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Literarisches Verstehen

Neuere Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung



  1. Anmerkungen zu forschungsgeschichtlichen Aspekten

    Entwicklungen in Linguistik und Psychologie
    Das psychologische Modell des Verstehens
    Top-down-Prozesse
    Bottom-up-Prozesse
    Die Rolle der Emotionen
    Zusammenfassende Thesen

  2. Literarisches Verstehen statt Verstehen von Literatur – Veränderungen in der literaturwissenschaftlichen Perspektive
  3. Neuere empirische Forschungsarbeiten
  4. Rückbezug


Auf einem Symposium im November 1986 in Tilburg[1] berichtete Michael Short von folgendem kleinen – quasi experimentellen – Versuch. In einem Seminar legte er zu verschiedenen Zeitpunkten zwei verschiedenen Studentengruppen folgenden Text vor:[2]

      EXECUTIONS AND COMMANDS
      THE COMMAND RUN

      Execution? No, it´s not the end but the beginning!
      Let’s get on and run our first program before we get tired of it!

      10 INPUT FIRST
      20 INPUT SECOND
      30 LET SUM = FIRST + SECOND
      40 PRINT SUM
      50 END

Im einen Fall sagte er, dass es sich um einen Auszug aus einem Textbuch zum Erlernen der Programmsprache BASIC handele, im anderen Fall, dass der Text einem Buch mit Gedichten entnommen sei. Die Studenten erhielten die Aufgabe, den Text Zeile für Zeile durchzulesen und zu sagen, was sie dazu dachten und wie sie dazu kamen, gerade dies zu denken, was sie dachten. Während die eine Gruppe darin übereinstimmte, dass der Text leicht verständlich dazu anleite, ein erstes Miniatur-Programm in BASIC zu schreiben, stimmten im anderen Fall die Studenten weder darin überein, dass der Text leicht verständlich sei, noch kamen sie zu einem einheitlichen Ergebnis darüber, was er bedeute. Short berichtete, dass sich nach kurzer Zeit einige dominierende Les- und Verständnisarten in dieser Gruppe durchsetzten: den meisten Studenten schien der Text dann sinnvoll zu sein, wenn sie die Strategie verfolgten, ihn als eine Art Parabel auf das Szenario eines dritten Weltkrieges – »EXECUTIONS AND COMMANDS« – zu deuten.

         Dabei erzielte vor allem die als ironisch verstandene Vorbemerkung – »Execution? ... before we get tired of it!« – hohen interpretativen Wert. »INPUT FIRST«, »INPUT SECOND« wurden als Erster und Zweiter Weltkrieg aufgeschlüsselt, die Zeile »LET SUM = FIRST + SECOND« als Hinweis darauf, dass ein dritter Weltkrieg mindestens so schrecklich werde wie die beiden ersten zusammen, und deshalb »PRINT SUM« notwendig zum »END« führe. Besondere Beachtung fanden in diesem Zusammenhang die Zeilenindices von 10–50, die nämlich offenbar betonten, wie unausweichlich diese Entwicklung sei, die quasi wie ein einmal in Gang gesetztes Computerprogramm automatisch ablaufe. Gegen diesen tiefen Pessimismus wurde dann allerdings die Ambivalenz der kurzen Vorbemerkung gesetzt, die vor allem die Polysemie von »execution« benutzte, um einen – als typisch englisch verstandenen – sarkastischen Optimismus als eigentliche Aussage des Textes zu entdecken: dass nämlich ein Dritter Weltkrieg nur als Ende des »first program« der Menschheitsgeschichte zu verstehen sei: die Anlehnung an das Motiv des »Phönix aus der Asche« sei hier deutlich genug. Eine konkurrierende Interpretationsstrategie war z.B., den Text als Parabel auf die Evolution zu verstehen, auf den Beginn mit mythologischen Figuren (ADAM = 1 + EVA = 2) und ihr kaltes Ende in einer automatisierten Welt, die sich selbst exekutiert.

Dieses Beispiel erinnert an Stanley Fish und seine Überlegungen und Beobachtungen zur Autorität interpretierender Gemeinschaften[3] und daran, dass doch solche Beispiele des naiven literarischen Verstehens von gewöhnlich als nichtliterarisch eingeschätzten Texten recht schwer zu bewerten sind.[4] Und es erinnert daran, dass über solche Beispiele auch schon viel diskutiert wurde und dass man sie häufig als beliebig, trivial oder willkürlich abgetan hat.[5]

   Ist denn – so lauten kritische Fragen – ein solcher isolierter und durch veränderte ›Kontextualisierung‹ provozierter Verstehensvorgang vergleichbar der lebensweltlich eingebundenen literarischen Lektüre, wie sie etwa Wolfgang Martens im letzten Euphorion-Heft beschrieben hat?[6] Oder kann man wirklich mit Gründen sagen, dass die gruppendynamischen Prozesse, die hier zu dominierenden Lesarten geführt haben, auf gesellschaftlicher Ebene jenen entsprechen, die in institutioneller Literaturkritik zu kanonisierten Ansichten über literarische Werke führen?[7] Oder ist es überhaupt von Bedeutung für den literarischen Diskurs, in den wir uns bei der Lektüre eines Romans einlassen,[8] was in einem Täuschungsversuch mit einem so kurzen Text sich zeigen kann? Oder zeigt sich hier, dass im Kunst- und Literatursystem heute – nach konkreter Poesie und poème trouvé – das bloße Abgerücktsein vom alltäglichen Verwendungszusammenhang einem Text schon so viel ästhetische Distanz verschafft, dass er legitim literarisch interpretierbar wird?[9]

   Diese Fragen nach der theoretischen Adäquatheit, nach der Relevanz, nach der Empirizität und ökologischen Validität des Beispiels sollen später wieder aufgenommen werden. Zuerst aber erleichtert das Beispiel zu erläutern, was hier gemeint ist, wenn von literarischem Verstehen und seiner empirischen Erforschung gesprochen wird. Schließlich ist das Thema ›Verstehen‹ von Literatur in der Literaturwissenschaft nicht neu, und auch das Verstehen des Verstehens hat seine lange – hermeneutische – Forschungstradition.[10]

Mit der Akzentuierung literarisches Verstehen wird hier gegenüber dieser Tradition eine Verschiebung der Fragestellung betont: literarisches Verstehen wird als kognitiver Prozess begriffen, der sich durch kennzeichnende Merkmale von anderen Textverstehensprozessen unterscheidet. Die Bestimmung ›literarisch‹ vs. ›nichtliterarisch‹ wird damit zu einer Frage nach der Qualität des Verstehensprozesses und nicht – jedenfalls nicht in erster Linie oder gar ausschließlich – zu einer nach der Qualität von Texten.

   In aller Kürze soll zunächst der historische Kontext verdeutlicht werden (1), in dem Wissenschaftler die Überzeugung gewonnen haben, dass solche Experimente wie das oben geschilderte sinnvoll und begründbar, ja sogar produktiv zur Entwicklung präziserer Forschungsfragen sind. Ohne ein solches Vorwissen können in der Tat solche Textverstehens-Experimente den Anschein der Trivialität nicht loswerden. In einem weiteren Schritt wird skizziert, was wir gegenwärtig über den Verstehensprozess von (literarischen) Texten zu wissen glauben (und was noch nicht) (2). Schließlich werden einige neuere empirisch orientierte Forschungsarbeiten zum literarischen Verstehen vorgestellt und kritisch eingeordnet (3), so dass »EXECUTIONS AND COMMANDS« – das Eingangsbeispiel – vielleicht besser (oder: überhaupt) als bedeutsam für die neuere Literaturwissenschaft akzeptiert werden kann (4).


1. Anmerkungen zu forschungsgeschichtlichen Aspekten

Wenn das Verstehen von Literatur zum Gegenstand empirischer Forschung gemacht wird, müssen einige theoretische und methodologische Vorentscheidungen getroffen werden.[11] Darüber zumindest: in welchem theoretischen Zusammenhang was aufgrund welcher Methoden beobachtet, erklärt und womöglich verändert werden soll.[12] Diese Vorentscheidungen, die als generelle Annahmen einem (solchen) Textverstehensexperiment (wie dem oben geschilderten) zugrunde liegen und es erst verständlich und sinnvoll machen, sind seit etwa Mitte der sechziger Jahre in unterschiedlichen Disziplinen entwickelt worden, die sich mit der Untersuchung von Sprache und von Literatur befassen, vor allem in der Linguistik, in der Psychologie und in der neueren Literaturwissenschaft selbst.


Entwicklungen in Linguistik und Psychologie

Die Linguistik als Theorie der Sprache ist darauf gerichtet, Sprache abstrakt zu beschreiben, um typische, allgemeine und wiederholbare Strukturen herauszufinden, sie sieht sich aber zugleich vor dem Problem, dass Sprache als empirisches Ereignis nur stattfindet in natürlichen Kontexten und dass dort ihre systematisch beschreibbaren Elemente und Strukturen Funktionen für menschliche Kommunikationen haben.[13] Seit Bühlers sprachpsychologischen Arbeiten ist dieses Problem für alle Beschäftigung mit Sprache fundamental.[14] Nach der linguistischen Revolution durch Chomsky, durch die Fähigkeiten und das Wissen der mit Sprache umgehenden Subjekte zum Hauptgegenstand der Linguistik wurde,[15] ist das Problem in den siebziger Jahren zunehmend dahin aufgelöst worden, dass die Linguistik sich von der Text- zur Diskurswissenschaft entwickelte und spezielle Probleme des Kontextes, nämlich die psychischen, sozialpsychischen und situativen Bedingungen des mit Sprache handelnden Subjekts, als Psycholinguistik ausdifferenzierte. Sie steht seitdem vor dem Problem, welche kontextuellen Bedingungen sie theoretisch und empirisch als ›bedeutungsrelevant‹ für sprachliches Handeln akzeptieren soll.

   Im Sinne der in der Psycholinguistik weithin geteilten Auffassung Hans Hörmanns - »Die Sprache bildet zusammen mit den Tätigkeiten, in die sie verwoben ist, ein Ganzes: das Sprachspiel, das Sprecher, Hörer und Situation umfasst,«[16] – ist bei der empirischen Erforschung dieses Sprachspiels herausgearbeitet worden, dass bei sprachlichen Verstehensprozessen methodisch immer eine vierfaktorielle Untersuchung angestrebt werden muss, wenn das interaktive »Sprachspiel«-Paradigma empirisch ausgefüllt werden soll: Textmerkmale, Lesermerkmale, Merkmale der Verstehens- und der Äußerungssituation.[17] Wenn nämlich Verstehen ein Denkprozess ist, bei dem Merkmale des Textes aufgrund entsprechender Strategien des Lesers ›verstanden‹ werden, dann kann dieser intern stattfindende kognitive Vorgang nicht direkt beobachtet werden. Der ›Königsweg‹ der Forschung ist angesichts dieses Problems – natürlich – die Beobachtung von sprachlichen Äußerungen, seien sie nun mündlich oder schriftlich, die mit diesem Denkprozess direkt zusammenhängen.[18] Ohne Zweifel muss dann aber methodisch berücksichtigt werden, dass zur Organisation einer solchen Äußerung vom ›Verstehenden‹ – zum Teil automatisierte – gedankliche Prozesse des Planens begonnen werden müssen, die die ›eigentlichen‹ (und eigentlich interessierenden) kognitiven Prozesse des Textverstehens überlagern. Die angemessene empirische Forschung der bedeutungsrelevanten Kontexte der Sprachverwendung steht seitdem auch vor der bias, entweder ungeheuer aufwendige Designs zu entwickeln oder Validitätseinschränkungen ihrer Ergebnisse in Kauf nehmen zu müssen.[19] Ungeachtet dieser Probleme hat die skizzierte Entwicklung in der Linguistik zu der Mehrheitsminderung geführt, dass jedenfalls die ›Bedeutung‹ von Texten nicht mehr erforscht werden kann durch linguistische Strukturanalyse des sprachlichen Materials, sondern durch die Analyse der Handlungssituation, in der ein sprachlicher Text für den (Schreibenden wie den) Lesenden ›Bedeutung‹ gewinnt. Da das Verstehen von Texten allemal im Kern ein semantisches Problem ist, hat die Linguistik den Blick der Textverstehensforschung auf Prozesse, auf Subjekte und auf Kontexte gelenkt und zugleich weg von einer Bedeutungsgeneration durch linguistische Strukturbeschreibungen.

   Diese Entwicklung in der Linguistik konvergierte in wichtigen Punkten mit jener in der dominierenden US-amerikanischen Psychologie,[20] die − in zunehmender Distanzierung von stimulus-response-Modellen – schon seit Beginn der fünfziger Jahre unter dem Begriff »Psycholinguistik« versuchte,[21] Probleme der sprachlichen Verständigung mit Hilfe der Informationstheorie aus behavioristischen Beschränkungen herauszuführen.[22]

   Von ähnlicher Bedeutung wie die Arbeiten von Chomsky in der Linguistik wurde dabei für die Psychologie die verhaltenstheoretische Arbeit von Miller, Galanter und Pribram Strategien des Handelns.[23] Mit der antibehavioristischen Idee, dass menschliches Verhalten nicht durch äußere Stimuli, sondern vielmehr durch innere Pläne und Handlungsschemata organisiert wird, war der Weg frei für die Untersuchung der gesamtem »cognitive map« und ihres Einflusses auf das Verstehen von Sprache. Danach konnte Sprache nicht mehr der determinierende Faktor des Sprachverstehens sein, sondern nur noch die auslösende – und durch ihre Struktur allerdings auch steuernde[24] – Funktion beim Verstehen übernehmen. Das Kriterium des erfolgreichen Verstehens wurde entsprechend von ›äußeren‹ Handlungen (etwa dem adäquaten Dekodieren sprachlicher Daten) weg verlegt nach innen: maßgebend war jetzt die aktive konstruktive Leistung des verstehenden Subjekts, eine sprachliche Äußerung, einen Text, in einen sinnvollen (und das heißt: bedeutungsvollen) Zusammenhang stellen zu können.

   Vielfache empirische Bestätigung fand diese Auffassung besonders durch Ergebnisse der Arbeitsgruppen um G. A. Miller und J. D. Bransford.[25] Für alle seitdem entwickelten psychologischen Modelle des Verstehens[26] gilt als Grundannahme, was man mit Norbert Groeben als »kognitiven Konstruktivismus« bezeichnen kann, d.h. Interaktion zwischen Textverständnis (Subjekt) und Textverständlichkeit (Text).[27]


Das psychologische Modell des Verstehens

Das Modell des Verstehens, das einem solchen kognitiv-konstruktiven Ansatz entspricht, ist das der Interaktion. Interaktion wird hier nicht im Sinne der Max Weberschen Definition der sozialen Interaktion benutzt, vielmehr meint Interaktion die wechselseitige Beeinflussung all jener Elemente des Verstehensprozesses, die das Subjekt als bedeutsam berücksichtigt, die also zur subjektiven Theorie des verstehenden Subjekts über den Verstehensprozess gehören.[28]

   Aufseiten des Lesers sind in diesem Sinne bei der Interaktion mindestens sein Wissen, seine Ziele, seine Wünsche und Interessen von Bedeutung,[29] aufseiten des Textes dessen »instruktive« materiale (graphematische, syntaktische) Struktur.[30] Verstehen erscheint vom Subjekt her so als zweiseitiger, interaktiver Verarbeitungsprozess, bei dem Zielorientierung und Wissen aktiv eingesetzt werden, um den Textmerkmalen Sinn zu verleihen (top–down, absteigender Prozess); es erscheint andererseits aber auch als gesteuert durch die materiale sprachliche Struktur der Textdaten (bottom–up, aufsteigender Prozess).

   Um die eine Bewegung vom Leser zum Text modellieren zu können, hat die Textverstehens-Forschung unterschiedliche Vorstellungen einerseits zur Organisation des semantischen Gedächtnisses entwickelt, in dem ja das Wissen repräsentiert sein muss, um vom Subjekt im Verstehensprozess aktiviert zu werden.[31] Um die Textdaten und ihren Einfluss auf den Verstehensprozess untersuchen zu können, ist andererseits der Gedanke der propositionalen Struktur von Texten bedeutsam geworden.[32]


Top-down-Prozesse

Modelle des semantischen Gedächtnisses, d.h. des gespeicherten Wissens über die Welt, das ein Subjekt sich in Sozialisations- und Enkulturationsprozessen angeeignet hat, sind vor zwei Jahrzehnten besonders angeregt worden von der Artificial-Intelligence (AI)-Forschung und dem dort unternommenen Versuch, jene Wissens-Bedingungen zu spezifizieren, die ein Computerprogramm dazu befähigen können, Wörter, Sätze oder Texte zu ›verstehen‹.[33]

   Das Gedächtnis wurde nun – statt des linguistischen Lexikons – zum eigentlichen bedeutungsgenerierenden ›Kontext‹ von Sätzen,[34] Bedeutung wurde eine Funktion des Wissens. Mit unterschiedlichen Modellen versuchte man abzubilden, wie das Wissen im Gedächtnis aufbewahrt ist,[35] um genauer zu klären, wie der interaktive Ablauf des Verstehensprozesses zu denken ist. Von eigentlicher Bedeutung für das Verstehen von Texten, die Geschichten erzählen (story), wurden aber erst die Modelle, die konzipierten, wie Menschen solches Wissen organisieren, das ihnen erlaubt, Schlüsse zu ziehen und Erwartungen zu bilden; denn nur dann können Texte ja verstanden werden, weil Texte eben nicht eindeutige und vollständige Informationen ›enthalten‹ und weil Texte außerdem sequentiell strukturiert sind, also aus einer Abfolge von Zeichen bestehen, die in ihrem Zusammenhang immer erst mental zu konstruieren ist.

   Die Wissensorganisation, die Schlussfolgerungen ermöglicht und Erwartungen bilden kann, wird heute zumeist – in Anlehnung an eine frühe Studie von Bartlett – »Schema« genannt.[36] Bartlett ließ kurze Prosageschichten von Versuchspersonen aus der Erinnerung reproduzieren. Dabei zeigte sich, dass die Versuchspersonen um die erinnerten Daten herum mehr oder weniger ihre eigene Geschichte ›reproduzierten‹, von der ursprünglichen Story waren häufig nur noch grobe Umrisse erkennbar. Walter Kintsch hat diese Experimente so eingeschätzt:

   "Bartletts Versuchspersonen erzählten offenbar nicht das, was zu reproduzieren war, sondern vervollständigten die Geschichte so gut sie konnten aus der oft dürftigen Information, die sie behalten hatten."[37]

Aus solchen Beobachtungen wurde der Schluss gezogen, dass beim Lesen und Verstehen einer Geschichte grundsätzlich solche ›Vervollständigungen‹ vorgenommen werden. Das Wissen, das dazu benutzt wird, rührt allerdings nicht aus dem Text, sondern aus dem Subjekt.

   Schemata werden heute generell betrachtet als durch Erfahrung gebildete Auffassungen von erwartbaren Eigenschaften, Handlungen, Handlungsverläufen und Ereignissen in Situationen.[38] Sie erlauben deshalb bei der Textverarbeitung, Text-Lücken durch Ergänzungen zu überbrücken (Inferenzen) und Text-Strukturen durch vergleichende Vorerwartungen und kreative Erweiterungen (Elaborationen) sinnvoll zu verknüpfen.[39]

   Wie wir inzwischen durch viele empirische Untersuchungen – auch mit literarischen – Texten wissen,[40] gibt es solche Schemata auch für Geschichten, die sogenannten ›story schemata‹. Wir verstehen Geschichten dann am besten, wenn sie gewissen Konventionen, d.h. erwarteten Strukturen, entsprechend aufgebaut sind: wenn sie also die Situation, das Thema, den Handlungsverlauf und die Auflösung nacheinander erzählen.[41]

   Wir wissen heute auch, dass bei der erfolgreichen Anwendung von ›story schemata‹ auch Verstehens-Strategien des Subjekts eine bedeutende Rolle spielen. Dabei werden Strategien angesehen als Wissen, »wie-vorzugehen-ist«.[42] Solche Strategien führen – wie etwa die kanadischen Forscher Vipond und Hunt in mehreren Studien nachwiesen[43] – unser Schemawissen in Abhängigkeit von Bedürfnissen und Interessen zu je unterschiedlichen Leistungen bei der Konstruktion von Textbedeutungen. Oder – wie Graesser und seine Mitarbeiter plausibel machen konnten[44] – je nachdem, welche spezifischen zusätzlichen (d.h. textfernen) Wissensbestände mit ins Spiel gebracht werden, je nachdem fallen unsere semantischen Konstruktionen zu einem Text aus. Erst solche strategisch organisierten Schemaanwendungen können offenbar die prozessuale Dynamik in etwa wiedergeben, die den komplizierten Abläufen beim Textverstehen entspricht.[45]

   Die Überlegungen hinsichtlich der strategischen Variabilität und Dynamik der Schemata im konkreten Verstehensprozess sind so weit gegangen, dass es zu einer Unterscheidung von latenten und manifesten Schemata gekommen ist: Danach sind manifeste, im aktuellen Verstehensvorgang steuernde Schemata nicht einfach als abgerufene latente zu begreifen, sondern eher als im Verstehensvorgang selbst hergestellte anzusehen – unter Einschluss von situativen Wünschen, Zielen, Interessen und Absichten des Verstehenden.[46]

   Das Ergebnis des Textverarbeitungsprozesses ist schließlich die mentale Repräsentation des Textes in der semantischen Wissensstruktur des Subjekts. Diese mentale Repräsentation wird aktiv – unter Benutzung der verschiedenen kognitiven Kontexte (Ziele, Strategien, Schemata) – konstruiert. Entsprechend der generell beim sprachlichen Handeln unterstellten Sinnkonstanz-Annahme (H. Hörmann)[47] ist es die besondere Leistung des verstehenden Subjekts im top-down-Prozess, diese mentale Textrepräsentation kohärent zu machen.[48]


Bottom-up-Prozesse

Um verständlich zu machen, was der sogenannte bottom-up-Prozess ist, also die »von unten nach oben«, vom Text zum Leser verlaufende Orientierung, muss kurz erklärt werden, in welchem Verhältnis Sprache (Wörter, Sätze, Texte) zur semantischen Wissensstruktur steht, über die wir bisher im Wesentlichen gesprochen haben.

   »Dadurch«, sagt Johannes Engelkamp, »dass Sprache Prozesse in dieser Struktur auslösen und steuern kann, gewinnt sie ihre außerordentliche Bedeutung für unsere Orientierung in der Welt«.[49] Wie ist dieses »auslösen« und »steuern« zu denken, und damit auch: Wie werden die sprachlichen Daten modelliert, die in den »aufsteigenden« Prozess eingehen? Die gegenwärtig am weitesten akzeptierte Antwort auf diese Frage ist in der sogenannten Propositionsforschung erarbeitet worden.[50]

   In der Propositionsforschung wird davon ausgegangen, dass zentrale Einheiten des semantischen Gedächtnisses »Konzepte« und »Prädikate« sind, wobei »Prädikate« in der Lage sind, »Konzepte« zu definieren und zu modifizieren. Die Zuordnung eines Prädikats zu einem Konzept bildet eine Proposition. »Konzepte« sind in der Regel auf sprachlicher Ebene Substantive, Eigennamen und Pronomen, »Prädikate« Adjektive und Verben. Propositionen werden auf sprachlicher Ebene als Sätze dargestellt. Da Schemawissen als eine thematische Vernetzung von solchen »Konzepten« angesehen wird, findet Verstehen als kognitive Operation dann statt, wenn wir »konkrete Erfahrungen in der Realität mit Hilfe unseres generellen Schemawissens über den betreffenden Realitätsbereich durch die Konstruktion von Propositionen interpretieren«.[51] Sprachliche Schlüsselwörter, die als Konzepte im semantischen Gedächtnis hierarchisch gespeichert sind oder kreativ erschlossen werden können, lösen – vermittelt durch Wahrnehmungsprozesse – Erinnerungsvorgänge und kognitive Prozesse aus, die durch Schemata orientiert werden.

   Empirische Überprüfungen haben diese kognitionspsychologischen Grundannahmen häufig – im Kern – bestätigt,[52] ohne dass zugleich immer zureichend erklärt werden kann, wie genau (neuropsychologisch) der »Auslöseprozess« zustande kommt.[53]

   Beim Verstehen von Texten, bei dem die sprachlich abgebildeten Propositionen im Rahmen von schemaorientierten top-down-Prozessen analysiert werden, können nun aus Anlass des sprachlichen Materials mikrostrukturell

–    Inferenzen gebildet werden, d.h. Schlussfolgerungen über den thematischen Zusammenhang der in der Textoberfläche repräsentierten Propositionen;

–      Elaborationen gebildet werden, d.h. Schlussfolgerungen kreativer Art, die über die im Text gegebenen Propositionen zum Teil weit hinaus gehen – jedenfalls so weit gehen können, wie es mit der Kohärenz der vom Verstehenden generierten und benutzten Schemata vereinbart ist.

   Makrostrukturell hat besonders van Dijk Operationen des Selektierens und Reduzierens beschrieben, nämlich Auslassen, Generalisieren, Ersetzen,[54] die in Abhängigkeit von übergeordneten Superstrukturen (Schemata) strategisch eingesetzt werden, um zu einem mental kohärenten Modell des Textes zu gelangen.

   Es ist offensichtlich, dass durch solche Forschungen traditionell literaturwissenschaftliche Probleme als empirische Fragestellungen aufgenommen werden können. So hat Michael Kaiser darauf hingewiesen, dass mit Hilfe der schematheoretischen Ansätze die »Heroisierung der ›Kreativität‹ des Lesers auf Kosten seiner logisch-kognitiven Aktivität«, wie sie im Konkretisationsmodell Iserscher Prägung angelegt sei, kritisch relativiert werden könne.[55] Auch die Fragen nach einer »Adäquanz« von Text und Textkonkretisationen erweisen sich aus schematheoretischer Sicht als falsch gestellt: adäquat ist eine Konkretisation höchstens dann, wenn sie relativ zur sprachlichen Vorlage und zum benutzten Schema erschöpfend ist.[56] Dass hier nicht Willkür der verstehenden Subjekte gemeint ist, liegt daran, dass solche Schemata in der Regel in den zentralen Kernstücken sozial hochkonsensuell sind, sie also weder vom Subjekt unsinnig eingesetzt werden noch eine willkürliche Anwendung den Beifall anderer Leser findet. In diesem Sinne hat zum Beispiel S. J. Schmidt versucht, schematheoretische Überlegungen konstruktiv bei einer Neubestimmung und Erweiterung der gattungstheoretischen Fragestellung zu benutzen.[57]


Die Rolle der Emotionen

Erst in letzter Zeit ist den Kognitionspsychologen und Psycholinguisten zunehmend bewusst geworden,[58] dass mit der »kognitiven Wende« zu Beginn der siebziger Jahre die Forschung wichtige Aspekte menschlichen Handelns vernachlässigt hat: neben einer Wiederentdeckung des »Bewusstseins«[59] und der »Imagination«[60] betrifft dies vor allem den gesamten Komplex der Emotionen, Affekte und Gefühle,[61] einen Bereich also, der traditionellerweise beim Umgang mit Literatur als hochbedeutsam angesehen wird.[62]

   Zwar sind – wie H. Alfes neuerdings in einem Überblick erarbeitet hat[63] – Emotionen im Rahmen von Schematheorien durchaus integrierbar, etwa als verallgemeinerte emotionale Erfahrungen, die selbst wieder als Schema im Gedächtnis abgestützt sind. Die Funktion solcher »emotionalen« Schemata ist dabei zumeist regulierend, d.h. sie beeinflussen oder überlagern als evaluative Urteile (wie etwa im Handlungsmodell von Lantermann)[64] intellektuell rationale Schemata relativ zum emotionalen Haushalt des handelnden Subjekts. Ulich hat diese Entwicklung innerhalb einer »kognitivistisch« überzogenen Psychologie jedoch zu Recht kritisiert, weil Emotionen dann »nur noch die ›evaluativen‹ Anhängsel der Kognition« bilden.[65] Dagegen steht die psychologische Auffassung, dass Emotionen als besondere Form des direkten, unmittelbaren Erlebens und Steuerns von Handlungen anzusehen sind, die – quasi ohne Umweg über den kognitiven Apparat – menschliches Handeln von der Wahrnehmung bis zur komplexen Handlungsplanung und Urteilsbildung begleiten. Alle »Denkakte«, sagt deshalb Dörner, »sind eingebettet in Prozesse der allgemeinen Handlungsorganisation  und insbesondere in ein System emotionaler Begleitprozesse«.[66] Er schlägt vor, diesen blinden Fleck des kognitiven Paradigmas aufzulösen, in dem Emotionen verstanden werden als grundsätzlich dem Denken parallel laufende, das Denken durchdringende und beeinflussende Prozesse, in denen das handelnde Subjekt vor allem seine Kompetenz erlebt, die Handlungssituation erfolgreich (oder nicht) bestehen zu können. So tritt, wie Dörner bemerkt, problemlösendes Denken charakteristischerweise nur in Situationen des Kontrollverlustes auf – »Faktisch gibt es kein Denken ohne zumeist sogar recht starke emotionale Bewegungen«.[67] Dörner zieht daraus den Schluss, dass Emotionen im Kern die subjektive Erfahrung des Verlustes bzw. die Wiedergewinnung von Handlungskontrolle abbilden.

   "Wir sehen also den Zusammenhang zwischen Denkprozessen und Emotionen folgendermaßen: Denken, zumindest problemlösendes Denken, findet statt in Situationen, über die keine vollständige Kontrolle vorhanden ist. Dies bedeutet, je nach heuristischer Kompetenz (also der Einschätzung der eigenen Fähigkeit, durch Denken die Kontrolle wiederzugewinnen), eine mehr oder minder starke emotionale Belastung. Diese emotionale Belastung kann, wenn sie einen bestimmten Betrag überschreitet, zu Flucht-, Angriffs- oder Resignationstendenzen führen".[68]

Wenn Emotionen so in das Handeln integriert werden, dann ist es möglich, einen puren Kognitivismus, wie ihn Ulich der Forschung vorgeworfen hat,[69] abzuwenden, ohne zugleich nun in ein eher mystisches ›ganzheitliches‹ Geraune über die Gewalt der Emotionen zu verfallen. Denn hier ist Denken auf eine emotionale Einbettung ebenso angewiesen wie Emotionen auf den Verlauf von Denkprozessen.

   Zudem: Wenn Emotionen so mit Denken und Verstehensprozessen verbunden werden, ergibt sich für die Frage nach der Rolle von Emotionen beim literarischen Verstehen eine klare Forschungsperspektive, in der die konkrete Lebenswelt des lesenden und verstehenden Subjekts mit inhaltlich-thematischen Aspekten des Textes (etwa: die Schilderung von Macht, Herrschaft, Zwang) ebenso zusammengebracht werden kann wie mit solchen der eher formalen Organisationsstruktur des Textes (etwa: Allmachtsperspektive des Erzählers).[70] Die Lust am Lesen rührt ja häufig gerade daher, dass Leser sich einen emotional zufriedenstellenden Spannungszustand wünschen, einen Zustand, der ihnen erlaubt, beim Lesen und literarischen Verstehen »Denken als Probehandeln« – wie schon Freud vorschlug – auszukosten und gleichzeitig nicht auf jene emotionalen Erregungen zu verzichten, wie es z.B. ein distanzierendes »wissenschaftliches« Probehandeln (als Prototyp intellektuell-rationalen Handelns) verlangt.


Zusammenfassende Thesen

Als Annahmen akzeptiert oder/und empirisch bestätigt können die folgenden Punkte den gegenwärtigen Stand der Textverstehensforschung zusammenfassend grob kennzeichnen:

(1)         Textverstehen ist Textverarbeitung im Sinne eines informationsverarbeitenden Prozesses.

(2)         Textverarbeitung ist auf der Subjektseite durch Wissen und Ziele bestimmt. Das Wissen schließt sprachliches Wissen, Wissen über Geschichtenstrukturen und -inhalte ebenso ein wie Wissen über Ereignisse, Handlungsfolgen und situative Merkmale. Die Ziele sind abhängig von übergreifenden Absichten der Subjekte und von der Situation, in der sie handeln.

(3)         Textverarbeitung ist auf der Subjektseite eine aktive, kreative, emotive und zielorientierte Herstellung einer sinnhaften Textrepräsentation in der semantischen Wissensstruktur des Verstehenden.

(4)         Textverarbeitung ist auf der Textseite bestimmt durch den Anforderungscharakter des sprachlichen Materials, das über seine propositionale Struktur als Textdatum vom Subjekt wahrgenommen, bewertet und als kognitives Datum in der Wissensstruktur repräsentiert wird.

(5)         Textverarbeitung ist ein interaktiver Prozess, bei dem top-down- und bottom-up-Strategien daran beteiligt sind, Bedeutung zu erzeugen und Verstehen als Erweiterung oder Veränderung der subjektiven semantischen Wissensstruktur zu ermöglichen.

(6)         Textverarbeitung ist abhängig von konzeptgeleiteten Strategien des Verstehenden, die in individuellen Sozialisationsgeschichten erworben wurden. Dadurch sind Textverarbeitungsprozesse zurückgebunden an soziale Gemeinschaften.

(7)         Textverarbeitung ist in emotionale Prozesse eingebettet, die dem Handeln integriert sind als Versuch, den Verstehensvorgang (hinsichtlich der Situation, des Textes, der eigenen Fähigkeiten und Gefühle) zu kontrollieren. Emotionale Prozesse beeinflussen kognitive Operationen auf allen Ebenen bis hin zu Strategien und Zielfestlegungen. Sie binden Textverarbeitungsprozesse zurück an subjektive Erlebnisweisen.

(8)         Textverarbeitung erfolgt in konkreten übergreifenden Handlungssituationen, die das verstehende Subjekt als Moment der Situationseinschätzung und als permanente Rückorientierung in den Textverarbeitungsvorgang einbringt.[71]

   Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die schematheoretischen Erklärungen zum Textverstehen im Laufe ihrer Entwicklung nicht unkritisiert geblieben sind: Es wird ihnen vorgeworfen, dass sie nur zu ex-post-Erklärungen tauglich sind,[72] dass sie weder nach »quantity«, nach »specificity« noch nach ihrem »orign« und »development« hinreichend definiert seien,[73] dass sie wegen ihrer Ungenauigkeit alles erklären können und deshalb eine gefährliche façon de parler sind,[74] dass sie die Forschung zu sehr auf die Analyse der Wissensstrukturen konzentriert haben und dadurch die Analyse von bottom-up-Prozessen vernachlässigt wurde,[75] dass sie sich nur zur Analyse hochkonventionalisierter Textverarbeitungsprozesse eignen[76] und dass sie schließlich nur eine halbe kognitive Wende der Forschung erlauben.[77]

   Unabhängig von diesen häufig (zumindest teilweise) zutreffenden Kritikpunkten haben sich doch die oben thesenhaft zusammengestellten Grundannahmen und bisherigen Perspektiven als außerordentlich fruchtbar erwiesen, um Probleme des literarischen Verstehens von Texten systematisch zu behandeln. Worin diese Probleme im Einzelnen liegen, wie sie zu verorten sind und gegebenenfalls zu lösen, soll im Folgenden etwas verdeutlicht werden.


2. Literarisches Verstehen statt Verstehen von Literatur – Veränderungen in der literaturwissenschaftlichen Perspektive

Im Folgenden wird zuerst skizziert, wie die Strömungen aus Linguistik und Psychologie in der gegenwärtigen Literaturwissenschaft ihren Niederschlag gefunden haben. Sodann werden einige der hier entwickelten Fragen zum literarischen Verstehen benannt. Abschließend wird kritisch vermerkt, wie in einer Reihe neuer und neuester Arbeiten diese Fragen gestellt und wie sie beantwortet werden. Dabei sind besonders solche Arbeiten berücksichtigt, die ausdrücklich einen theoretischen Rahmen aufspannen, der dem hier dargestellten zumindest nahe kommt, die also im weitesten Sinne im Rahmen des interaktionistischen Paradigmas der Textverarbeitung bleiben.

   Mit Ingarden war vor dem Zweiten Weltkrieg in der Literaturwissenschaft für die ältere Verstehensforschung »Höhepunkt und Abschluss«[78] erreicht. Mit der Theorie der Konkretisation und der Annahme von (sprachlich und produktionsbestimmten) Unbestimmtheitsstellen des literarischen Textes, die vom Leser geschlossen werden müssen, war für die literaturwissenschaftliche Diskussion des Verstehens von literarischen Texten ein Weg eröffnet, den – nach der rezeptionsästhetischen Wende der sechziger Jahre – mit neuer Betonung der aktiven Rolle des Lesers Iser[79] und andere wieder aufnahmen. Zusammen mit der seit Gadamers Hauptwerk allseits bewussten subjektiven Standortgebundenheit des Verstehens,[80] vermittelt mit den evolutiven Annahmen des tschechischen Strukturalismus[81] und anderen Einflüssen aus der zeitgenössischen Philosophie ergab sich ein starker Impuls zur neuen rezeptionsästhetischen Konzeption einer Erforschung des Verstehens von Literatur. Dieser Impuls regte aber – wenn ich recht sehe – in der Hauptsache Forschungen an, die den »Leser im Text«, den »impliziten Leser«, den »fiktiven Leser« u.a.m. als Strukturbedingungen des Textes untersuchten. Damit blieb, unabhängig von der Wichtigkeit und subjektiven Erklärungslogik vieler Ergebnisse, die Dominanz des Textes für den Prozess des Verstehens von Literatur bestehen, und zwar mehr oder weniger so, wie sie schon bei Ingarden gegeben war. Diese rezeptionsästhetisch orientierte Forschungsrichtung in der neueren Literaturwissenschaft war deshalb kaum oder gar nicht in der Lage und bereit,[82] die Erforschung der Leserrolle empirisch und interdisziplinär, unter Einschluss der »konstruktiven« Bewegungen in Linguistik und Psychologie, aufzunehmen.

   Dagegen erarbeitete eine empirische Rezeptionsforschung[83] und schließlich die sogenannte »empirische Literaturwissenschaft«[84] empirische und theoretische Voraussetzungen, nach denen das Verstehen von Literatur nicht mehr vom Text (oder eben: entsprechenden essentialistischen Auffassungen über den Text und seine bedeutungsgenerierende Kraft) dominiert ist.

   In der Empirischen Literaturwissenschaft[85] steht statt dessen die – ausdrücklich unter Einschluss psycholinguistischer und kognitionspsychologischer Forschungen erarbeitete – Vermutung, dass über das Verstehen von Literatur nur in einem theoretischen Rahmen wissenschaftlich angemessen etwas ausgesagt werden kann, der Verstehen als Handlung von Subjekten erklärt. Diese Handlungen erhalten ihre literarische Spezifik durch Konventionen, d.h. durch erlernte und akzeptierte (sozial tradierte) ›Erwartungserwartungen‹, die produktives und rezeptives Umgehen mit Texten überlagern. Solche Konventionen sind in der Sprache der Textverstehensforschung als Strategien anzusehen, die ›normale‹ schemaorientierte top-down-Prozesse steuern und modifizieren.[86]

   Ein Text wird demnach von einem Leser dann literarisch angemessen verstanden, wenn dieser mit einem Höchstmaß an subjektiver Befriedigung die in seiner gesellschaftlichen Gruppe geltenden literarischen Konventionen bei der Konstruktion der mentalen Textpräsentation befolgt. Solche Konventionen müssen – so die hypothetische Annahme – als mentale Orientierungen und Strategien (vor allem) das Handeln des Autors und des Lesers durchdringen; denn Produktion und Rezeption sind die basalen Hand­lungs­rollen des literarischen Handlungssystems. Beim Autor beeinflussen sie die gesamte, dadurch als literarisch intendierte Produktion des Textes. Beim Leser sind sie maßgebend (dominant) für seine Entscheidung, einen Text literarisch zu rezipieren.

   Die sogenannte Ästhetik-Konvention besagt, dass derjenige, der literarisch produktiv oder rezeptiv handelt, seine (sprachlichen/kognitiven) Handlungen nicht primär nach Kriterien wie wahr/falsch oder nützlich/nutzlos ausrichtet, sondern sie solchen Bewertungen unterzieht, die er – entsprechend seiner ansozialisierten Autor- oder Leserpoetik – für literarisch relevant hält. Diese Annahme einer Dominanz konnte hinsichtlich der literarischen Funktion und Auswirkung der Ästhetik-Konvention bei zeitgenössischen Lesern von Literatur empirisch plausibilisiert werden.[87]

   Die sogenannte Polyvalenz-Konvention besagt, dass derjenige, der literarisch einen Text verarbeitet, dies so tun darf, wie es im Hinblick auf seine Bedürfnisse, Fähigkeiten, Motivationen und Intentionen am erfolgreichsten und befriedigendsten ist. Für diese Annahme liegen derzeit noch keine empirischen Untersuchungen vor, die ihre psychologische Relevanz, d.h. ihre tatsächliche Wirkung auf den kognitiven Aufbau des Verstehensprozesses genauer differenzieren oder bestätigen,[88] aber zahlreiche (historische) Rekonstruktionen von literarischen Verstehensprozessen legen ihre Geltung ebenso nahe wie Analysen zeitgenössischer Anleitungen zur literarischen Sozialisation bei Kindern.[89]

Ihrer theoretischen Logik nach müssen die Ästhetik-Konvention (und bedingt auch die Polyvalenz-Konvention)[90] als eine Art Leerstelle betrachtet werden. Ihre jeweilige historische Füllung kann und muss dann als eine empirische Frage behandelt werden – nicht nur für den einzelnen Lese- und Verstehensprozess, sondern auch für die tatsächlich normative Aus­differenzierung unterschiedlicher literarischer Handlungssysteme in unterschiedlichen Ge­sell­schaften zu unter­schied­lichen Zeiten.[91]

   Literarisches Verstehen wird in diesem handlungstheoretischen Konzept der Literaturwissenschaft realisiert in der Handlungsrolle Rezeption. Dabei wird – wie generell in der Textverstehensforschung – angenommen, dass ein Leser über einer materialen Textbasis (graphematische, syntaktische Struktur des Textes) eine mentale Repräsentation herstellt (konstruiert), das Kommunikat. Das Kommunikat ist eine literarisch sinnvolle Repräsentation der materialen Kommunikatbasis in der Wissensstruktur des Rezipienten, d.h. erst das Kommunikat hat eine kohärente literarische ›Bedeutung‹ für den Leser. Und das heißt auch: Jeder Leser verfügt zuerst nur über sein Kommunikat (seine mentale Repräsentation der Textbasis) bei allen weiteren Verarbeitungsprozessen. Wenn also literarische Verstehensprozesse untersucht werden, dann muss sich die Aufmerksamkeit darauf richten, wie ein Leser (oder eine Gruppe von Lesern), warum, unter welchen Bedingungen und mit welchem Erfolg ein Kommunikat zu einem Text bildet.

   Mit der Unterscheidung von Rezeption und Verarbeitung durch Schmidt im Grundriss der empirischen Literaturwissenschaft [92] ist die heute in der Kognitionspsychologie anerkannte Meinung vorweggenommen, dass grundsätzlich zwischen der eigentlichen Verstehenssituation (als Rezeption) und einer (wie auch immer gearteten) Äußerungssituation (als Verarbeitung)[93] unterschieden werden müsse.[94]

   Ich pointiere: Innerhalb der gegenwärtigen Strömungen in der Literaturwissenschaft scheint nur die unter dem Begriff »Empirische Literaturwissenschaft« entwickelte und vertretene handlungstheoretische Konzeption sich der Aufgabe systematisch zu öffnen, das literarische Verstehen interdisziplinär und im Rahmen einer empirischen Theorie zu erforschen. Die der Konzeption zugrunde liegenden kommunikationstheoretischen und kognitionspsychologischen Grundannahmen können deshalb weiter ausgearbeitet und im Anschluss an neue Ergebnisse der Textverstehensforschung für die empirische Erforschung des literarischen Verstehens präzisiert werden.

   Besondere Bedeutung erlangt dann vor dem Hintergrund der oben skizzierten gegenwärtigen Forschungslage in der allgemeinen Textverarbeitungsforschung und der empirischen Literaturwissenschaft die Behandlung folgender offener Fragen – wobei die Liste keineswegs systematische Vollständigkeit anstrebt.

   Wenn wir also davon ausgehen, dass literarische Verstehensprozesse dadurch notwendig und hinreichend charakterisiert sind, dass sie empirisch beschreibbar sind als Textverarbeitungen unter prozessualer, situativer, kontextueller oder evaluativer Dominanz der literarischen Konventionen, dann schließen die folgenden Fragen – nach unterschiedlichen Bezugspunkten – an diese Voraussetzung an.


(1)   Textorientiert:

Wenn Textverstehensprozesse informationsverarbeitende Prozesse sind, gibt es dann textspezifische Reizinformationen (bottom-up), die besonders dazu führen, dass der Verstehensprozess eine literarische Wende nimmt? Und wenn ja, aufgrund welcher literarischen (ansozialisierten, deshalb immer historisch relativen) Schemata (Konzeptverknüpfungen) und welcher literarischer Verstehensstrategien werden diese textspezifischen Reizinformationen im Verstehensprozess mental repräsentiert?


(2)      Situationsorientiert:

Wenn Textverstehensprozesse informationsverarbeitende Prozesse sind, gibt es dann spezifische situative Kontexte der Textverarbeitung, die eher zu literarischen Verstehensprozessen führen als andere? Welche Kontexte sind das und stehen sie z.B. in korrelativem Zusammenhang mit allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen des Verstehenden, mit Einstellungen, Weltkonzepten oder mit spezialisiertem Vorwissen, mit institutionellen Zwängen? Wie interagieren solche situativen Kontexte mit der Konstruktion der mentalen Textrepräsentation? Gibt es Grenzwerte oder nur offene Übergangszonen zwischen literarischen und nicht-literarischen Kontexten der Situation?


(3)      Prozessorientiert:

Wenn Textverstehensprozesse informationsverarbeitende Prozesse sind, welche und wie viele Schemata können dann zum literarischen Verstehen eines Textes führen? Wie muss man sich die interne Verknüpfung von literarischen Schemata (wie z.B. Gattungen) erklären? Aufgrund welcher Strategien werden »normale« Schemata mit »literarischen« verknüpft? Welche Bedeutung haben bei literarisch induzierten Verstehensprozessen inferentielle und elaborative Verarbeitungen? Durch welche »Schlüsselkonzepte« werden literarische Schemata aufgerufen? Sind die literarischen Konventionen als Schemata oder als Strategien wirksam? Oder beides? Welche Rolle spielen emotionale Vorgänge bei Textverarbeitungen und stehen sie in einem fördernden oder blockierenden Zusammenhang mit literarischem Verstehen? Steuern emotionale Prozesse Aufmerksamkeit? Wie detailliert muss jeweils der Verarbeitungsprozess angesetzt werden, bestimmen eher mikro- oder eher makrostrukturelle Elemente den Verlauf? Ist der jeweilige Auflösungsgrad der Textverarbeitung bei allen Textsorten gleich?


(4)      Kontextorientiert:

Welche Relationen gibt es zwischen den Äußerungen zu eigenen literarischen Verstehensprozessen und diesen selbst? Welche »äußerungsspezifischen Kontexte« müssen als vom literarischen Verarbeitungsprozess abhängige, welche als unabhängige Variablen begriffen werden? Kann es sein, dass Äußerungssituationen, lediglich weil sie beobachtbar und sozial kontrollierbar sind, zur literarischen Attribuierung eines Verstehensprozesses genutzt werden? Welche Äußerungen – Zusammenfassungen, Lautes-Denken, Protokolle, Interpretationen, explication de texte, emotionale Erregungen, elektrogalvanischer Hautwiderstand – sollen als Indikatoren für den Verstehensprozess akzeptiert werden? Spricht emotionale Betroffenheit (als subjektives ›Faktum‹) eher für oder gegen eine literarische »Kontextualisierung«?


(5)      Ergebnisorientiert:

Wenn Textverstehensprozesse informationsverarbeitende Prozesse sind, welche Möglichkeiten der Intersubjektivität von literarischem Verstehen als Prozess und Ergebnis – gibt es? Welches sind die Grenzen für subjektive Willkür bei der Konstruktion einer literarischen Repräsentation eines Textes? Ist literarisches und nicht-literarisches Verstehen im Prozess oder im Ergebnis zu unterscheiden? Oder gibt es auf beiden Ebenen Anlässe für parallele kognitive Operationen?


(6)      Subjektorientiert:

Wenn Textverstehensprozesse informationsverarbeitende Prozesse sind, welche Sozialisationsprozesse führen dann zu welchen Verarbeitungskompetenzen? Muss man literarisches Textverstehen relativ zu Subjekten bestimmen oder relativ zu sprachlich-kulturellen Gruppen und Gesellschaften? Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, subjektive Theorien oder gesellschaftliche Stereotype, die literarische Verstehensprozesse erleichtern, verhindern, modifizieren? Welche Wissensstrukturen des Subjekts werden durch literarische Verstehensprozesse verändert, erweitert, neu geschaffen? Nehmen Subjekte Texte holistisch wahr? Und wie aktivieren sie dann spontan textunabhängiges Wissen? Wie ›entstehen‹ wirksame literarische Schemata und Strategien bei Subjekten, welche Rolle kommt dabei emotionalen Zuständen zu?


3. Neuere empirische Forschungsarbeiten

Einige Arbeiten widmen sich ausführlich dem eher textorientierten Problemkreis, der in der ontologisierenden Textauffassung der traditionellen Literaturwissenschaft ebenso wie in der auf Jakobsons Theorie der poetischen Sprache[95] zurückgehenden linguistischen Strukturanalyse literarischer Texte seine Quellen hat. Sie gehen der Frage nach: Gibt es textspezifische Organisationsformen und sprachliche Indices, die immer – d.h. unabhängig von den Eigenschaften und Merkmalen der Situation und der Persönlichkeit der Subjekte – literarische Lese- und Verstehensprozesse initiieren?

   Ich stelle einige Studien vor, die sich besonders dieser Forschungsfrage zuwenden. Damit soll hier nicht gesagt sein, dass sie ausschließlich und nur diese Forschungsfrage behandeln. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie lockeren Anschluss an den interaktionistischen Ansatz suchen und seine Konsequenzen für ihre Forschung erst ex post erkannt oder präzisiert werden. Darin aber haben sie ihren forschungsgeschichtlichen Wert.

   Hartmut Heuermann, Peter Hühn und Brigitte Röttger haben 1982 eine groß angelegte und beispielhafte Studie veröffentlicht, deren Titel signalisiert, dass sie innerhalb des interaktiven Paradigmas des Textverstehens angesiedelt ist: Werkstruktur und Rezeptionsverhalten.[96] Sie untersuchen anhand von Rezeptionsprotokollen von 1498 Schülern, ob es eine Variation der Rezeption bei strukturell relativ eindeutigen literarischen Einzeltexten gibt und wie groß sie ist. Ihre Arbeit ist heuristisch darauf gerichtet, auftretende Variationen durch unterschiedliche Leserdispositionen zu erklären. Um dieses Forschungsprogramm einzulösen, untersuchen sie Merkmale auf drei Dimensionen des interaktiven Prozesses: Merkmale des Textes, der Leser, und der schülerspezifischen literarischen Rezeptionsweisen. Die Texte – von Schiller, Musil, Horváth, Wohmann, Daiber und Artmann – werden anhand des Lotmannschen Beschreibungskonzepts[97] so als Messpunkt »fixiert«, dass relativ zu den textsemantischen Repräsentationen, die dieses Konzept erlaubt, die Rezeptionsprotokolle der Schüler als adäquat (kompetent) oder abweichend (weniger oder nicht kompetent) beschrieben werden können.[98] Die experimentelle Logik soll dann dazu führen, dass Variationen in den (durch Gruppenbefragung mit einem konstruktspezifischen Fragebogen schriftlich) erhobenen rezeptiven Daten korreliert werden können mit qualitativen Unterschieden im persönlichen Bereich. Insgesamt ist die Studie im methodischen Bereich eine Pionierleistung, unabhängig von möglicher Kritik im Detail.[99] Ihre Ergebnisse liegen einmal darin, dass das Forschungsteam einige Persönlichkeitsvariablen empirisch bestimmen kann, die »Erklärungsvermögen für literarische Kompetenz« besitzen: Leistungen im Deutschunterricht und der allgemeine schulische Leistungsdurchschnitt, ein – der Rezeptionsstudie – vorgängiges Interesse an Sprache und Literatur, und schließlich Einstellungen (z.B. Meinungstoleranz). Da die Versuchsanlage erlaubt, auch den Textfaktor zu berücksichtigen, weil die sechs Texte in drei Paaren unterschiedlichen Probandengruppen offeriert wurden, ziehen die Autoren jedoch insgesamt eine Bilanz gegen ihre eigenen Erwartungen:

   "Daraus ergibt sich die Frage, ob es überhaupt Leservariablen gibt, die sich unabhängig von der jeweiligen Beschaffenheit der Textstrukturen als durchgängig rezeptionsrelevant auswirken. Generell lässt sich aus den vorliegenden Ergebnissen der Schluss ziehen, dass dies streng genommen nicht der Fall ist."[100]

Ich neige dazu, das Ergebnis der Studie – jedenfalls seine Hauptlinie in Bezug auf das Interaktionsparadigma – anders zu bewerten: die Autoren konstruieren aus ihren Rezeptionsdaten und den erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen eine sogenannte OVERALL-Kompetenz, die erläutern soll, wie weit Persönlichkeitsmerkmale die Verstehens- und Semantisierungsleistung der Schüler erklären. In den überwiegenden Fällen können sie nachweisen, dass eine gute Deutschnote ein sehr guter Indikator für ein hohes Rezeptionsniveau ist. Wenn man nun berücksichtigt, dass die Autoren Verstehensleistungen durch Fragebogen quasi didaktisch ›erfragen‹, zudem die gesamten Befragungen im schulischen Bereich durchgeführt wurden (latenter Einfluss der Lehrer), ergibt sich als roter Faden, dass sie mit ihrer Studie vor allem den – systematisch nicht berücksichtigten – Situationsfaktor in seiner Mächtigkeit bewiesen haben. Denn die Vermutung kann nicht ausgeräumt werden, dass die Schüler unter dem Einfluss der schulischen Umgebung und angeregt durch Fragetypen, wie sie typisch für den Umgang mit Literatur im Deutschunterricht sind, vor allem ihr schulisches Textverstehen reproduziert haben, also die Texte semantisch so verarbeiteten wie es die Schule verlangt.

   In einer anderen, ebenfalls mit umfangreichen Rezeptionserhebungen bei 800 Studenten verbundenen empirischen Studie haben Werner Faulstich und Hans-Werner Ludwig versucht, die rezeptionssteuernde Qualität eines in der Erzähltheorie bedeutsamen Konzepts zu prüfen: den Standort des Erzählers.[101] Sie arbeiten mit dem Text The old man at the bridge von E. Hemingway im Original und in experimentell variierten Versionen. Die Variationen beziehen sich besonders auf sogenannte »perspective markers«, die eine klare Ausprägung entweder des Erzählstandpunktes der Ersten-Person oder der Dritten-Person erlauben. Im Gegensatz zu der Studie von Heuermann, Hühn und Röttger manipulieren sie also bewusst den Textfaktor. Dies deshalb, weil sie im Gegensatz zu der eher globalen Suche nach korrelativer Bestätigung der Text-Leser-Interaktion eine klar definierte Hypothese zur psychologischen Relevanz der durch Textanalyse gewonnenen und verallgemeinerten Erzähltheorie testen wollen.

   Die Autoren unterscheiden vier Dimensionen des Problems – (a) Person, (b) Erzählebene, (c) Distanz/Modalität und (d) Aufmerksamkeitserregung (Idendität/Nicht-Identität): auf keiner können sie sicher nachweisen, dass die erwartete Rezeptionsvarianz (die Unterschiedlichkeit der erhobenen Rezeptionen) auf den Faktor Erzählperspektive zurückzuführen ist.

   Dieses Ergebnis wirft eine Reihe von interessanten Fragen auf. Wenn man einmal von methodischen Problemen (Validität, Reliabilität) absieht, die von Faulstich gründlich behandelt werden, sehe ich zwei Konsequenzen:

(1) Wenn die Textverarbeitung der Probanden thematisch auf inhaltliche Aspekte des Materials gerichtet war (was bei diesem Text leicht vorstellbar ist), kann der emotionale Aufmerksamkeitswert der ›Erzählperspektive‹ (bottom-up) sehr gering gewesen sein. Wenn die Vermutung hinzu kommt, dass der Text, der Autor oder das typische Sujet dieses Autors vielen Probanden aus früherer Lektüre bekannt war, ist es fast zwingend, dass sie die einzelnen (experimentell variierten) Textmerkmale elaborativ ›überbrückt‹ haben. Damit wäre dann lediglich bewiesen, dass für die Wirksamkeit der Erzählperspektive in der individuellen Rezeption vermutlich eine bestimmte (professionelle?) Fokussierung der Aufmerksamkeit genau auf dieses Element der Textorganisation notwendig ist. Bei Untersuchungen an nicht-narrativen Texten konnten z.B. Black, Turner und Bower schon früher zeigen,[102] dass Leser dem Text die einheitliche Erzählperspektive bei der Textverarbeitung geben, die es ihnen am besten ermöglicht, eine kohärente semantische Repräsentation zu bilden. Es ist deshalb anzunehmen, dass nicht-professionelle Leser literarische Texte auf einem niedrigeren Komplexitätsniveau der Textorganisation ohne besondere Berücksichtigung der Erzählperspektive eher zu einem kohärenten Sinn gelangen als auf einem hohen.

(2) Die andere Konsequenz wäre – in diese Richtung zielt wohl auch Faulstichs Bewertung – , dass die Rezeptionsuntersuchung zur produktiven Kritik an hermeneutischen Textstrukturbeschreibungen und allfälligen Verallgemeinerungen benutzt wird. Offenbar ist doch der ›Textfaktor‹ so, wie er in den ›bottom-up‹-Prozess der individuellen Textverarbeitung eingeht, ein wesentlich komplizierteres empirisches Datum, als dass er über ein generalisiertes interpretatives Konzept wie den Erzählstandpunkt spürbar verändert würde.

   Ebenfalls den »Erzählstandpunkt« untersuchen zwei kleinere empirische Studien von Els Andringa[103] und Janos Laszlo.[104] Andringa prüft die Frage, welchen Einfluss die erzähltechnische Variable ›Erzählerstandpunkt‹ auf die Überbrückung von ›Leerstellen‹ hat. Sie kann zeigen, dass Effekte im Rahmen des Erwarteten auftreten – in einer manipulierten Erzählung wird die Perspektive des Protagonisten dann eher übernommen wenn sie in der Ich-Perspektive erzählt wird. Diese positive Beziehung drückt sich darin aus, dass die Probanden in diesem Fall den Protagonisten sympathischer finden etc. Interessanter aber als diese Bestätigung scheint der Hinweis Andringas, dass der Effekt vermutlich nicht allein durch die Veränderung der Erzählperspektive erzielt wird, sondern andere Merkmale der Textorganisation kovariieren, also gemeinsam die beobachtete Wirkung erzeugen. Man kann diese Beobachtung dahin auslegen, dass durch das vom Autor gewählte ›Produktionsinstrument‹ Erzählperspektive der gesamte Text eine strukturelle Prägung erhält, die dann später durch die Manipulation lediglich des einen ›Oberflächenphänomens‹ Ich- vs. Er-Perspektive gar nicht entscheidend geändert wird. Erst wenn weitere Merkmale in die gleiche Richtung tendieren, die mit der jeweiligen Perspektive dem Text eigen ist, erst dann wirkt sich der ›Perspektiveffekt‹ aus.

   Damit bestätigen ihre Ergebnisse, dass der ›point of view‹ allein keine rezeptionssteuernde Wirkung hat.[105] In diesem Sinne kann auch die Arbeit von Laszlo bewertet werden. Bei den Textverarbeitungen zeigen seine Probanden lediglich, dass sie den ›point of view‹ der vorgelegten Erzählungen dann wahrnehmen, bewerten und zur sinnsemantischen Konstruktion verwenden, wenn sie dazu vom Versuchsleiter sensibilisiert werden. Diese Sensibilisierung hat dann Erfolg, wenn die Erzählperspektive es den Lesern erleichtert, ein ›mentales Modell‹ der Ereignisse aufzubauen, die im Text ablaufen. Das ist hier nur bei der Ich-Perspektive nachweisbar.

   Drei Studien, die sich besonders um den Nachweis von Rezeptionseffekten linguistisch beschreibbarer Daten bemühen, die als Textfaktor in ›bottom-up‹-Prozesse eingehen, sind die Studien von Siegfried J. Schmidt und Reinhard Zobel, [106] Jürgen Grimm[107] und Willie van Peer.[108]

   Schmidt und Zobel prüfen experimentell die Frage, in welchem Zusammenhang die linguistische Komplexität eines literarischen Textes mit der Bereitschaft des Lesers steht, ihn zu verstehen. Die Komplexität der Texte, die den Probanden in Verstehensexperimenten vorgelegt wurden, legten die Autoren ranggeordnet nach Maßgabe linguistischer Methoden fest, die Subjektseite erfassten sie über psychologische Tests. Sie konnten keine lineare oder überhaupt irgendeine starke Korrelation zwischen den beiden Merkmalen der Interaktion festmachen. Dies bewerteten sie als Hinweis darauf, dass die generelle Annahme einer hohen Toleranz gegenüber der Komplexität bei literarischen Texten zutreffe: da diese Toleranz als Moment der literarischen Lesestrategie flexibel ist, kann sie zur sinnhaften Verarbeitung eines Textes auf fast jedem (linguistisch beschreibbaren) Komplexitätsniveau führen.

   Grimm geht in seiner – als vollständige Kommunikationsanalyse angelegten – Studie explizit von der Einsicht aus, dass erst die gemeinsame Interaktion von Text- und Lesermerkmalen den Prozess des literarischen Verstehens erklären kann. Er setzt an den Beginn seiner Untersuchung deshalb eine inhaltsanalytische Untersuchung des Textfaktors. An insgesamt 36 Kriminalheftromanen bekannter Reihen versucht er so, diejenigen Textstrukturen in ihrem Bedeutungsgehalt zu spezifizieren, die »in alle Rezeptionsakte mehr oder weniger einfließen«.[109] Ausgehend von Diskussionen innerhalb der Literaturwissenschaft um den fiktiven vs. realistischen, den identifikatorischen vs. distanzierenden, den erregenden vs. entspannenden, den assoziativ-verknüpften vs. schematisch-strukturierten und schließlich des affirmativen vs. progressiv-kritischen Bedeutungsgehalt massenhafter Literatur leitet er Hypothesen ab, die quasi die Mehrheitsmeinung der ›scientific community‹ zum Leitfaden einer empirischen Überprüfung machen. Die im Einzelnen sehr detaillierten Ergebnisse der Inhaltsanalyse (zur Verschränkung alltäglicher und fiktiver Erzählelemente, zur Perspektivierung, zur Spannungsdramaturgie, zum identifikatorischen Rollenrepertoire, auch etwa zur Abbildung von Sozialstruktur der »Gesellschaft« in den Heften) führen Grimm zu dem Schluss, dass einige der zugrunde liegenden literaturwissenschaftlichen Annahmen modifiziert werden müssen. Seine Untersuchung struktureller Merkmale der Texte und deren Generalisierung legt jedenfalls nahe, z.B. die »Eskapismusthese« nun genauer zu prüfen. »Die Kriminalheftromane sind keine reinen ›Fluchthilfen‹, in sie ist vielmehr ein Kreislaufmechanismus eingebaut, der dem Leser ein literarisches Abenteuer von begrenzter Dauer gönnt, um ihn regeneriert und womöglich verändert dem Alltag wieder zuzuführen«.[110] Solche Ergebnisse verwertet Grimm nun zu – hier noch spekulativen – Vermutungen darüber, wie die festgestellten Textstrukturen sich denn ›tatsächlich‹ in den Rezeptionen der Leser und Leserinnen bemerkbar machen. Leider führt er diesen Teil der Studie hier nicht mehr aus, sondern verweist auf eine noch nicht publizierte Rezeptionsstudie,[111] in der er mit Berufsschülern, Studenten und Gymnasiasten gerade diesen Anschluss des ›Leserfaktors‹ aufarbeitet. Als Resümee sieht er jedoch schon im Blick auf erste Ergebnisse dieser Rezeptionsstudie vorweg, dass der Textfaktor vermutlich der Grund für feststellbare Parallelen im Umgang mit den Texten ist – »dabei sind freilich nicht unerhebliche Schwankungen individueller Lesweisen eingeschlossen«.[112] Seine Einschätzung –

   "[...] sprechen die Ähnlichkeiten dafür, dass sich die formativen Kräfte der Texte mit Einschränkungen gegen diverse Voraussetzungssysteme der Leser durchsetzen und so ihr Steuerungspotential für die Rezeption unter Beweis stellen"[113]

– kann allerdings vorerst nur bedingt akzeptiert werden. Schließlich fehlen dazu noch die nachprüfbaren Daten der Rezeptionsstudie, die Grimms Projekt einer vollständigen Kommunikationsanalyse erst zum Abschluss bringen können. Nach Grimms eigenen Voraussetzungen ist es aber eher unwahrscheinlich,[114] dass diese Daten die konkurrierende Annahme definitiv zurückweisen werden. Die Annahme, dass nämlich Ähnlichkeiten des Responses eher auf Ähnlichkeiten in der literarischen Sozialisationsgeschichte der Leser denn auf solche der puren Textstruktur zurückzuführen sind.

   Van Peer konzipiert seine empirische Rezeptionsstudie im Rahmen der auf Roman Jakobson zurückgehenden stilistischen »theory of foregrounding«, die er operationalisiert über »strikingness« (Aufmerksamkeitswert), »importance« (Wichtigkeitswert) und »discussion value« (Diskussionswert). Nachdem er sorgfältig gemäß der »theory of foregrounding« insgesamt sechs literarische Texte – von E. E. Cummings, Emily Dickinson, Theodore Roethke, Christina Rosetti, Dylan Thomas und William Wordsworth – analysiert und auf den drei genannten Dimensionen des ›foregrounding‹ die jeweiligen Werte vermerkt hat, überprüft er – zum ersten Mal – die psychologische Relevanz dieser Theorie. Er präsentiert die Texte Versuchspersonen und erfasst über mehrere Verfahren (memory test, underlining test, ranking test, Likert scale) deren Textverarbeitung und den Aufbau von Textrepräsentationen. Seine Ergebnisse sind ziemlich eindeutig: Er kann fast immer Effekte in der erwarteten Richtung der ›foregrounding‹-Struktur des Textes auf die Textverarbeitung nachweisen:

   "So, in general, these findings confirm the predictions derived from the theory of FG. Moreover, the confirmations seems to be independent of personality variables, texts, or experimental constructs and procedures. Could we, therefore decide in favour of the (purportedly universalistic) claims concerning the literary reading process, as developed within the framework of the theory?"[115]

Van Peer entscheidet sich, nach einer bemerkenswert kritischen und analytisch glänzenden Abwägung aller Bedingungen seines Experiments, die Frage nicht einfach zu bejahen. Statt dessen betont er folgenden Zusammenhang, der uns zurückführt zum interaktionistischen Paradigma des Textverstehens. Er nimmt nämlich an, dass die Bestätigung seiner Hypothesen deshalb erfolgte, weil Literatur eine gesellschaftlich etablierte Form der Interaktion ist (»a patterned form of interaction between participants«).[116] Um an dieser Interaktion teilnehmen zu können, müssen Leser und Autor über gemeinsame und in ihrer Funktion bekannte spezielle Sprachhandlungsmuster verfügen. Da in literarischer Kommunikation nun für gewöhnlich der Text den Autor vertritt, ›interagiert‹ der Leser mit dem Text.

   "Only on the basis of such a mutual recognition and cooperation may the act of literary communication be successful […] Foregrounding, then, is not a category indicating ›essentials‹ of literariness in an absolute or material sense: it is not so much the text itself that ›contains‹ elements of literariness, but rather that specific devices, i.e. those that (perhaps among others) have been described by the theory of foregrounding act as cues to the reader in the process of literary communication."[117]

Es ist – um dies zu pointieren – offenbar nicht möglich, in Rezeptionsstudien die in traditionellen Konzepten vermutete determinierende Mächtigkeit des Textes und seiner sprachlichen und erzählerischen Struktur wiederzufinden. Zwar gehen zweifellos linguistische und erzählstrukturelle Merkmale des Textes wie etwa Komplexität, wie etwa Äquivalenzen, Abweichungen, oder auch ›point of view‹-Aspekte in den Rezeptionsprozess ein, steuern diesen sogar. Aber ihr tatsächlicher Einfluss hängt davon ab, (a) ob andere Textmerkmale die Tendenz unterstützen, und (b) ob das verstehende Subjekt über entsprechendes kulturelles und speziell literarisches Wissen verfügt und emotional dazu bereit ist, durch gerichtete Aufmerksamkeitsprozesse aus diesen Textmerkmalen eine ›literarische‹ Repräsentation aufzubauen, ein Kommunikat.

   Diese Untersuchungen zeigen aber zugleich, dass ein allein auf ›literarisch relevante‹ Textfaktoren gerichtetes Untersuchungsdesign offensichtlich nicht ausreicht, das komplizierte Bedingungsgefüge des literarischen Verstehens durchsichtig zu machen. Es ist deshalb notwendig, auch Zusammenhänge eher sozialpsychologischer Fragerichtung – wie zum Teil etwa bei Grimm – systematisch der Forschung zum literarischen Verstehen zu integrieren. In mehreren Publikationen liegen dazu neuere amerikanisch-ungarische cross-cultural-Studien zur short story, ihren formativen Elementen und ihrer Rezeption vor.[118]

   Diese Studien wurden angeregt durch eine empirisch-psychologische Arbeit des Psychologen Laszlo Halasz über europäische Kurzgeschichten und den Einfluss inhaltlich-struktureller Elemente auf ihre Rezeption.[119] Halasz hat anerkannt literarische Beispiele des Genres gelesen und sein ›Verstehen‹ über psychologisch geschulte Selbstanalyse distanzierend zusammengefasst. Diese Konkretisationen dienen ihm dann dazu, Hypothesen über Strukturelemente der Texte, die wahrscheinlich paralleles Rezipieren bei anderen Lesern auslösen, in Textverstehensexperimenten kritisch zu prüfen. Dabei ist sein eigentliches Interesse darauf gerichtet, nicht allein ›literarische‹ Textverarbeitungen zu bestimmen, sondern auch solche, die ihren Ursprung in nicht-literarischen, sozialen Schemata der Rezipienten haben.[120] In dem von ihm herausgegebenen Band Literary Discourse[121] berichtet er über ein solches Experiment mit dem Ergebnis, dass die von Louise Rosenblatt angenommene hypothesentestende Struktur des literarischen Leseprozesses nicht allein durch Erwartungen orientiert wird,[122] die aus story-schemata abgeleitet sind, sondern dass ebenso mächtig Erwartungen eingreifen, die aus der Organisation der sozialen Wahrnehmung im Allgemeinen herrühren.[123] Dieses Ergebnis stützt die Vermutung, dass – jedenfalls in Bezug auf die internationale Struktur der Handlung von Protagonisten in short stories – Alltagserfahrungen ebenso gut zu kohärenten Leseerfahrungen führen wie spezielle story-schemata. Im Grunde sind ja auch story-schemata nicht viel anders als die Übertragung erlebter sozialer Wahrnehmungsmechanismen und Handlungsmuster auf – erzählte – Geschichten.[124]

   Kritisch setzt sich in diesem Band auch Robert de Beaugrande mit schematheoretischen Ansätzen des Erklärens literarischer Verstehensprozesse auseinander. Er stellt die Frage, wie denn der Widerspruch zu lösen sei, dass einerseits angenommen werde, literarisches Verstehen werde durch Schemata geleitet, die von den vorgängigen Erwartungen und dem Weltwissen des Subjekts herrühren, dass aber andererseits das von ihm zusammenfassend beschriebene Prinzip der Alternativität (»the alternativity principle«)[125] in literarischer Kommunikation ein weites Feld unbekannter Welten und unerwarteter Erfahrungen eröffne. Seine Antwort darauf ist, dass wir annehmen müssen, dass Schemata – mindestens die dominierenden an der Spitze der Verstehensstrategie – nicht unbedingt spezifisch ›literarisch‹ sind. Es reiche vielmehr – auch für erfolgreiche literarische Verstehensprozesse – die Annahme aus, dass wir es mit einem Set von Schemata – literarischen wie »›real-world‹ schemas«[126] – zu tun haben, dem sogenannten »constituive schema«. Dieses generiere, weil es offen für »unbound variables« ist, erst im Verlaufe des Rezeptionsprozesses durch Aufmerksamkeits- und mehr oder weniger »realistische« Auflösungsgrade der poetischen Welt, der »text-world«,[127] die Erfahrungen der Literarizität des Textes. De Beaugrandes theoretischer Beitrag, der durch eine empirische Fallstudie zum »ordinary reader« und seinem Textverstehen ergänzt wird, präzisiert so die generellen Annahmen der Textverstehensforschung für den literarischen Fall: denn dieser ist danach gerade durch erhöhte Flexibilität und Variabilität ausgezeichnet – in Abhängigkeit von den literarischen und den allgemeinen sozialpsychischen Schemata der lesenden Subjekte.

   In diesem Zusammenhang sind auch die beiden short story Studien von Janos Laszlo Understanding and Enjoying[128] und von Colin Martindale Narrative Pattern Analysis: a Quantitative Method for Inferring the Symbolic Meaning of Narratives[129] zu erwähnen. Laszlo resümiert eine einfallsreiche empirische Überprüfung des Einflusses von »enjoying« beim Textverstehen dahingehend, dass offenbar – ähnlich wie bei unterschiedlichen Konversations- und Text-Stilen – auch der literarische Lese- und Verstehensprozess durch Vergnügen – als emotionalem Faktor auf der Subjektseite – in bestimmter Weise überlagert werde. Es sei eine Aufgabe zukünftiger Forschung, solche ästhetischen Lesestile in ihrer Abhängigkeit von allgemeinen Präsentationsstilen der Persönlichkeit empirisch zu unterscheiden und zu beschreiben. Martindale prüft anhand ebenderselben ungarischen und amerikanischen short stories die Hypothese, dass – wenn eine Erzählung ein bestimmtes Thema eröffne, etwa das der »night-journey« – der empirische Nachweis einer zunehmenden kohärenten Verwendung von primären Symbolen möglich sei, die mit diesem Thema verbunden sind. Er intendiert damit zugleich eine empirisch qualifizierte Entscheidung, konkurrierende ›Interpretationen‹ im Hinblick auf ihre angemessene Repräsentation der Textbasis beurteilen zu können. Seine Studie zeigt hier, dass – gegen das offenbar signalisierte Thema in der amerikanischen und der ungarischen – der Text der ungarischen short story wenig oder gar keine Anhaltspunkte dafür biete, ihn als »night-journey« zu interpretieren. Wenn dies aber dennoch geschieht – so muss hinzugefügt werden –, dann kann dies nur deshalb mit dem Erlebnis der ›Kohärenz‹ gerade dieses Themas in gerade dieser short story für den Leser verbunden sein, weil er das Thema – aufgrund nicht ›text-immanenter‹ Bedingungen (z.B. bestimmten sozio-kulturellen Wissens) – in die Geschichte hineinliest.

   Neben solchen Arbeiten, die sozialpsychologische und soziokulturelle Bedingungen des literarischen Verstehens genauer zu erforschen suchen, stehen jene, die sich bemühen, theoretisch und empirisch den prozessualen Charakter der Interaktion zu präzisieren. So hat Shimron in einer kleinen experimentellen Studie versucht, die Spezifik literarischen Verstehens durch ›top-down‹-Prozesse zu erklären.[130] Er findet einige Besonderheiten, etwa den kreativen Umgang mit Anomalien, vermutet aber insgesamt, dass Leser mit literarischen Verstehensabsichten sich von anderen durch die Tendenz auszeichnen, ein Maximum an Information selbst durch schemageleitete Konstruktionsprozesse während des Textverarbeitungsvorganges herzustellen. Zudem glaubt er, dass zusätzlich die Bereitschaft des Lesers vorhanden sein muss, sprachliche Elemente des Textes als bedeutungsambig anzunehmen.

   Ähnlich wie Shimron betont auch Harker in einer knappen theoretischen Diskussion des kognitiven Konstruktivismus beim Textverstehen,[131] dass erst die Generierung neuer, prozessspezifischer Schemata einen literarischen Verstehensprozess erfolgreich werden lässt. Diesen Gedanken, der für literarische Verstehenshandlungen mehr Freiheitsgrade durch flexible Schemaanwendungen setzt, haben – auf der Ebene von Strategien – die kanadischen Forscher Vipond und Hunt in mehreren Studien systematisch ausgearbeitet.[132] Im Kern können sie – auch anhand empirischer Befunde – zeigen, dass literarisches Verstehen eine besondere strategieorientierte Variante normaler Textverarbeitung darstellt. Sie unterscheiden zwischen sogenannten »information–driven«, »story–driven« und »point–driven understanding processes«. Literarisch relevant sind die »point-driven«-Verstehensprozesse: sie zeichnen sich gegenüber den anderen aus durch höhere Qualität und Quantität kreativer Elaborationen beim Umgang mit dem Text und vor allem durch eine motivationale Rückbindung an situative Persönlichkeitsmerkmale wie Gefühlslage, Bewusstseinslage, Bedürfnislage. Diese gehen bei »point-driven understanding processes« als Strategiemodifikationen in den ›top-down‹-Prozess ein und ermöglichen die Konstruktion von »points« als Knotenpunkten für immer neue Elaborationen.

   Vor dem Hintergrund solcher Forschungen, die systematisch dazu geführt haben, die Ei­genschaft ›literarisch‹ nicht mehr Texten, sondern speziellen kognitiven (Textverarbeitungs-) Handlungen von Rezipienten mit Texten zuzuschreiben, haben Dick H. Schram,[133] Petra Hoffstaedter[134] und Dietrich Meutsch[135] Dissertationen vorgelegt. Alle Arbeiten zeichnen sich aus durch die systematische methodische Berücksichtigung der Tatsache, dass ›Literarizität‹ eine Prozesseigenschaft ist. Sie verwenden deshalb große Mühe darauf, den Prozesscharakter in entsprechend komplizierten experimentellen Designs abzusichern. Alle Arbeiten signalisieren zudem, dass sich als Schwerpunkte der empirischen Forschung innerhalb der Empirischen Literaturwissenschaft gegenwärtig das kognitionspsychologische Problem des literarischen ›Verstehens‹ durchgesetzt hat.[136]

   Schrams Studie Norm en Normdoorbreking geht vor allem sozialpsychologischen Kontexten des Verstehensprozesses nach. Er untersucht im Einzelnen, wie Merkmale der Textpräsentation, des Inhalts und bestimmter Personencharaktere beim Verstehen von Texten mit Persönlichkeitsmerkmalen des Lesers (z.B. Dogmatismus) interagieren. Sein Ziel ist es im Besonderen, die »innovatorische«, i.S. von einstellungsverändernde Funktion empirisch zu beschreiben, die dabei als literarisch eingeschätzten Texten (im Gegensatz zu nicht-literarischen) zukommt. Im Hinblick auf die Interaktion einer dogmatischen Persönlichkeitsstruktur mit literarischen Texten, deren Sujet Normabweichungen behandelt (Homophilie), kann er z.B. nachweisen, dass – entgegen den generellen Annahmen in der Persönlichkeitspsychologie – beim literarischen Lesen kaum signifikante Effekte auftreten, die auf den Inhalt (Thematisierung von Normabweichungen) zurückzuführen sind. Dies kann als weiteres Indiz dafür betrachtet werden, dass beim literarischen Lesen tatsächlich Toleranzen ›eingebaut‹ sind, die eine flexible kognitive ›Aussteuerung‹ problematischer Textmerkmale erlauben.

   Meutsch konzentriert sich in seiner Studie weniger auf solche weiteren, stabilen Rahmenbedingungen des literarischen Textverstehens, wie sie mit ›Einstellungen‹ als festen Persönlichkeitsmerkmalen des Lesers angenommen werden. Er versucht statt dessen besonders herauszufinden, ob in aktuellen Rezeptionsprozessen aktuell-variierende Bedingungen zu unterschiedlichen – literarischen oder nicht-literarischen – Repräsentationen eines Textes führen.

   Seine empirischen Rezeptionserhebungen zeigen, dass Merkmale des Kontextes (z.B. die instruierende Bezeichnung eines Textes als literarisch bzw. nicht-literarisch), des mentalen Konstruktionsprozesses selbst (z.B. ob die Orientierung auf eine Inhaltsangabe oder eine Interpretation zielt) und der Verstehensphase (während der Rezeption, also dem Kommunikataufbau, oder während der Verarbeitung, also der Äußerung zur Rezeption) tatsächlich die Bildung literarischer Kommunikate beeinflussen. Dabei kann er sehr differenziert nachweisen, dass die Möglichkeit zu subjektbestimmten Elaborationen und das Vorhandensein eines literarischen Verstehenskontextes bei seinen Versuchspersonen durchweg ›literarisches Verstehen‹ von Texten nach sich zieht, ob diese nun im Allgemeinen als literarische oder nicht-literarische beurteilt werden. Darüber hinaus zeigt die Analyse der Rezeptionsdaten, dass literarisches Verstehen als Textverarbeitung im psychologischen Sinne betrachtet werden kann, die durch drei besondere konzeptuelle Elaborationstypen gekennzeichnet ist: Elaborationen mit alternativen Referenzrahmen, metatextuelle Elaborationen mit literaturspezifischen Signalen, »offene« Elaborationen ohne eindeutige Bedeutungszuordnung.

   Hoffstaedter hat eine überaus exemplarische Studie mit dem Titel Poetizität aus der Sicht des Lesers vorgelegt. Ihr Ziel ist es, »empirisch zu ermitteln, welche Eigenschaften in Texten von bestimmten Lesergruppen unter bestimmten aktuellen Kontextbedingungen als poetisch empfunden und poetisch verarbeitet werden«.[137] Sie will also, gerade umgekehrt zum Ausgangspunkt bei van Peer, die »relevanten« Eigenschaften von Texten empirisch ermitteln und nicht durch eine vorgängige Analyse selbst bestimmen. Konsequenterweise beginnt sie deshalb an der Stelle, an der van Peer die bewertende Einordnung seiner Arbeit beendet: sie setzt voraus, dass »poetische Textverarbeitung durch bestimmte Texteigenschaften begünstigt werden kann«,[138] sagt aber zugleich, dass der Zusammenhang nicht zwingend, also unabhängig, ist. Seine Abhängigkeit von situativen, prozessualen, textuellen und subjektiven Merkmalen, die in die Textverarbeitung eingehen, macht sie deshalb zu einer empirischen Frage.

   Hoffstaedter geht in ihrer Arbeit dann insofern über van Peer hinaus, als sie definitiv zeigen kann, dass Poetizität nicht eindeutig durch Stilanalyse von Texten zu bestimmen ist: Äquivalenzstrukturen, Abweichungen, Mehrdeutigkeiten und inhaltliche Themen werden nicht automatisch zu Poetizitätsmerkmalen des Verarbeitungsprozesses, sondern offenbar z.B. nur dann, wenn

   "1. semantische, mit Mehrdeutigkeiten verbundene Abweichungen vorkommen, die vom Leser eine kreative Leistung bei der Bedeutungskonstitution erfordern, und wenn 2. außerdem mehrere Abweichungen, Mehrdeutigkeiten oder Äquivalenzen vorkommen."[139]

Für den Einfluss des Kontextes auf die literarische Ausrichtung des Textverarbeitungsprozesses findet Hoffstaedter folgenden Zusammenhang empirisch bestätigt: bei relativ klar erkennbaren poetischen Texten hat ein poetisch geladener Kontext wenig zusätzlichen Einfluss auf die literarische Textverarbeitung, aber bei einem Text, der solche Merkmale nicht offensichtlich enthält, kann die poetische Kontextualisierung eine literarische Verarbeitung signifikant erhöhen.


4. Rückbezug

4.1: Das Eingangsbeispiel

Kehren wir an dieser Stelle zu unserem Eingangsbeispiel zurück – »EXECUTIONS AND COMMANDS«. Dass es gelungen ist, die Studenten durch eine poetische Kontextualisierung zu einer literarischen Textverarbeitung zu veranlassen, zeigt aus der hier ausgebreiteten Forschungsperspektive, wie effektiv sie mit literarischen Schemata umgehen und wie kreativ solche Schemata zur mentalen Repräsentation des Textes genutzt werden können, wenn ›literarische‹ Strategien dominieren. Der Text ist dann der literarisierenden Aufmerksamkeit des Lesers quasi hilflos ausgeliefert. Aber vielleicht ist das ja gerade auch eine der Quellen des Vergnügens, die ein solcher Umgang mit Texten mit sich bringt.


4.2: Thesen zum literarischen Verstehensprozess

Anhand der hier referierten Untersuchungen können die oben allgemein für die Textverstehensforschung zusammengefassten ›geltenden Annahmen‹ für den besonderen Fall der literarischen Rezeption abschließend etwas präzisiert werden. Dies geschieht ausschließlich in der Absicht, weitere Forschungen zu orientieren, nicht aber, um ›endgültiges Wissen‹ zu bezeichnen. Endgültig ist unser Wissen über literarisches Verstehen heute gewiss nicht, allein die Tatsache, dass bisher immer nur ›kurze Texte‹ in empirischen Studien untersucht wurden, wirft viele Fragen auf; denn bei einem ›langen Text‹, etwa einem Roman, ist anzunehmen, dass die Bedingungen des Textes anders ins Spiel kommen als etwa bei Paul Celans Fadensonnen.[140]

Um an die Begrifflichkeit der handlungstheoretischen Empirischen Literaturwissenschaft anzuschließen, spreche ich hier in der Zusammenfassung ausschließlich von Kommunikat und Kommunikatbildung, wo in der Textverstehensforschung von mentaler Textrepräsentation und Textverarbeitung (in einem weiteren Sinne) gesprochen wird. Kommunikatbildung meint in diesem Sinne immer schon literarische Textverarbeitung.

(1)  Der Kommunikatbildungsprozess ist ein ganzheitlicher Prozess, das heißt, dass vielfältige Teilprozesse der Wahrnehmung, Bewertung, Konstruktion und emotionalen Bewegung in ihm integriert sind.

(2)  Der Kommunikatbildungsprozess ist ein integrativer Schnittpunkt zwischen dem in Sozialisationsgeschichten erworbenen und entwickelten literarischen Wissen, den Plänen und Zielen einerseits und aktuellen übergreifenden Tätigkeiten andererseits.

(3)  Der Kommunikatbildungsprozess ist ein strategiegesteuerter (literarisch dominierter) kognitiver Verarbeitungsprozess einer Kommunikatbasis, wobei durch kreative Erweiterungen von Schemata und ihre flexible Anwendung der Aufmerksamkeitswert von spezifischen Textmerkmalen erhöht wird, die dann literarisch konstruiert und in einen kohärenten Zusammenhang gebracht werden können.

(4)  Der Kommunikatbildungsprozess ist qualitativ und quantitativ durch kreative Modifizierungen von ›top-down‹- und ›bottom-up‹-Prozessen gekennzeichnet, die Kohärenzbildungen bei der Textrepräsentation erleichtern. Diese Modifikationen werden durch Besonderheiten der Textoberfläche bzw. Organisationsprinzipien des Textes ausgelöst, so weit das Subjekt sie seinem Verstehen integriert. Im individuellen Rezeptionsprozess führen sie zu (literar-)-spezifischen Formen der Überbrückung von Lücken durch Elaborationen.

(5)  Der Kommunikatbildungsprozess ist dominiert durch Konventionen, die als Aufmerksamkeitsstrategien die ›top-down‹- und ›bottom-up‹-Prozesse der Textverarbeitung subjektbezogen fokussieren. Sie sind in ihrer Wirkung in erster Linie abhängig von ›subjektiven Theorien‹ der Handelnden über den literarischen Charakter ihrer Handlung. Pläne, Wünsche, Interessen und affektive Zustände des Subjekts prägen so den Vorgang des Textverstehens.

   Wann dies warum bei wem mit welchem Erfolg jeweils geschieht (oder nicht), ist eine Frage, die durch weitere empirische Forschungen zum literarischen Verstehen beantwortet werden kann. Dass solche Fragen innerhalb des Spektrums gegenwärtiger Literaturwissenschaft als sinnvoll angesehen werden, das sollte mit diesem Beitrag etwas gefördert werden.



Prof. Dr. Reinhold Viehoff
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Medien & Kommunikation
D - 08099 Halle (Saale)

Ins Netz gestellt am 20.03.2000.

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Erstpublikation: IASL 13 (1988), S.1-39. Die Online-Version wurde vom Autor eingerichtet und von der Redaktion bearbeitet.


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Fußnoten

[1]    Demnächst publiziert in: Els Andringa/Reinhold Viehoff: Comprehension of Literature of Literary Comprehension. (Special Issue POETICS) Amsterdam 1988 (in Vorbereitung).

[2]    Entnommen aus: C. Prigmore: 30 Hour Basic. National Extension College Trust. London 1981 (Angabe von Michael Short).

[3]    Stanley Fish: Is there a text in this class? Cambridge, Mass. 1980.

[4]    Siehe dazu die Argumente in: Robert de Beaugrande: Poetry and the ordinary reader. A study in literary response: In: Empirical Studies in the Arts 3 (1985), S. 1–21; und: Ders.: The naive reader. Anarchy or self-reliance? In: Empirical Studies in the Arts 5/2 (1987), S. 145–170.

[5]    Christian  Enzensberger hat zuletzt wieder dazu bemerkt: »Seitdem sich mit dem poème trouvé erwiesen hat, dass der Unterschied zwischen literarischen und nichtliterarischen Texten an äußeren Merkmalen nicht festzumachen ist, hat die Wissenschaft eingestandenermaßen vor der Aufgabe resigniert, ein solches Kriterium zu benennen, also ihren Gegenstand auch nur zu definieren«. Christian Enzensberger: Welches Bedürfnis nach Literatur? In: Bedürfnis und Literatur – Literatur und Bedürfnis. Hg. v. Reinhold Viehoff. (Sonderheft SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 6/1) Frankfurt a.M. –Bern–New York 1987, S. 79–100. Hier S. 81.

[6]    Vgl. Wolfgang Martens: Begegnungen mit Büchern. In: Euphorion 81/1 (1987), S. 36–45.

[7]    Vgl. z.B. dazu Peter Uwe Hohendahl: Vorüberlegungen zu einer Geschichte der Literaturkritik. In: Literaturkritik – Medienkritik. Hg. v. Jürgen Drews. Heidelberg 1977, S. 68–83. Jetzt auch: Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980). Hg. v. Peter Uwe Hohendahl. Stuttgart 1985.

[8]    Vgl. die Argumentation von: Peter Bürger: Interpretation after Duchamp. In: Comprehension of Literary Discourse. Results and Problems of  Interdisciplinary Approaches. Ed. by Dietrich Meutsch und Reinhold Viehoff. (Research in Text Theory) Berlin–New York 1988 (in press).

[9]    Vgl. Christian Enzensberger: Literatur und Interesse. Eine politische Ästhetik mit zwei Beispielen aus der englischen Literatur. Zweite, fortgeschriebene Fassung. Frankfurt a.M. 1981.

[10]  Siehe dazu den interessanten Überblick von: Wolfgang Stegmüller: Das Problem der Induktion. Humes Herausforderung und moderne Antworten. Darmstadt 1986. Auch die Dokumentation einer Tagung in Amsterdam zum Streit zwischen Hermeneutik und Empirik: Rezeptionsforschung zwischen Hermeneutik und Empirik: Rezeptionsforschung zwischen Hermeneutik und Empirik. Hg. v. Elrud Ibsch und Dicky H. Schram (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 23) Amsterdam 1987.

[11]  Siehe dazu als kurzen Überblick: Reinhold Viehoff: Empirisches Forschen in der Literaturwissenschaft. In: Literaturwissenschaft und empirische Methoden. Eine Einführung in aktuelle Projekte. Hg. v. Helmut Kreuzer und Reinhold Viehoff (Lili. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Beiheft 12) Göttingen 1981, S. 10–26.

[12]  Vgl. dazu die grundlegenden wissenschaftstheoretischen Überlegungen von Peter Finke: Konstruktiver Funktionalismus. Die wissenschaftstheoretische Basis einer empirischen Theorie der Literatur. Braunschweig–Wiesbaden 1982. Im Hinblick auf den Aspekt der »Veränderung« siehe auch: Angewandte Literaturwissenschaft. Hg. v. Arbeitsgruppe NIKOL. Braunschweig–Wiesbaden 1986; und: Helmut Hauptmeier und Siegfried  J. Schmidt: Einführung in die Empirische Literaturwissenschaft. Braunschweig–Wiesbaden 1985, S. 179ff.

[13]  Vgl. Peter Hartmann: Theorie der Grammatik. The Hague 1963.

[14]  Siehe dazu insgesamt: Clemens Knobloch: Sprachpsychologie. Ein Beitrag zur Problemgeschichte und Theoriebildung. Tübingen 1984.

[15]  Noam Chomsky: Syntactic Structures. The Hague 1957.

[16]  Hans Hörmann: Meinen und Verstehen. Grundzüge einer psychologischen Semantik. (suhrkamp texte wissenschaft 230) Frankfurt a. M. 1978, S. 501.

[17]  Von Jenkins wurde dieser Aspekt zuerst methodisch präzisiert: vgl. James J. Jenkins: Four points to remember. A tetrahedral model of memory experiments. In: Levels of processing and human memory. Ed. by Laird S. Cermak and Fergus I. M. Craik. Hillsdale, N. J. 1979, S. 429–446.

[18]  Man vergleiche dazu die frühere Debatte zwischen Karl Bühler und Wilhelm Wundt und insgesamt die Arbeiten der sogenannten ›Würzburger Schule‹. Demgegenüber hat auch die neuere Debatte um den Zusammenhang von Denken und Sprechen, wie sie seit etwa 15 Jahren im Psychological Review stattfindet, inhaltlich nicht viel Neues erbracht.

[19]  Darauf weist hin: Norbert Groeben: Leserpsychologie: Textverständnis – Textverständlichkeit. Münster 1982.

[20]  Im deutschsprachigen Raum sind – besonders in Auseinandersetzung mit der Psychologie Wilhelm Wundts – durch die Würzburger Schule (Bühler, Selz, Külpe und andere) und andererseits die Gestaltpsychologie Otto Köhlers immer nicht-behavioristische Grundannahmen bestimmend gewesen, auch gerade in der Psychologie der Sprache und des Verstehens. Seit 1970 (vgl. Arthur L. Blumenthal: Language and Psychology. Historical Aspects of Psycholinguistics. New York 1970) werden solche »Ursprünge« im Zuge der kognitiven Wende und des epistemologischen Subjektmodells (vgl. Norbert Groeben und Brigitte Scheele: Argumente für eine Psychologie des reflexiven Subjekts. Paradigmawechsel vom behavioralen zum epistemologischen Menschenbild. Darmstadt 1977) häufig wieder bewusst gemacht (siehe dazu auch: Verbale Daten. Hg. v. Günter Huber und Heinz Mandl. Weinheim–Basel 1982; Theo Hermann: Allgemeine Sprachpsychologie. Grundlagen und Probleme. München–Wien–Baltimore 1985. Hier besonders S. 276, Anm. 19). Im übrigen gab es natürlich auch im angelsächsischen Raum mit den Arbeiten von Frederic Charles Bartlett (Remembering. Cambridge 1932) zu  »schemas« und David Paul Ausubel (The use of advanced organizers und retention of meaningful verbal material. In: Journal of Educational Psychology 51/1 [1960], S. 1–12) zu den »advanced organizers« Konzepte, die sich dem behavioristischen Modell des Sprachverstehens entgegenstellten.

[21]  Siehe zu dieser Entwicklung: Hörmann: Meinen und Verstehen (wie Anm. 16), S. 29.

[22]  Zu diesem Aspekt besonders aufschlussreich: Ulric Neisser: Cognition and Reality. San Francisco 1976; Johannes Engelkamp: Sprachverstehen als Informationsverarbeitung. In: Psychologische Aspekte des Verstehens. Hg. v. Johannes Engelkamp. Heidelberg–Berlin–New York–Tokyo 1984, S. 31–53.

[23]  George A. Miller, Eugene Galanter and Karl H. Pribram: Plans and the structur of behavior. London 1960.

[24]  Siehe dazu die Argumente bei: Knobloch: Sprachpsychologie (wie Anm. 14).

[25]  Man vergleiche dazu etwa – in Auswahl – die Arbeiten: George A. Miller: The magical number seven plus or minus two. Some limits of our capacity for processing information. In: Psychological Review 63 (1956), S. 81–97; John D. Bransford, J. Richard Barclay and James J. Franks: Sentence Memory: A constructive versus interpretative approach. In: Cognitive Psychology 3 (1972), S. 193–209; zusammenfassend: John D. Bransford: Human Cognition. Learning, Understanding and Remembering. Belmont, Cal. 1979.

[26]  Unterschiedliche Modelle diskutiert: Michael G. Wessels: Kognitive Psychologie. New York 1984.

[27]  Groeben: Leserpsychologie (wie Anm. 19), S. 3.

[28]  Unter »Subjektiver Theorie« wird in der Psychologie verstanden »ein Aggregat (aktualisierbarer) Kognitionen der Selbst- und Weitsicht mit zumindest impliziter Argumentationsstruktur, die eine (wenigstens partielle) Explikation bzw. Rekonstruktion dieses Aggregats in Parallelität zur Struktur wissenschaftlicher Theorien erlaubt« (Brigitte Scheele und Norbert Groeben: Die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT). Eine Dialog-Konsens-Methode zur Erhebung Subjektiver Theorien mittlerer Reichweite. Weinheim–Basel 1984, S. 2). Das Konzept Subjektiver Theorien geht auf die Annahme zurück, dass Menschen, die handeln, dies reflexiv, konstruktiv und mit zumindest angestrebter Rationalität tun und dass Handelnde immer über (teil-)bewusste Konzepte verfügen, wenn sie handeln, weil sie durch ihr Handeln Erfahrungen gemacht haben und machen.

[29]  Siehe dazu: Steffen-Peter Ballstaedt, Heinz Mandl, Wolfgang Schnotz und Sigmar O. Tergan: Texte verstehen – Texte gestalten. München–Wien–Baltimore 1981: Zur Psychologie der Textverarbeitung: Ansätze, Befunde, Probleme. Hg. v. Heinz Mandl. München–Wien–Baltimore 1981.

[30]  Siehe: Hörmann: Meinen und Verstehen (wie Anm. 16), S. 501f.; Siegfried J. Schmidt: Texttheorie. München 1972 und Ders.: Text, Subjekt und Gesellschaft. Aspekte einer konstruktivistischen Semantik. In: Allgemeine Sprachwissenschaft, Sprachtypologie und Textlinguistik.(Festschrift Peter Hartmann). Hg. v. Manfred Faust u.a. Tübingen 1983, S. 55–71.

     Der »radikale Konstruktivismus« (vgl.: Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Hg. v. Siegfried  J. Schmidt. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 636) Frankfurt a.M. 1987) verschärft das Problem, dass wir es mit der Unterscheidung von »Realität« und »wissensstruktureller Repräsentation der Realität« mit einer heuristischen Modellannahme zu tun haben und wir zur Realität immer nur über unsere Wissensstruktur Zugang haben, zu einer grundsätzlichen philosophischen Frage. Es scheint mir derzeit aber immer noch heuristisch nützlicher, von einer solchen »realistischen« Modellannahme auszugehen. Wer anderes vorschlägt, muss erst erweisen, ob seine Modellvorstellung nützlicher und erklärungskräftiger für uns interessierende Phänomene des Textverstehens ist. Versuche dazu liegen vor allem von Schmidt selbst (Vom Text zum Literatursystem. Skizze einer konstruktivistischen und empirischen Literaturwissenschaft. (Lumis Schriften 1/Universität Siegen 1984)) und seinem Schüler Gebhard Rusch (Autopoiesis, Literatur, Wissenschaft – Was die Kognitionstheorie für die Literaturwissenschaft besagt. In: Siegener Studien 35 (1983/1984), S. 28–44; Ders.: Verstehen. Ein Versuch aus konstruktivistischer Sicht. In: Zwischen Intransparenz und Verstehen. Fragen an die Pädagogik. Hg. v. Niklas Luhmann und Karl Eberhard Schorr. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 572) Frankfurt a.M. 1986. S. 40–71) vor. Im Rahmen der psychologischen Textverstehensforschung deutet sich mit dem Vorschlag von Teun A. van Dijk und Walter Kintsch (Strategies of  Discourse Comprehension. London 1983) insofern für dieses eher philosophische bzw. erkenntnistheoretische Problem eine methodische Lösung an, als van Dijk und Kintsch davon ausgehen, dass neben der semantischen Repräsentation der Textbasis auch eine Repräsentation der Situation erfolgt, auf die sich der Text inhaltlich bezieht. Dadurch wird das Problem der Referenzsemantik insofern entschärft, als nun Referentialisierungen  ›innerhalb‹ der Wissensstruktur des Subjekts modellierbar werden.

[31]  Siehe dazu die Forschungsüberblicke bei: Groeben: Leserpsychologie (wie Anm. 19); Wessels: Kognitive Psychologie (wie Anm. 26); auch Rainer H. Kluwe: Wissen und Denken.  Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1979.

[32]  Als Beispiel: Bonnie J. F. Meyer: Text dimensions and cognitive processing. In: Learning and Comprehension of text. Ed. by Heinz Mandl, Nancy L. Stein and Tom Trabasso. Hillsdale, N. J. 1984, S. 3–51.

[33]  Darüber informieren ausführlich: Thinking. Readings in Cognitive Science. Ed. by Philip Nicholas Johnson-Laird and Peter C. Wason. Cambridge–London–New York–Melbourne 1977¸ Manfred Wettler: Sprache, Gedächtnis, Verstehen. Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1980; Hans Aebli: Denken: das Ordnen des Tuns. Bd. 1: Kognitive Aspekte der Handlungstheorie und Bd. 2: Denkprozesse. Stuttgart 1980 und 1981. Zuletzt wieder: R. P. Abelson: Artificial Intelligence and Literary Appreciation: How Big Is the Gap? In: Literary Discourse. Aspects of Cognitive and Social Psychological Approaches. Ed. by Laszlo Halasz. (Research in Text Theory) Berlin–New York 1987, S. 38–48.

[34]  So: Winfried Lenders: On the Perspectives of Artificial Intelligence Research in Literary Understanding Processes. In: Comprehension of Literary Discourse (wie Anm. 8).

[35]  Das Modell des hierarchischen Netzwerks (Allan M. Collins and M. Ross Quillian: How to make a language user. In: Organization of memory. Ed. by Endel Tulving and Wayne Donaldson. New York 1972, S. 309–351) ging davon aus, dass semantisches Wissen als ein Netzwerk von miteinander verbundenen, hierarchisch geordneten Begriffen repräsentiert werden kann. Dabei gilt, dass jeder Begriff, der Eigenschaften kennzeichnet, nur einmal, nämlich auf der höchst möglichen Hierarchieebene repräsentiert ist (Prinzip der kognitiven Ökonomie).

     Das Modell der sich ausbreitenden Aktivierung (Allan M. Collins and Elisabeth F. Loftus: A spreading-activation theory of semantic processing. In: Psychological Review 82 (1975), S. 407–428) innerhalb eines Netzwerks nimmt zusätzlich an, dass Begriffe zu Clustern dann verbunden sind, wenn sie – aufgrund von Erfahrungen – enger zusammen gehören als andere. Begriffe, die in solchen Clustern miteinander verbunden sind, werden schneller aktiviert als andere. Auch hier spielt der Hierarchiegedanke eine wichtige Rolle, allerdings vorwiegend innerhalb solcher Cluster.

     Das Modell des Merkmalsvergleichs ging von einer aktiveren, konstruktiven Leistung des Gedächtnisses aus, indem nicht nur in Netzwerken vorgespeicherten Wissen vorausgesetzt wird, sondern das Gedächtnis auch neues Wissen generieren kann (vgl. Edward E. Smith, Edward J. Shoben and Lance J. Rips: Structure and Process in semantic memory. A featural model for semantic decision. In: Psychological Review 81 (1974), S. 214–241), indem es Bündel von Eigenschaften, die typisch sind, zur Definition eines bestimmten Wortes variiert.

     Das Modell der Mehr-Ebenen-Speicherung vertiefte den Gedanken, dass Erfahrungen, die durch Verknüpfung von Wissenselementen in der Wissensstruktur abgebildet werden, auf – hierarchisch geordneten – unterschiedlichen Ebenen zu Wissensclustern führen.  Die unterschiedlichen Ebenen sind dabei geordnet nach der Intensität der Wissensverarbeitung (Fergus I. M. Craik and R. S. Lockhart: Levels of Processing: A framework for memory research. In: Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior 11 (1972), S. 671–684.; Fergus I. M. Craik: Human Memory. In: Annual Review of Psychology 30 (1979), S. 63–102).

[36]  Bartlett: Remembering (wie Anm. 20). Andere aktuelle Etiketten, mit zum Teil etwas differierenden Kontexten und Erklärungsabsichten, sind etwa »Skript« (Roger Schank and Robert P. Abelson: Scripts, Plans, Goals and Understanding. An Inquiry Into Human Knowledge Structures. Hillsdale, N. J. 1977), »Frames« (Marvin Minsky: A framework for representing knowledge. In: The Psychology of Computer Vision. Ed. by P. H. Winston. New York 1975, S. 211–280),  »Deskriptionen« (Donald A. Norman and David Guerasko Bobrow: Descriptions: An intermediate stage in  memory retrieval. In: Cognitive Psychology 11 (1979), S. 107–123) oder »Superstruktur« (van Dijk and Kintsch: Strategies, wie Anm. 30).

[37] Walter Kintsch: Gedächtnis und Kognition. Berlin–Heidelberg–New York 1982, S. 316.

[38]  Vgl. Daniel E. Rumelhart and Donald A. Norman: Representation in Memory. University of California, San Diego 1983.

[39]  Dazu paradigmatisch: Herbert H. Clark: Inferences in Comprehension. In: Basic processes in reading: perception and comprehension. Ed. by David L. LaBerge and S. Jay Samuels. Hillsdale, N. J. 1977, S. 243–263.

[40]  Walter Kintsch (The representation of meaning in memory. Hillsdale, N. J. 1974; Memory for Prose. In: The Structure of Human Memory. Ed. by Charles Norval Cofer. San Francisco 1975, S. 217–263) hat Geschichten aus dem Decamerone benutzt, Daniel E. Rumelhart (Notes on a schema for stories. In: Representation and Understanding. Ed. by Daniel Guerasko Bobrow and Allan M. Collins. London 1975, S. 211–236) verwendet Fabeln von Aesop und Hans Aebli  (Denken, Bd.1 und 2, wie Anm. 33) eine Episode aus Robinson Crusoe. Vergleiche auch weitere Hinweise bei Siegfried Hoppe-Graff: Verstehen als kognitiver Prozess. Psychologische Ansätze und Beiträge zum Textverstehen. In: Textverständlichkeit – Textverstehen. Hg. v. Wolfgang Klein. (Lili. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 55) Göttingen 1984, S. 10–37; Reinhold Viehoff und Siegfried J. Schmidt (Kommunikatbildungsprozess. Empirische Untersuchungen zur prozeduralen und deklarativen Funktion literarischen Wissens. Genehmigter DFG-Antrag Vi 2–1/95, 1986) und Dietrich Meutsch und Siegfried J. Schmidt (Über die Rolle von Konventionen beim Verstehen literarischer Texte. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 4/2 (1985), S. 381–408) arbeiten mit literarischen Texten, um Annahmen über literarische Verstehensprozesse zu validieren, ebenso Hans Aebli (Towards a psychological theory of understanding literary texts. In: Comprehension of Literary Discourse, wie Anm. 8).

[41]  Siehe dazu die klassische Arbeit von Perry W. Thorndyke: Cognitive structures in comprehension and memory of narrative discourse. In: Cognitive Psychology 9 (1977), S. 77–110.

[42]  Zur Erläuterung von deklarativem und prozeduralem Wissen und zu kognitiven Strategien insgesamt siehe den Artikel von: Margit Oswald und Volker Gadenne: Wissen, Können und künstliche Intelligenz. In: Sprache und Kognition 3 (1984), S. 173–184.

[43]  Douglas Vipond and Russel A. Hunt: Point-driven understanding. Pragmatic and cognitive dimensions of literary reading. In: poetics 13 (1984), S. 261–277; D. Vipond and R. A. Hunt: Literary Processing and Response as Transaction. Evidence for the contribution of Readers, Texts, and Situations. In: Comprehension of Literary Discourse (wie Anm. 8).

[44]  Arthur C. Graesser, Sallie E. Gordon and John D. Sawyer: Memory for typical and atypical actions in scripted activities: test of a script pointer + tag hypothesis. In: Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior 18 (1979), S. 319–332; A. C. Graesser, Jeff Mio and Keith K. Millis: Metaphors in persuasive communication. In: Comprehension of Literary Discourse (wie Anm. 8).

[45]  Siehe dazu die zusammenfassenden Kritiken in: Frank R. Yekovich and Perry W. Thorndyke: An evaluation of alternative functional models of narrative schemata. In: Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior 20 (1981), S. 454–469; Sigmar O. Tergan: Diagnose von Wissensstrukturen. Forschungsbericht Nr. 30 des DIFF. Deutsches Institut für Fernstudien Tübingen 1984; Dietrich Meutsch and Reinhold Viehoff: Empirical Research in Understanding Literary Discourse. In: Meaning. Untersuchungen zur Textbedeutung. Ed. by Antal Bokay, Terry Olivi and Janos S. Petöfi. Hamburg 1987.

[46]  Siehe dazu besonders: Roger C. Schank: Interestingness. Controlling inferences. In: Artificial Intelligence 12 (1979), S. 273–297; Ders.: Language and Memory. In: Cognitive Science 4 (1980), S. 243–284.

[47]  »So wie der Mensch nicht nur dafür eingerichtet, sondern darauf ausgerichtet ist, Gegenstände – und zwar sinnvolle Gegenstände! – wahrzunehmen, wann immer nur die Möglichkeit dazu besteht, so ist er auch darauf ausgerichtet, durch ein ›aus dem Lebensgeschehen Mensch aufsteigendes Tun‹ den bedeutungsverleihenden Akt zu vollziehen. In der Sinnkonstanz äußert sich sozusagen in reinster Form jener  ›effort after meaning‹, der nach Bartlett (1932) Grundzug jeder kognitiven Aktivität ist« (Hörmann: Meinen und Verstehen, wie Anm. 16, 195f.).

[48]  Wie – zum Beispiel – das Experiment zeigt in : Reinhold Viehoff: Some preliminary remarks to »coherence« in understanding poems. In: From verbal learning to symbolic meaning. Ed. by Terry Olivi and Janos S. Petöfi. Hamburg 1987.

[49]  Engelkamp: Sprachverstehen (wie Anm. 22), S. 35.

[50]  Vgl. Bonnie J. F. Meyer and G. Elisabeth Rice: The interaction of reader strategies and the organization of text. In: Text 2 (1982), S. 155–192. Siehe auch zusammenfassend: Walter Kintsch: Memory for text. In: Discourse processing. Ed. by A. Flammer and W. K. Amsterdam 1982, S. 186–204.

[51]  Engelkamp: Sprachverstehen (wie Anm. 22), S. 37.

[52]  Siehe Teun A. van Dijk: Macrostructures. Hillsdale, N. J. 1980.

[53]  Eine Erklärung, wie dies durch die kontrollierende und stabilisierende Funktion der Wahrnehmung geschieht, bietet an: Robert de Beaugrande: Determinacy Distributions in Complex Systems: Science, Linguistics, Language, Life. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 40/2 (1987), S. 147– 190.

[54]  Vgl. Teun A. van Dijk: Textwissenschaft. Eine interdisziplinäre Einführung. (dtv wissenschaft 4364) München 1980. Hier besonders S. 160ff. 

[55]  So Michael Kaiser: Schematheorie des Verstehens fiktionaler Literatur. Bemerkungen zur Forschungstradition. In: Deutsche Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte (Sonderheft »Kultur, Geschichte und Verstehen«) 56 (1982), S. 226–248. Hier S. 242f. – Allgemein zu diesem Punkt: Norbert Groeben: Methodologischer Aufriss der Empirischen Literaturwissenschaft. Das Rekonstruktions- und Reformpotential der Empirie-Konzeption in der Literaturwissenschaft. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 1/1 (1982), S.26–89; Siegfried J. Schmidt: Grundriss der Empirischen Literaturwissenschaft. Bd. 2: Zur Rekonstruktion literaturwissenschaftlicher Fragestellungen in einer Empirischen Theorie der Literatur. Braunschweig–Wiesbaden 1982.

[56]  Siehe dazu mit vielen Beispielen:  Norbert Groeben: Rezeptionsforschung als empirische Literaturwissenschaft. Paradigma – durch Methodendiskussion an Untersuchungsbeispielen. 2. Aufl. Tübingen 1980.

[57]  Siegfried J. Schmidt: Skizze einer konstruktivistischen Mediengattungstheorie. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 6/2 (1987), S. 163–205.

[58]  Vgl. etwa die kritischen Bemerkungen bei: Robert Boleslav Zajonc: Feeling and thinking. Preferences need no inferences. In: American Psychologist (1980), S. 151–175.

[59]  Beispielsweise diskutiert in den Bänden: Aspects of Consciousness. Vol. 1: Psychological issues. Ed. by Geoffrey Underwood and Richard Stevens. London–New York–Toronto–Sydney–San Francisco 1979, und Mario von Cranach, Urs Kalbermatten, Katrin Indermühle und Beat Gugler: Zielgerichtetes Handeln. Bern–Stuttgart–Wien 1980.

[60]  Siehe dazu besonders die Arbeiten von Stephen Michael Kosslyn. S. M. Kosslyn: Can imagery be distinguished from other forms of internal representation? Evidence from studies of information retrieval times. In: Memory and Cognition 4 (1976), S. 291–297; S. M. K. and James R. Pomerantz: Imagery, propositions, and the form of internal representation. In: Cognitive Psychology 9 (1977), S. 52–76.

[61]  Im Überblick dazu: Dieter Ulich: Das Gefühl. Über die Psychologie der Emotionen. (Goldmann Sachbuch 11400) München 1985.

[62]  Vgl. dazu Hans Wagner: Kritische Philosophie. Würzburg 1980.

[63]  Henrieke Alfes: Explorative Studie zur Theoretischen Konzeptualisierung emotiver, imaginativer und assoziativer Konstituenten im literarischen Verstehensprozess am Beispiel der Mayröcker-Rezeption. Unveröffentlichte M. A.-Arbeit. Universität Siegen 1987; Dies.: Emotional Aspects of Literary Understanding. In: Comprehension of Literature (wie Anm. 1).

[64]  Vgl. Ernst D. Lantermann: Urteile über Einstellungsobjekte im Handlungskontext. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie 11 (1980), S. 248-258.

[65]  Ulich: Das Gefühl (wie Anm. 61), S. 71.

[66]  Dietrich Dörner: Kognitive Prozesse und die Organisation des Handelns. In: Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Hg. v. Winfried Hacker. Bern–Stuttgart 1982. S. 26–37. Hier S. 28 (Hervorhebung R. V.).

[67]  Ebd. S. 33.

[68]  Ebd. S. 35.

[69]  Siehe Ulich: Das Gefühl (wie Anm. 61), S. 71.

[70]  Vgl. dazu etwa den Versuch von: Michael Stadler und Wolfgang Wildgen: Ordnungsbildung beim Verstehen und bei der Reproduktion von Texten. In: Bedürfnis und Literatur (wie Anm. 5), S. 101–144.

[71]  Ausführlicher dargestellt und abgeleitet sind einige dieser Thesen – auch unter stärker handlungstheoretischem Aspekt – schon früher in: Viehoff und Schmidt: Kommunikatbildungsprozess (vgl. Anm. 40).

[72]  So: Yekovich and Thorndyke: An evaluation (wie Anm. 45).

[73]  So: Robert de Beaugrande: Schemas for Literary Communication. In: Literary Discourse. Ed. by Laszlo Halasz. Berlin–New York  1987, S. 49–99.

[74]  So: Theo Herrmann: Über begriffliche Schwächen kognitivistischer Kognitionstheorien. Begriffsinflation und Akteur-System-Kontamination. In: Sprache und Kognition 1 (1982), S. 3–14.

[75]  So: Hoppe-Graff: Verstehen als kognitiver Prozess (wie Anm. 40), S. 32.

[76]  So: Tergan: Diagnose von Wissensstrukturen (wie Anm. 45).

[77]  So: Siegfried J. Schmidt: Der Radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären Diskurs. In: Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus. Hg. v. S. J. S. (wie Anm. 30), S. 11–88.

[78]  Kaiser: Schematheorie des Verstehens (wie Anm. 55), S. 233.

[79]  Wolfgang Iser: Die Appellstruktur der Texte – Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa. 4. Aufl. Konstanz 1974.

[80]  Hans Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer Philosophischen Hermeneutik. Tübingen 1960.

[81]  Vgl. Hans Günther: Grundbegriffe der Rezeptions- und Wirkungsanalyse im tschechischen Strukturalismus. In: Poetica 4 (1971), S. 224–243.

[82]  Siehe dazu die Bemerkung bei: Rainer Warning: Rezeptionsästhetik als literaturwissenschaftliche Pragmatik. In: Rezeptionsästhetik. Hg. v. R. W. München 1975, S. 25.

[83]  Vgl. Peter Uwe Hohendahl: Einleitung. In: Sozialgeschichte und Wirkungsästhetik. Dokumente zur empirischen und marxistischen Rezeptionsforschung. Hg. v. P. U. H. Frankfurt a.M. 1974, S. 9–48; Literaturwissenschaft und empirische Methoden (wie Anm. 11).

[84]  Zuerst: Norbert Groeben: Literaturpsychologie. Literaturwissenschaft zwischen Hermeneutik und Empirie. Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1972; auch: Ders.: Rezeptionsforschung (wie Anm. 56); Siegfried  J. Schmidt: Literaturwissenschaft als argumentierende Wissenschaft. München 1975; Ders.: Grundriss der Empirischen Literaturwissenschaft. Bd. 1: Der gesellschaftliche Handlungsbereich Literatur. Bd. 2: Zur Rekonstruktion literaturwissenschaftlicher Fragestellungen in einer Empirischen Theorie der Literatur. Braunschweig–Wiesbaden 1980 und 1982; Ders.: Empirische Literaturwissenschaft in der Kritik. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 4/2 (1984), S. 291–332; Helmut Hauptmeier und Siegfried J. Schmidt: Einführung in die Empirische Literaturwissenschaft. Braunschweig–Wiesbaden 1985; vgl. auch die Review- und Überblicksartikel: Reinhold Viehoff: Empirische Literaturwissenschaft. Ein neues Paradigma? In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 8 (1983), S. 240–252, und Helmut Hauptmeier und Reinhold Viehoff: Empirical research on the basis of bio-epistemology. A new paradigma for the study of literature? In: Poetics Today 4/1 (1983), S. 153–171; Helmut Hauptmeier: Paradigma lost – paradigm regained. the persistence of hermeneutical conceptions in the empiricized study of literature. In: Poetics 10/6 (1981), S. 561–582. Auch: Empirische Literaturwissenschaft. Hg. v. Reinhold Viehoff. Braunschweig 1988.

[85]  In der Konzeption von Schmidt: Grundriss.

[86]  Das ist eine Hypothese, die erst noch durch empirische Forschungen präzisiert werden muss. Vgl. Meutsch and Viehoff: Empirical Research (wie Anm. 45).

[87]  Siehe dazu: Dagmar Hintzenberg, Siegfried J. Schmidt und Reinhard Zobel: Untersuchungen zum Literaturbegriff in der BRD. In: Diess.: Zum Literaturbegriff in der Bundesrepublik Deutschland. Braunschweig–Wiesbaden 1980, S. 1–100; Groeben: Leserpsychologie (wie Anm. 19); Reinhold Viehoff: Aspects of  Literary Socialization in Children: Can children really receive and understand texts as literary texts? In: Semantics of Fiction (Special Issue Poetics 1, 1982) Ed. by Hannes Rieser. Amsterdam 1982, S. 345–369. Auch: Jan Wirrer: Learning to follow the fiction convention. In: Ebd. S. 371–391; Jan Wirrer: Textverarbeitung und Interpretation. Zur Verarbeitung literarischer Texte in Institutionen unter besonderer Berücksichtigung der Schule. Frankfurt a.M.–Bern–Las Vegas 1984.

[88]  Siehe dazu im Einzelnen: Dietrich Meutsch und Siegfried J. Schmidt: On the role of conventions in understanding literary texts. In: Poetics 4 (1985), S. 551–574.

[89]  Zum sozialisatorischen Aspekt zeitgenössischer Geltung der Konventionen siehe auch: Reinhold Viehoff: »Wie schön ist es zu Ostern, wenn wir mit verteilten Rollen den ›Faust‹ lesen«, oder: Literarische Sozialisation als Anwendungsproblem. In: Angewandte Literaturwissenschaft. Hg. v. NIKOL. Braunschweig–Wiesbaden 1986, S. 211–261.

[90]  Siehe dazu demnächst: Achim Barsch und Reinhold Viehoff: Zur Diskussion der Konventionen in der empirischen Literaturwissenschaft. Ms. Siegen 1987.

[91]  Kritisch dazu: Renate von Heydebrand: Literarische Wertung. In: Reallexikon der Deutschen Literaturgeschichte. 2.  Aufl. Hg. v. Klaus Kanzog und Achim Masser. Berlin–New York 1984, S. 828–872. Auch: Bernd W. Seiler: Die leidigen Tatsachen. Von den Grenzen der Wahrscheinlichkeit in der deutschen Literatur seit dem 18. Jahrhundert. (Sprache und Geschichte 6) Stuttgart 1983, S. 27ff.

[92]  In Schmidt: Grundriss, Bd. 1 (wie Anm. 84), S. 242–315. Diskutiert in: Reinhold Viehoff: Rezeption und Verarbeitung. Anmerkungen zu methodischen Fragen einer empirischen Literaturwissenschaft. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 2/1 (1983), S. 101–121.

[93]  Was hier »Äußerungssituation« heißt, ist in der literaturwissenschaftlichen Forschung unter dem Begriff »Textverarbeitung« zuerst von Wienold konzipiert worden (Götz Wienold: Formulierungstheorie, Poetik, Strukturelle Literaturgeschichte. Am Beispiel der altenglischen Dichtung. Frankfurt a.M. 1971).

[94]  Siehe unter methodischen Gesichtspunkten dazu D. James Dooling and R. E. Christiaansen: Episodic and Semantic Aspects of Memory für Prose. In: Journal of Experimental Psychology (1977), S. 428–436. Auch: Viehoff: Rezeption und Verarbeitung (wie Anm. 92).

[95]  Siehe dazu: Petra Ramöller: Aspekte der Jakobson Kritik. Paper presented at the conference on »Coherence and the Interpretation of Poetic Works of Art«. ZIFF/University of Bielefeld, December 11–13, 1986.

[96]  Hartmut Heuermann, Peter Hühn und Brigitte Röttger: Werkstruktur und Rezeptionsverhalten. Empirische Untersuchungen über den Zusammenhang von Text-, Leser- und Kontextmerkmalen. Göttingen 1982.

[97]  Juri M. Lotmann: Die Struktur literarischer Texte. München 1972.

[98]  Siehe dazu – abwägend selbstkritisch –: Brigitte Röttger: Adäquate und nicht-adäquate Rezeptionen. Paper presented at the conference »Comprehension of Literature or Literary Comprehension«, Tilburg University/NL, November 20–21, 1986.

[99]  Reinhold Viehoff: »Die weiblichen Leser von Textpaar III haben mehr Geschwister« oder: Literaturwissenschaft der 20 000 Lochkarten. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 1/1 (1982), S. 140–151.

[100] Heuermann, Hühn und Röttger: Werkstruktur und Rezeptionsverhalten (wie Anm. 96), S. 558.

[101] Hans-Werner Ludwig und Werner Faulstich: Erzählperspektive empirisch. Untersuchungen zur Rezeptionsrelevanz narrativer Strukturen. Tübingen 1985; vorher schon teilweise in: Werner Faulstich und Hans-Werner Ludwig: Ernest Hemingway: Alter Mann an der Brücke. In: Literaturwissenschaft und empirische Methoden (wie Anm. 11), S. 226–243.

[102] John B. Black, Terence J. Turner and George H. Bower: Point of view in narrative comprehension, memory, and production. In: Journal of Verbal Learning and Verbal Bahavior 18 (1979), S. 187–198.

[103] Els Andringa: Perspektivierung und Perspektivenübernahme. Zur Wahrnehmung literarischer Figuren. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 5/1 (1984), S. 135–146.

[104] Janos Laszlo: Same story with different point of view. The role of point of view in mental representation of a literary text. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 5/1 (1986), S. 1–22.

[105] Was schon vermutete: Sige-Yuki Kuroda: Reflections on the Foundations of Narrative Theory – From a Linguistic Point of view. In: Pragmatics of Language and Literature. Ed. by Teun A. van Dijk. Amsterdam.

[106] Siegfried J. Schmidt und Reinhard Zobel: Textkomplexität und Leserverhalten. In: Hintzenberg, Schmidt, Zobel: Literaturbegriff (wie Anm. 87), S. 101–160.

[107] Jürgen Grimm: Unterhaltung – zwischen Utopie und Alltag. Methode und praktische Anwendung der Inhaltsanalyse am Beispiel von Kriminalheftromanen. (Forschungen zur Literatur und Kulturgeschichte 10) Frankfurt a.M.–Bern–New York 1986.

[108] Willie van Peer: Stylistics and Psychology. Investigations of foregrounding. London–Sidney–Wolfeboro 1986.

[109] Grimm: Unterhaltung (wie Anm. 107), S. 20.

[110] Ebd. S. 364.

[111] Vgl. auch Jürgen Grimm: Assoziationsstrukturen in Kriminalheftromanen – oder die Verwurzelung fiktionaler Konzepte in der Lebenswelt. In SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 5/2 (1986), S. 241–260.

[112] Grimm: Unterhaltung (wie Anm. 107), S. 370.

[113] Ebd.

[114] Vgl. ebd. S. 16ff.

[115] Van Peer: Stylistics (wie Anm. 108), S. 177.

[116] Ebd. S. 184.

[117] Ebd. S. 185.

[118] Laszlo Halasz: Remembering Literary Works and Non-literary Variations. In: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 5/1 (1986), S. 23–48; Literary Discourse (wie Anm. 73); Psychological Approaches to the Study of Literary Narratives. Ed. by Colin Martindale. Hamburg 1987. 

[119] Das Buch von L. Halasz erscheint 1988 in deutscher Übersetzung in der Reihe Konzeption Empirische Literaturwissenschaft. Hg. von NIKOL. Braunschweig–Wiesbaden.

[120] Vgl. dazu: Laszlo Halasz: Cognitive and Social Psychological Approaches to Literary Discourse. An Overview. In: Literary Discourse (wie Anm. 73), S. 1–37.

[121] Laszlo Halasz: Social Perception and Understanding of Interaction in the Short Stories Entitled ›Everything that rises must converge‹ and  ›Brutes‹ (Barbarians). In: Literary Discourse (wie Anm. 73), S. 140–166.

[122] Louise Rosenblatt: The Reader, the Text, the Poem: The Transactional Theory of the Literary Work. Carbondale 1978.

[123] Vergleiche dazu die Argumente in:  E. H. Lichtenstein and William F. Brewer:  Memory for Goal-Directed Events.  In: Cognitive Psychology 12 (1980), S. 412–445.

[124] So argumentiert auch Hans Aebli: Towards a psychological theory. In: Comprehension of Literary Discourse (wie Anm. 8).

[125] De Beaugrande: Schemas (wie Anm. 73), S. 79.

[126] Ebd. S. 77.

[127] Vgl. zu dem Konzept der »text-world«-schemata: Robert de Beaugrande: Text, Discourse and Process. Norwood, N. J. 1980.

[128] Janos Laszlo: Understanding and Enjoying. In: Literary Discourse (wie Anm. 73), S. 113–124.

[129] Colin Martindale: Narrative Pattern Analysis: a Quantitative Method for Inferring the Symbolic Meaning of Narratives. In: Literary Discourse (wie Anm. 73), S. 167–181.

[130] J. Shimron: Processes Behind The Comprehension Of A Poetic Text. In: Instructional Science 9 (1980), S. 43–66.

[131] W. J. Harker: Comprehending the discourse of poetry. In: Discourse Processing. Ed. by August Flammer and Walter Kintsch. Amsterdam 1982.

[132] Vipond and Hunt: Point-driven understanding; Vipond and Hunt: Literary Processing (wie Anm. 43).

[133] Dick H. Schram: Norm en Normdoorbreking. Empirisch onderzoek naar de receptie van literaire teksten voorafgegaan door een overzicht van theoretische opvattingen met betrekking tot de funktie van literatuur. Amsterdam 1985.

[134] Petra Hoffstaedter: Poetizität aus der Sicht des Lesers. Eine empirische Untersuchung der Rolle von Text-, Leser- und Kontexteigenschaften bei der poetischen Verarbeitung von Texten. (Papiere zur Textlinguistik 57) Hamburg 1986.

[135] Dietrich Meutsch: Literatur verstehen. Eine empirische Studie. (Konzeption Empirische Literaturwissenschaft IX) Braunschweig–Wiesbaden 1987.

[136] Für diese Schwerpunktbildung sind nicht nur Idiosynkrasien der beteiligten Forscher verantwortlich, sondern vor allem die Tatsache, dass mit der Einflussnahme der psychologischen Perspektive auf die literaturwissenschaftlichen Fragestellungen das Subjekt und seine Fähigkeiten – methodologisch notwendig – in den Mittelpunkt gerückt sind. Von dem konzeptionellen Entwurf der Empirischen Literaturwissenschaft her, wie er etwa bei Schmidt (Grundriss, Bd. 1) vorliegt, ist dies nicht in gleicher Weise zwingend: hier bieten ebenso systemtheoretische oder gar gesellschaftliche Annahmen eine theoretische Rückversicherung dafür, dass die gegenwärtige Schwerpunktsetzung nicht zur Sackgasse für die gesamte Konzeption wird.

[137] Hoffstaedter: Poetizität (wie Anm. 134), S. 3.

[138] Ebd. S. 16.

[139] Ebd. S. 165.

[140] Dieses Gedicht wird behandelt und zum Gegenstand empirischer Forschung gemacht in: Werner Bauer, Renate Braunschweig-Ullmann, Helmut Brodman, Monika Bühr, Brigitte Keisers und Wolfram Mauser: Text und Rezeption. Wirkungsanalyse zeitgenössischer Lyrik am Beispiel des Gedichtes ›Fadensonnen‹ von Paul Celan; Reinhold Viehoff: How to construct a literary poem? In: Poetics 15 (1986), S. 287–306; außerdem bei Hoffstaedter: Poetizität (wie Anm.134).



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