Jan-Dirk Müller: Ir sult sprechen willekomen. Sänger, Sprecherrolle und die Anfänge volkssprachlicher Lyrik
Es ist seit langem Konsens, daß Minnesang nicht "biographisch", sondern als Rollenlyrik zu verstehen ist.
Daraus wird gelegentlich die These abgeleitet, es handle sich um ein selbstgenügsames Spiel mit Varianten aus dem immer gleichen
Motivbestand. Damit gerät aber der praktische Orientierungsanspruch des Minnesangs aus dem Blick. Insofern nämlich
im Medium der Minnereflexion meist auch über richtiges und falsches Verhalten bei Hof verhandelt wird, gibt der Minnesang
seine Referenz auf "Realität" nie völlig auf. Der Beitrag versucht zu zeigen, wie sich daraus ein eigentümliches
Fiktionsverständnis ergibt, das sich von demjenigen in neuerer Lyrik durchaus unterscheidet und in das das Publikum literarischen
Frauendienstes erst eingeübt werden muß.
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