemtheorie eine Selbstbeobachtung der Beobachtung darstellt und wenn gleichzeitig diese Beobachtung zeichentheoretisch operiert, was bedeutet: daß sie Semiose beobachtet, dann wird die Beobachtung selbst zur Semiose. Die zeichentheoretische Beobachtung von Systemtheorie ist die Beobachtung des Verhältnisses von Systemtheorie und Zeichentheorie dergestalt, daß Zeichentheorie zum Interpretanten von Systemtheorie wird. Versuchen wir es einmal: Zeichentheorie steht in einer solch triadischen Relation zur Systemtheorie, die somit zu ihrem Objekt wird, so daß sie fähig ist, sich selbst als Interpretant der Systemtheorie zu etablieren und so zu bestimmen, daß das Verhältnis von Zeichentheorie zum Verhältnis von Zeichentheorie und Systemtheorie das Verhältnis von Zeichentheorie und Systemtheorie wiederholt. Was kompliziert klingen mag, ist das Ergebnis einer Einsetzung in die Peircesche Zeichendefinition. Grundlegend ist folgende Korrelationskette: Beobachtung - Kommunikation/Bewußtsein - Autopoesis - Verstehen - Semiose. Zeichentheorie und Systemtheorie treten in ein Verhältnis von Mitteilung und Information, Selbst- und Fremdreferenz bzw. Repräsentamen und Objekt. Erst die Zeichentheorie, weil nur sie die Position des Interpretanten ausbildet, macht allerdings deutlich, daß die Beobachtung derselben Prozessualität unterliegt, die das Beobachtete auszeichnet - und das mittels Beobachtung! Im Rahmen des Diskussionsforums sei es erlaubt, die Konsequenzen ein bißchen unbefangener auszusprechen: Ist Systemtheorie erst einmal zeichentheoretisch beobachtet, gibt es kein Zurück mehr; diese Beobachtung ist nicht mehr zu tilgen, so wie alle autopoietischen Prozesse nicht mehr zu tilgen sind, weil sie sich selbst voraussetzen. Man kann nicht mehr in einen vor-zeichentheoretischen Beobachtungszustand zurückkommen. Systemtheorie wird überhaupt erst als Zeichentheorie Systemtheorie! Hier bewegt sich der anfangs noch harmlos anmutende Theorievergleich, der nur Koinzidenzien festgestellt hat, auf einer Ebene, wo Beobachter und Beobachtung im 'Zeichen' des Beobachteten in ein wechselseitiges Konstitutionsverhältnis treten, das operativ als Autoperformation von Semiose seinerseits beobachtbar wird. Damit ist man in den Kernbereich der Theoriearchitektur vorgestoßen, und dieser Kernbereich betrifft die Frage nach dem Umgang mit den Paradoxien, die in der Eigenkonstitution der Theorien entstehen. Werner Scheibmayr macht darauf aufmerksam, daß mit der semiotischen Projektion auf den Interpretanten, der die Einheit der Differenz herstellt, die Schwierigkeit, sagen wir es deutlicher: die aporetische Paradoxie umgangen wird, die sich aus der strikten Trennung von Operator und Operandum ergeben. Diese beiden zuletzt genannten Begriffe sind allgemein als Platzhalter formuliert. In diesem Kontext bekommen sie paradigamtisch ihre begriffliche Gestalt im Begriffspaar von Beobachtung und Operation. In diesem Begriffspaar liegt nicht nur die Paradoxie, sondern gleichzeitig - Luhmann zufolge - die Möglichkeit der Handhabung der Paradoxie in der Konstitution der Systemtheorie. Die Beobachtung ist Operation und ist dennoch von ihr verschieden, weil eine weitere Beobachtung vonnöten ist, um die Operation eben dieser ersten Beobachtung beobachten zu können. Werner Scheibmayr gibt sich damit eben nicht zufrieden. Man muß nun gar nicht im einzelnen seine detaillierten Ausführungen zur Binnenklassifikation des Zeichenmodells nachvollziehen, so luzide sie sind, es reicht aus, auf die Bedeutung der Kategorialität für die Konstitution des Zeichens als prozessuales Semiosegeschehen aufmerksam zu machen. Drittheit ist der Grad der Komplettierung des Zeichens. Drittheit wird aber nur so erreicht, daß sie zugleich wiederum umschlägt in Erstheit. Gäbe es das Dritte nicht, wären Erstheit und Zweiheit unvereinbar. Damit die Dichotomie zur Dialektik wird, braucht es immer ein drittes Moment. Im Dritten wird das Erste überhaupt erst zur Erstheit, weil erst die Drittheit der Erstheit die Zweitheit zuordnet, für die dasselbe gilt. Jedes dreiwertige Modell erweist sich damit gegenüber einem zweiwertigen Modell als absolut (nicht graduell) überlegen. Nun sind Drei- und Zweiwertigkeit im oberflächlichen Sprachgebrauch Charakteristika von Zeichenmodellen, und man nennt üblicherweise (und zurecht) die Namen Saussure und Pierce. Daß gerade Zeichenmodelle als zwei- oder dreiwertig klassifiziert werden, liegt zwar nahe, aber wir wollen Zwei- oder Dreiwertigkeit grundsätzlich als Eigenschaft von Theorien kennzeichnen. Theorien ihrerseits sind nun Gedanken- und Kommunikationsvollzüge, und zwar paradigmatischer Art, gerade weil Theorien den Vollzug, also den Prozeß von Kommunikationen und Gedanken, also jene Ereignisfolgen, in denen sich psychische und soziale Systeme konstituieren, exemplarisch gewährleisten. Zweiwertige Theorien - um es abkürzend zu sagen, aber man mag es an Saussure ablesen oder besser noch an der paradoxieorientierten Ausbuchstabierungs des Saussureschen Zeichenmodells durch Derrida - sind paradoxiegefährdet, wenn nicht von Hause paradoxal verfaßt, weil sie mit Erstheiten und Zweitheiten operieren, ohne sagen zu können, warum das Zweite eben das Zweite neben dem Ersten ist, warum das Signifikat zum Signifikanten kommt, wie also das Zweite als Zweites dem Ersten überhaupt zukommt. Sie operieren also mit einer Differenz, und jede Differenz ist in diesem Sinne Differenz von dem Einen, dem Ersten, und dem anderen, also dem - nach numerischer Zählung - Zweiten; sie können aber nicht mehr die Einheit der Differenz angeben. Diese Einheit ist weder die Differenz noch das Differente, sondern die Differenzierung selbst, also der Prozeß. Diese Einheit kann also nur ein Drittes, also Drittheit kategorial realisieren. Einheit durch Drittheit! Die Derridasche différance ist demnach nichts anders als die auf der Stufe der Zweiwertigkeit reduzierte Differentialität; Differentialität wird produktiv erst dann, wenn der ihr zugrunde liegende Prozeß dreiwertig ist, denn die dritte Position, die in die erste umklappt, ist der produktive, autoiterative Moment. Barbara Kastner sieht die Paradoxie in Luhmanns Bewußtseinsmodell. Sie sagt, „wozu es führt, wenn eine eigentlich dreiwertige Größe wie die der Beobachtung nicht angemessen thematisiert wird", sprich: nur zweiwertig thematisiert wird. Nimmt man nun den Blickwinkel ernst, der hinter dem Bewußtsein Beobachtung sieht, dann scheint man zwar seinen Blick einzuengen, aber eigentlich bedeutet dies eine weitere Fokussierung auf das Theoriezentrum. Akzeptieren muß man dabei nur, daß Bewußtsein und Kommunikation die Beobachtungssysteme, also Beobachter, schlechthin sind. Wenn Beobachtung nur dreiwertig konzipiert werden kann und wenn Bewußtsein und Kommunikation Beobachter sind, so muß der Prozeß, mit und in dem sich Bewußtsein und Kommunikation vollziehen, gleichermaßen dreiwertig sein. Das Zeichenmodell von Peirce, das Dreiwertigkeit ausbuchstabiert, steht zur Verfügung. Und damit kann man die Systemtheorie dreiwertig aufrüsten, wo sie sonst nur ein Modell der auf sich selbst bezogenen Zweiwertigkeit hätte, um diese Paradoxien, die sie sehr wohl wahrnimmt, zu handhaben. Nun mag man vielleicht fragen, ob damit nicht der Zeichencharakter verloren geht und die zeichentheoretische Nachrüstung der Systemtheorie aus dem Blick gerät, wenn man so sehr auf die Kategorialität abhebt. Wenn dies tatsächlich eintritt, so nur deswegen, weil damit Zeichenhaftigkeit als Prinzip der Theorie selbst zum Tragen kommt. Zeichentheorie wird in letzter Konsequenz kein Teil der Systemtheorie, sondern ihr Konstituens. Bewußtsein und Kommunikation sind somit Zeichenprozesse, genauer gesagt: sie vollziehen in struktureller Kopplung Semiose. Anders denn als Zeichenprozesse sind so weder Bewußtsein noch Kommunikation als Systeme überhaupt zu denken und zu modellieren. Daß so das Zeichen in den Hintergrund tritt, liegt dann nur daran, daß - metaphorisch gesprochen - das Auge sich beim Sehen selbst nicht sehen kann - notwendigerweise! Semiose ist die operative Voraussetzung, die conditio sine qua non von Bewußtsein und Kommunikation und auch von Systemtheorie, wenn sie Bewußtsein und Kommunikation beobachtet! Ein Blick auf die Überlegungen von Wolfgang Ludwig Schneider: Die Beobachtung der Kommunikation (Opladen 1994) mag dies zusätzlich verdeutlichen. Er macht darauf aufmerksam, daß Luhmanns Kommunikationsbegriff eigentlich nur zweiwertig ist; das, was man gemeinhin als dritte Position ansieht, das Verstehen, ist nichts anderes als die erwähnte, auf sich selbst bezogene Zweiwertigkeit. Verstehen - prozessual geschehen - muß zwar die dritte Position einnehmen, hat aber selbst nur die Qualität bzw. Kategorialität von Zweitheit. Nebenbei bemerkt: Daß Luhmann selbst nicht zu dieser zeichentheoretischen, dreiwertigen Aufrüstung gelangt ist, liegt insbesondere daran, daß er selbst nur mit dem zweiwertigen Zeichenbegriff Saussurescher Provenienz operiert hat. Und dies mag wiederum als symptomatisch gelten für den den generell "zweiwertigen" Charakter der Systemtheorie. Schneiders (auch schon früher publizierte) Überlegungen zielen daher auf eine dritte Position, die Peter Fuchs dann, auf Schneider zurückgreifend, in seinen Überlegungen (Moderne Kommunikation; Frankfurt a.M. 1993) systematisch entfaltet. Fuchs Hauptthese ließe sich so kategorial übersetzen: Zweitheit aktualisiert im Blick auf Erstheit die Differenz von Zweitheit und Erstheit, Information und Mitteilung, Fremd- und Selbstreferenz, Objekt und Repräsentamen so, daß Drittheit Zweitheit als Zweitheit, mithin als bestimmten Anschluß an Erstheit versteht.Das zeigt: Die Fuchssche Erweiterung des Prozeßmodells um eine genuine dritte Position bereitet eine semiotische Rekonzeptualisierung schon vor. Es gibt eine Grenze, die weder Werner Scheibmayr noch Barbara Kastner überschreiten wollen: die Grenze der Subjektorientierung. Barbara Kastner kann man fragen, warum sie dann nicht doch den letzten Schritt mitgeht und Bewußtsein und Kommunikation als die Beobachtungssysteme oder noch rigider: strukturelle Kopplung als das Beobachtungssystem ansieht; dann könnte sie nämlich auf die Subjekte verzichten, an denen sie um des von Schönrich übernommenen Begriffs des Zeichenhandelns festhalten zu können. Werner Scheibmayr kann man fragen, warum er - die zugegebenermaßen bei Luhmann selbst benutzten Kommunikationsrollen bzw. kommunikativ zugeschriebene Rollen von ego und alter ego so übernimmt, daß sie nunmehr als psychische Systeme erscheinen, was, nimmt man den Plural ernst, nichts anderes heißt, als daß er Kommunikationsrollen als Kommunikationsinstanzen auffaßt. Es mag schon unter die Tierschutzbestimmungen fallen, wie ich mein Steckenpferd reite, aber im Rahmen dieser Diskussion sei es mir erlaubt. Meine letzte Frage lautet daher: Ist nicht diese semiotische Projektion, Autopoiesis im Paradigmafall der strukturellen Kopplung als Semiose zu beobachten, der letzte Argumentationsschritt, der das Subjekt endgültig überflüssig macht. Dabei muß man beachten, daß Bewußtsein und Kommunikation zwar jeweils als Semiose konzipiert werden können, dies aber selbst innerhalb des Theorierahmens nur 'theoretisch' geschehen kann, da sie in der strukturellen Kopplung 'unzertrennbar' sind, so daß strukturelle Kopplung die Semiose eigentlich vollzieht. Ein Kompromißvorschlag: Subjekte sind hierbei Projektionen der strukturellen Kopplung, die als finale Interpretanten aufscheinen. Subjekte sind somit zwar Interpretanten, aber nur in dem Maße semiotisch funktionalisiert, in dem sich auch Finalität funktionalisieren läßt. Es ist ein Horizont, zur Navigation unerläßlich, aber niemals erreichbar! Dr. Oliver Jahraus
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