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Rainer Kolk

Wahrheit - Methode - Charakter

Zur wissenschaftlichen Ethik der Germanistik
im 19. Jahrhundert



Die Philologie, die allverstehende,
fordert von ihren Jüngern mehr als
andere Wissenschaften, daß sie
wahre und ganze Menschen seien.

Als der neuerschienene Briefwechsel der Brüder Grimm mit Karl Lachmann (1925-1927) dem Rezensenten der Zeitschrift für deutsche Philologie, Helmut de Boor, vorliegt, bescheinigt er diesen Dokumenten aus den Anfängen der Germanistik eine erstaunliche Aktualität. Die Briefe verrieten eine "wissenschaftliche Moral", die auch nach einem Jahrhundert mit ihrer vorbildlichen Auffassung von germanistischer Forschung die eindringliche Lektüre lohnten: Diesen Männern sei "Wissenschaft Daseinszweck und Lebenswürde" gewesen, das Streben "nach den Höhen einer sittlichen Vervollkommnung" habe die Arbeiten der Grimms und Lachmanns bestimmt. 1 Die folgenden Überlegungen wollen diesem Hinweis de Boors nachgehen und die Bedeutung der wissenschaftlichen Ethik in der Frühphase des Fachs erläutern.

Daraus ergibt sich die Konsequenz, die Geschichte der Germanistik einmal nicht aus der theoriegeschichtlichen Perspektive zu rekonstruieren, sondern den Akzent auf wissenschaftssoziologische Fragen zu legen. Denn seit Thomas S. Kuhns wegweisenden Arbeiten zur sozialen Struktur der modernen Wissenschaft ist deutlich geworden, daß nur aus der kognitiven Potenz wissenschaftlicher Theorien Einheit und Wandel der Fachgebiete nicht hinreichend erklärt werden können. 2 Die soziale Organisation der Disziplinen, ihre Institutionalisierung an Universitäten und Akademien, die Professionalisierung der Wissenschaftler und ihre Kommunikation – untereinander und mit der außerwissenschaftlichen Öffentlichkeit – sind Gegenstände der Wissenschaftsforschung geworden. Für die Geschichte der Germanistik kann ein entsprechender Arbeitsrahmen formuliert werden. Zu beschreiben ist dann die allmähliche Entstehung und Festigung einer Disziplin für deutsche Sprache und Literatur, die zunächst ohne akademische Tradition ist. Die Untersuchung der Kontakte zu anerkannten Forschungsgebieten und der Formen der Kooperation oder Konkurrenz an den reorganisierten Universitäten führt auf die Frage nach dem eigenständigen Profil des neuen Arbeitsgebietes, seinem spezifischen Leistungsvermögen in Forschung und Lehre. Schließlich: Wie kommunizieren die Mitglieder der "scientific community" (Kuhn), wie entsteht Konsens, oder rivalisieren auf Dauer unterschiedliche Wissenschaftskonzepte?

Die Darstellung der Berufsethik, ihrer Entstehung und ihrer Funktion, soll innerhalb dieses Fragerasters einen Aspekt präzisieren, dessen langfristige Bedeutung für das Sozialsystem des Fachs in den Urteilen de Boors anklingt. Es werden zunächst einige grundlegende kommunikative (I) und institutionelle (II) Entwicklungen der Germanistik in ihrer Anfangsphase beschrieben; es folgt die Analyse der Nekrologe auf die >Gründer< der Disziplin (III). Schließlich wird die Diskussion der Tradition (IV) und der Berufsethik (V) im sogenannten "Nibelungenstreit" verfolgt.

I

Mit der Ausbildung des modernen Wissenschaftssystems im 19. Jahrhundert entsteht für die Disziplinen der sich ausdifferenzierenden Philosophischen Fakultät die Notwendigkeit, gesellschaftliche Akzeptanz zu erzielen. 3 Um sich kontinuierlich institutionell absichern zu können, ist es auf Dauer nicht ausreichend, nur wissenschaftliche Wahrheiten zu erzeugen und zu popularisieren. Zu dieser kognitiven Ebene muß eine affektiv-soziale Dimension hinzukommen: Wissenschaftliche Disziplinen erzeugen an der Universität einen Ausbildungsprozeß als Einheit dieser Momente. Qualifikation auf fachlicher Seite wird durch die systematische Erzeugung von Handlungsorientierungen ergänzt und gefestigt. Universitäre Sozialisation kann nur begriffen werden als umfassender Lernvorgang in beiden Bereichen. 4 Für die Rekonstruktion des Werdegangs einzelner Fächer impliziert dies, nicht mehr nur die Entstehung und Ablösung von Forschungskonzepten nachzuvollziehen. Berücksichtigt werden muß komplementär das Selbstverständnis von – im vorliegenden Falle – Germanisten; ihr wissenschaftliches Ethos, die Regeln und Pflichten im Umgang mit den Gegenständen der Arbeit, ist als dem kognitiven Zuwachs gleichrangiges Resultat disziplinär organisierter Wissenschaft ernstzunehmen.

Die zu Beginn des 19. Jahrhundertseinsetzende Reformierung des Wissenschaftssystems, besonders die Neugestaltung der Universitäten, ermöglicht den Vertretern philologisch-historischer Fächer, ihre Wissenschaft als Beruf auszuüben. 5 Neugeschaffene Personalstrukturen, Studien- und Examensanforderungen, förmliche Laufbahnregelungen und eine differenzierte bürokratische Kontrolle der Institutionen werden die Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Professionalisierung. In der neuen Disziplinenvielfalt übernimmt die Klassische Philologie – neben der Philosophie – eine Führungsrolle, deren wegweisende Funktion für die entstehende Germanistik wiederholt betont worden ist. 6 "Philologisierung" (Janota) bezeichnet – in erster Linie verbunden mit den Namen Karl Lachmann und Moriz Haupt – zunächst die Übernahme der textkritischen Verfahren bei der Edition der mittelalterlichen Quellen und literarischen Werke. Zudem können auch theoretische Konzepte wie die Epentheorie – in Anlehnung an Friedrich August Wolf 7 – sowie die Tendenz zur Spezialisierung auf enggefaßte Arbeitsbereiche 8 als Folge dieser Orientierung an der Nachbardisziplin in der Germanistik gesehen werden.

Das ist – um die genannte Unterscheidung aufzunehmen – der Zuwachs in der kognitiven Dimension der um ihre Anerkennung und institutionelle Verankerung bemühten Disziplin. Zugleich aber erhält die Deutsche Philologie ihre Berufsethik, die sich als mindestens so dauerhaft und einflußreich erweisen wird wie die methodischen Konzepte, die in jedem wissenschaftlichen Bereich beschleunigtem Wandel unterzogen sind. Lachmann und Haupt, später Karl Müllenhoff und Gustav Roethe – und mit ihm ist das 20. Jahrhundert erreicht – vertreten auf den renommiertesten Lehrstühlen Deutschlands das von Franz Schultz resümierte "philologische Ethos: die zurückhaltende Selbstverantwortlichkeit, Treue im Kleinen, Andacht zum Unbedeutenden, eingezogene Lebensführung, Scheu vor subjektivistischen Vorläufigkeiten und bloßen Impressionen, der Verzicht in jeder Hinsicht, die Idiosynkrasie vor dem >Journalismus< und >Feuilletonismus<, das stolze Sichabgrenzen." 9 Dieser Merkmalskatalog beschreibt das Selbstverständnis von Germanisten bis in die Gegenwart hinein, wobei die für das 19. Jahrhundert angenommene Dominanz zurückgeht. Besonders deutlich wird die Spannweite dieser Haltung: Sie impliziert ein bestimmtes Verhältnis zum Objekt der Arbeit (die Grimm zugeschriebene "Andacht zum Unbedeutenden"), eine spezifische Qualität der Kommunikabilität von Forschungsergebnissen (der später von Müllenhoff und Zarncke gleichzeitig erhobene Journalismus-Vorwurf gegen Wilhelm Scherer) und betont eine asketische Form der alltäglichen Lebensführung.

Die Bedeutung dieser Philologisierung der wissenschaftlichen Grundhaltung von Germanisten der Anfangsphase erschöpft sich allerdings keineswegs in solchen individuellen Attributen. Die Funktion für die um universitäre Reputation bemühte Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur liegt in dem Beitrag zur Verwissenschaftlichung des Fachs. Für die Anfänge der Disziplin ist kennzeichnend die Vielfalt rivalisierender Konzepte des Umgangs mit der Überlieferung. 10 Der Bogen spannt sich von der Mitteilung aufgefundener Handschriften über patriotisch motivierte Popularisierungsversuche bis hin zur historisch-kritischen Textwiedergabe. Die Kritik philologisch geschulter Wissenschaftler an den konkurrierenden Unternehmungen formuliert nun nicht nur sachliche Argumente bezüglich der Vorgehensweise und der erzielten Ergebnisse. Mindestens ebenso pointiert vollzieht sich die moralische Diskreditierung. Lachmann urteilt 1822 über die Ortnît-Ausgabe Franz Joseph Mones:

Monens Werk ist nicht ein Beyspiel, dem ehrliebende Herausgeber des Heldenbuchs folgen werden; es ist ein abschreckendes Beyspiel davon, was man im Jahre 1821 Ausgabe, Kritik und gelehrte Deutung zu nennen gewagt habe. Wir sehen auf diesem Felde nicht eine grosse Zahl ehrwürdiger Muster vor uns, deren blosse Betrachtung den Verirrten heimleiten könnte. Darum ist Pflicht der Redlichen, jedem Unfuge zu steuern [...]. Glimpfliche Sanftmuth wäre hier pflichtwidrig, weil unser Mann schon gezeigt hat, dass sie ohne Erfolg an ihn verschwendet wird. 11
Ganz ähnlich werden einer Edition des Berliner Geographie-Professors August Zeune die "ungründlichen Bemühungen eines Liebhabers" attestiert, nämlich eine "Unzahl von Willkührlichkeiten", "Schnitzer der gröbsten Art" und "Verunstaltungen". Der vorletzte Abschnitt der Rezension erläutert schließlich den Nutzen abschreckender Beispiele: "Auch thut es Noth, die jüngeren Freunde unseres Studiums zu warnen vor solcher eiteln und trägen Leichtfertigkeit, vor der nur ein ernster wissenschaftlicher Sinn den redlich-strebenden bewahrt." 12

Es geht in diesen Äußerungen aus der Frühphase, denen sich gleichartige der Brüder Grimm oder Haupts an die Seite stellen lassen, 13 noch darum, die dilettierenden Konkurrenten als charakterlich fragwürdige Literaten aus dem Bereich seriöser Wissenschaft auszugrenzen. Bevorzugter Ort der Exkommunikation sind die Rezensionsorgane, deren Leserschaft nicht nur aus Fachkollegen besteht. Die Beeinflussung des gebildeten Publikums, zu dem auch die für Lehrstuhlvergabe, Stipendienfonds und wissenschaftspolitische Planungen zuständigen Ministerialbeamten zu rechnen sind, und die Lenkung der öffentlichen Meinung sind beabsichtigte Effekte dieser Rezensionspraxis. 14 Daß diese Absicht, den philologischen Zugriff – im Verbund mit der von Jacob Grimm favorisierten historischen Sprachforschung – systematisch als allein wissenschaftlich akzeptable Arbeit darzustellen, von Erfolg gekrönt war, zeigen Zustandsbeschreibungen der Jahrhundertmitte. Wiederholt wird die Teilnahmslosigkeit eines größeren Leserkreises beklagt, mit philologischer Exklusivität in Verbindung gebracht und damit die Zukunft des Fachs in Frage gestellt. 15 Die Analyse des "Nibelungenstreits" wird zeigen, wie diese Entwicklung unter den beteiligten Wissenschaftlern reflektiert wird.

Im Zuge der Etablierung der Deutschen Philologie an der Universität werden die genannten Topoi der Dilettantenkritik auf die Ablehnung des Autodidakten ausgedehnt. Lachmann hatte in der erwähnten Zeune-Rezension noch bemerkt: "Uns sind auch blosse Liebhaber sehr willkommen, wenn sie bescheiden einzelnes bemerken, wenn sie Hülfsmittel aus Handschriften, oder aus entlegneren Fächern der Gelehrsamkeit zutragen." 16 Für Müllenhoff sind 1854 auch solche Hilfsdienste bereits fragwürdig geworden, denn "man muß nicht vergessen, daß selbst Männer, denen die Wissenschaft in ihrem Entstehen mancherlei verdankt, doch hinter ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind." Es folgt, daß "die Autodidaxie hier ebenso unvollkommen bleibt, wie anderswo." 17 Empfohlen werden kann dann nur ein geregeltes philologisches, wenn auch noch nicht rein germanistisches Studium unter Anleitung eines selbst wiederum fachlich ausgewiesenen Universitätslehrers. Auch dessen Berufsstand gilt es von unqualifiziertem Nachwuchs freizuhalten; Adelbert von Keller lehnt das Gesuch eines Juristen um die venia legendi für deutsche Sprache und Literatur ab: Die moderne Philologie könne sich nicht "niedriger taxieren und behandeln laßen, als andere akademische Lehrfächer; ja sie darf Autodidakten und Dilettanten umsoweniger Zutritt zu ihren Kathedern gestatten, als bei dem neuen Aufschwunge dieser Wissenschaft einerseits Selbstunterrricht schwierig andererseits die Aufgabe doppelt nahegelegt ist, die Würde ihres Faches gegenüber den durch Sprachmeister und Litteraten hervorgerufenen Mißdeutungen und Vorurtheilen zu wahren." 18 Dieser Vorgang ist in vielen Disziplinen des reformierten Wissenschaftsystems im 19. Jahrhundert zu beobachten. 19 Die "new professional standards" (Turner) verdrängen die "als Dilettanten" klassifizierten Autoren, versagen ihnen Kollegialität und Anerkennung und fokussieren die Diskussion der Experten auf scharf umrisseneProblemstellungen. Disziplinäre Gemeinschaften werden die neue Organisationsform der wissenschaftlichen Kommunikation. 20

II

In den bisherigen Ausführungen ist hauptsächlich die auf Abgrenzung bedachte Seite des philologischen Selbstverständnisses thematisiert worden. Nur in der Warnung Lachmanns vor eilfertiger Scheinwissenschaft – bestimmt für die "jüngeren Freunde unseres Studiums" – klang an, was als notwendige Bestimmung der Funktion einer Berufsethik konstruktiv hinzukommt: die Verpflichtung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf die Grundhaltung der disziplinären Arbeit. Die deutsche Universität des 19. Jahrhunderts bietet dafür einen festen institutionellen Rahmen: das Seminar, dessen Prinzip zunächst in der Klassischen Philologie durchgesetzt und dann von allen anderen Fachbereichen übernommen wurde. 21 Für die Germanistik hat Uwe Meves neuerdings eine detaillierte Beschreibung der administrativen Aspekte der Seminargründungen gegeben. 22 Bedeutsamer für die vorliegende Untersuchung ist die Leistung des Seminars für seine Disziplin: die Rekrutierung junger Wissenschaftler und ihre fachspezifische Sozialisation.

Es macht in dieser Perspektive einen nicht geringen Mangel der frühen Germanistik aus, daß sie über keine eigenen Seminare verfügt. Das erste deutschphilologische Seminar entsteht 1858 unter der Leitung von Karl Bartsch an der Universität Rostock. Zunächst ist die wissenschaftliche Schulung der Studenten damit dem altphilologischen Seminar zugewiesen, ohne Frage ein wichtiges Moment für die Orientierung der Germanistik an der traditionsreichen Nachbardisziplin. Denn die Beschreibungen seminaristischer Unterweisung heben den inhaltlichen Ausbildungseffekt erst in zweiter Linie hervor. Als Beispiele können in der ersten Jahrhunderthälfte nur Haupt und Lachmann dienen, die durch ihre Doppelprofessuren die Leitung von Seminaren (für die alten Sprachen) übernehmen konnten. Über den letzteren teilt sein Biograph mit:

Diesen Erfolg [die fortwährende Anerkennung durch bereits examinierte Seminarmitglieder, R. K.] erzielte er durch strenge, methodische Zucht. [...] Denn Klarheit vor Allem forderte Lachmann, sicheres Bewusstsein von den Gränzen des eigenen Wissens. Jedes Rathen, Tasten, Raisonniren über halbgewusste Facta war ihm verhaßt. [...] Er trug daher auch kein Bedenken gelegentlich sein Nichtwissen auszusprechen, einen Irrthum anzuerkennen, von einem Seminaristen Belehrung anzunehmen. Aber Faselei und vorlauten und naseweisen Dünkel wies er mit eben der Unbarmherzigkeit zurück, als umhertappendes Halbwissen: >Solche Bursche<, meinte er, >muss man kappen<. 23
Das erste explizite Ziel seminaristischer Ausbildung ist die Einübung textkritischer Verfahren, der "Methode; nicht Kenntnisse sammeln, am wenigsten durch die directe Mittheilung des Lehrers." 24 Entsprechend grenzt auch der Altphilologe Friedrich Ritschl in einem Gutachten über philologische Seminare deren Eigenheit gegen Vorlesungen ab, die keine "methodische Fertigkeit, die nur durch eigne Uebung der Kräfte erworben wird", hervorbrächten. 25 Das zweite Ziel der Übungen wird von Moriz Haupt in einer Ansprache an die Teilnehmer formuliert:
Auch bilde ich mir nicht ein, etwas besonders neues vorgebracht zu haben; ich wünsche aber sehr, dass Sie ein ethisches Moment erfasst haben mögen. Wer es mit seiner Wissenschaft nicht ernstlich meint, steht unter dem gewöhnlichsten Handwerker. Zu einem solchen Nichternstnehmen aber ist gerade in der Philologie die grösste Verführung. [...] und der Trieb kommt, sich zu zeigen. Mit ihm aber kommt das Hintanstehen der Wahrheit. Die Wissenschaft sinkt von dem Suchen nach der Wahrheit zur Dienerin gemeiner Eitelkeit herab, die Sucht nach dem Neuen tritt auf, und hinter ihr weicht das Gefühl für das Wahre, das Einfache zurück. So leidet der, der seiner Wissenschaft nicht mit dem Herzen dient, Schaden an seiner Seele. 26
Es ist durchaus kein Zufall, daß in diesen Äußerungen keine inhaltlichen Bezüge auf die Gegenstände der Übungen, etwa auf Autoren und Werke des Klassischen Altertums, zu finden sind. Jenseits der wechselnden Seminarthemen bleibt der ethische Anspruch dieser Unterweisungen, ihre Insistenz auf der Durchdringung von Wissenschaft, vorzüglich gedacht als methodisches Vorgehen, und auszubildender Persönlichkeit konstant. In den Fragmenten zu einer geplanten Hodegetik mit dem Arbeitstitel "Zur Methode des philologischen Studiums" steht für Ritschl dieser Aspekt im Zentrum seiner Empfehlungen. Das Zielder Universitätslehre ist die "heilige Scheu vor der Wahrheit, der unbedingten, reinen, unerbittlichen, unbarmherzigen." 27 Auf der Seite des Dozenten entspricht dem das für reife wissenschaftliche Disziplinen typische Bekenntnis zur Spezialisierung: "Enthusiasmus liegt nur in der Einseitigkeit; das Encyclopädische kann nicht begeistern." Jedenfalls nicht den wahren Philologen; hingegen den reinen Pädagogen mit seinem "stofflichen Indifferentismus." 28

Für den Studenten der Philologie bedeutet das entsprechend, die "Lust des Schaffens, des innern geistigen", und den "Wahrheitssinn, seine Bewahrung, Schärfung, Reinhaltung" zu erproben und damit "die moralische Wirkung des wissenschaftlichen Lehrers" zu erfahren. Dem noch in der Ausbildung befindlichen Philologen sind Fehler zu verzeihen, wenn sie aus der Unvollkommenheit seines Wissens resultieren; die Berichte über die Lehrtätigkeit im Seminar erwähnen grundsätzlich die Nachsicht der Ordinarien etwa mit den Mängeln einer angefertigten Hausarbeit. Aber sie dürfen keinesfalls die erwähnten Grundtugenden der Ausbildung vermissen lassen: methodischen Zugriff nach Maßgabe des Dozenten und selbstdisziplinierte Problemlösung als Dienst an der wissenschaftlichen Wahrheit, denn nur "das Streben nach dem Festhalten an der Wahrheit macht gut. Darum man so viel moralische Wirkung mit ächter Wissenschaft macht, und sie das beste moralische Erziehungsmittel ist, das ich kenne." 29 Den "alten Pädagogen" ist damit eine klare Absage erteilt: "Sie erheiterten, erquickten, aber sie lehrten keine Arbeit", vielmehr bevorzugten sie das "behagliche Schlendern, das auf unmittelbaren Genuss hinwollte." Damit vergaßen sie, daß nur das "auf Umwegen i.e. durch die Arbeit errungene Wissen [...] wahrhaftbildend" wirkt. 30 Wissenschaft selbst, in ihrem disziplinierenden Vollzug, ist das Erziehungsmedium, das eine selbständige Pädagogik zu verwässern droht. Auch der Sache der Schule ist am besten gedient, wenn Wissenschaft und Persönlichkeitsbildung ohne trennendes Drittes, ohne Didaktisierung, ineinandergreifen. Zwar ist Seminarausbildung Anleitung zur eigenen selbständigen Forschungstätigkeit, aber praktisch ist natürlich erst der förmlich examinierte Philologe als Kollege akzeptabel. So rückt denn auch ein Aphorismus Ritschls die Sozialisationsfunktion noch einmal deutlich in den Vordergrund: "Besser methodisch irren, als unmethodisch d.h. zufällig das Wahre finden." 31 Auf Zufälle und glückliche Eingebungen kann sich keine Wissenschaft gründen. Selbstdisziplin, Wahrheitsliebe, Beherrschung persönlicher Antriebe durch systematische Schulung – die Attribute einer Persönlichkeit, der Wissenschaft höher steht als materieller Nutzen. Gegen solchermaßen inspirierte "Brotstudien" um der individuellen Karriere willen empfiehlt der Neukantianer Eduard Zeller 1879 in seiner Rektoratsrede den versammelten Kommilitonen eine "sichere und durchgreifende Abhülfe: jene reine, zum Charakter gewordene Liebe zur Wahrheit." 32 Wissenschaft macht zum wirklichen Leben tauglich.

Das Seminarprinzip setzt sich in der Universität des 19. Jahrhunderts so erfolgreich durch, weil die Ergebnisse seiner Sozialisation systematisch reproduzierbar sind. Nicht die glückliche Formung vereinzelter Genies ist das Ziel dieser Ausbildung – das hatte es schon immer gegeben. August Boekh kann bereits 1839 resümieren, daß "eine allgemeinere Verbreiterung ausgebildeter und regelrechter Kunstübung auch die grosse Anzahl Minderbegabter in den Stand gesetzt" habe, "das wissenschaftliche Kapital mit irgend einem bemerkenswerthen Beitrage zu mehren." 33 Selbstverständlich geworden ist damit ein prinzipieller Unterschied zum Ausbildungsverständnis des 18. Jahrhunderts :Die im Seminar institutionalisierte Konzeption von fachlicher Qualifikation geht von einem Forschungsbegriff aus, der eine Umformung des Initianden erfordert: "Der Versuch, jemanden zum Forscher zu bilden, verlangt eine völlige Restrukturierung seines Geistes – einen Bruch mit seiner epistemologischen Vergangenheit." 34 Helmuth Plessner hat in einer Studie zur modernen Universität "Mechanisierung, Methodisierung, Entpersönlichung (bei gänzlicher Abstellung auf individuelle Leistung!)" 35 als Kennzeichen des Forschungsbetriebes genannt. Institutionell herausgehoben wird diese Differenz zu den Erfordernissen einer vorwissenschaftlichen Existenz nach dem für alle Studenten identischen Immatrikulationsritual fachspezifisch durch den Eintritt in das jeweilige Seminar. Formalisierung des Zugangs über Aufnahmeprüfungen, Limitierung der Mitgliederzahl, Verbindlichkeit der Statuten, Differenzierung der Mitgliedschaft (außerordentliche, ordentliche Mitglieder, Seminarältester, Amanuensis) und Leistungsprämien betonen Exklusivität und überindividuelle Organisation.

III

Im diametralen Gegensatz zu der von Plessner hervorgehobenen Tendenz zur "Entpersönlichung" in der modernen Wissenschaft, in den Disziplinierungsgeboten der Hodegetiken immer präsent, stehen die Nekrologe auf herausragende Vertreter des Fachgebietes. In den historischen Abrissen der Germanistik herrscht Einigkeit darüber, daß Jacob Grimm und Lachmann diese Disziplin >gegründet< haben: "Er war ein Genie der Kritik, wie Jacob Grimm ein Genie der Kombination. Erst Jacob Grimm und Lachmann in ihrem Zusammenwirken haben es möglich gemacht, daß sich eine Schule der altdeutschen Philologie, eine Tradition ihres Verfahrens bilden konnte." 36 Scherers Urteil ist kein Einzelfall. Fast alle Texte, die Aufgabe, Bedeutung und Ziele der Germanistik bestimmen wollen, gehen von dieser Konstruktion im 19. Jahrhundert aus; desgleichen Rezensionen, die als Maßstab die Werke der Genannten anführen; schließlich die Nachrufe und Gedenkreden. Welche Funktion haben diese ungezählten Texte zu den Figuren der "heroischen Phase" (Roethe)? Sicherlich dienen sie nicht nur der wehmütigen Erinnerung an eine Zeit, da noch nicht Publikations- und Verwaltungsroutine den Alltag des Wissenschaftlers beherrschten, da noch aufsehenerregende Ergebnisse und Funde möglich waren.

Einen ersten Hinweis geben Scherers Attribute: "Genies" sind keine durchschnittlichen Charaktere, wie sie die Hodegetiken sich vorstellen. In der mit Beilagen fast dreihundert Seiten starken Biographie Lachmanns, die noch in seinem Todesjahr 1851 erscheint, heißt es:

Verfolgt man die Entwicklung Lachmanns im Zusammenhange, so stellt diese Vielseitigkeit sich dar als nothwendig bedingt durch den Gang seiner Studien und seines Lebens. Seine Thätigkeit ist kein wüstes und wirres Conglomerat zufällig zusammengebrachter, heterogener Stoffe, sondern ein Krystall, von innen heraus nach natürlichen Bildungsgesetzen zu einem harmonischen Gebilde sich gestaltend. 37
Nach einer ausführlichen Aufzählung der verschiedenen Arbeitsgebiete und der zahlreichen editorischen Leistungen heißt es endlich:
Lachmanns wissenschaftliches Leben ist ein vollendetes Kunstwerk. Die einzelnen Theile fügen sich mit innerer Nothwendigkeit zueinander und zum Ganzen, das Ganze selbst ist ein Bedeutendes, Fertiges, Geschlossenes. [...] Nur dadurch erscheint die weite Ausdehnung der Studien und der litterarischen Wirksamkeit möglich, dass sie innerlich concentrirt fast durchgängig auf einen bestimmten Zweck mit scharfer, sicherer, gleicher Methode sich richten. 38
Das höchste Lob für den Philologen ist formuliert. Seine Existenz hat sich dem Objekt seiner Wissenschaft assimiliert, ist selbst Kunstwerk geworden. Spezialisierung – notwendiges Signum des echten Forschers – und Vielseitigkeit, natürliche Begabung und meisterhafte Beherrschung der "Methode" haben sich zur exemplarischen Biographie verdichtet. Was der Seminarunterricht intendiert, hier ist es greifbar, überprüfbar, zur Anschauung gebracht: die Identität von Leben, Charakter und Wissenschaft. Die Gestalt des Gründers ist das personifizierte philologische Ethos.

Das Arbeits- und Pflichtethos zeichnet auch die andere Gründerfigur aus. Wilhelm Grimm schildert seinen Bruder:

Der Jacob wird mich immer an Gelehrsamkeit, wahrscheinlich auch an schnellem Scharfsinn übertreffen; er hat eine Ausdauer, die mir Gott versagt hat, nicht blos einen Tag, sondern eine Anzahl hinter einander kann er von Morgen bis in die Nacht sitzen, ohne sich fast zu regen; es ist ebenso, wie er wohl zwei Tage ohne Nahrung (es ist wirklich wahr) zubringen kann, während mir das Hungern immer schlecht geräth. 39

Dieser vorbildliche Charakterzug wird allerdings in maßgeblichen historischen Darstellungen immer wieder überlagert: "Jacob Grimm hatte nicht das Bedürfnis, eine Sache abzuschließen, auszuschöpfen, den höchsten möglichen Grad von Gewißheit darüber zu erreichen und keine Fragezeichen stehen zu lassen ohne Not." 40 Das "Genie der Kombination" erzeugt zwar unnachahmliche Produktivität in einer Vielfalt der Arbeitsgebiete. Doch dieser Hochachtung hängt das Mißtrauen an, daß diese Genialität umschlagen kann in Flüchtigkeit, mangelnde Solidität und spekulative Sorglosigkeit. 41 Das "Genie der Kritik" aber ist die konsequente Verlängerung systematischer Arbeitshaltung, die zur Perfektion gelangte Verbindung von Selbstdisziplin und wissenschaftlicher Sorgfalt. Paradox formuliert: Lachmann erscheint als Genie der Methode. Seine Biographie ist mit den Imperativen der philologischen Ausbildung kompatibel, ist "nothwendig bedingt". Die Leistungen des Autodidakten Grimm erscheinen als Folge individueller, intuitiver, einmaliger, also nicht systematisch reproduzierbarer, >schulbildender< Arbeitsweise. Auch der wissenschaftliche Bewunderer erkennt diese Differenz an:

Er ist eine urwüchsige Dichterkraft in hervorragendem Sinne. [...] Liegt schon in dieser reichen Combinationsgabe Jacob Grimms echte Poesie vor uns erschlossen, so zeigt diese poetische Gabe sich in gleicher Weise in seiner Sprache, die vom Zauber der Poesie getragen wird. 42
Eine wichtige Bedingung für den universitären Etablierungsprozeß der Germanistik, ihre Orientierung an der Klassischen Philologie, erklärt zugleich die fast völlige Abwesenheit eigenständiger methodologischer Selbstreflexion in der neuen Disziplin bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. 43 Die angeführten personenzentrierten Texte – und darin sehe ich ihre Funktion und eine Erklärung für ihre Vielzahl – stellen soziale Selbstreflexion dar. Mit der Dominanz altphilologischer Konzepte ergibt sich der deutliche Akzent auf exemplarischen Philologenbiographien. In ihnen reflektiert die noch instabile Disziplin die Bedingungen der Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis. Die beständige Rede von der "Zucht" philologischer Textbehandlung deutet nicht auf Wissensakkumulation, sondern auf Verhaltensdisposition als Ziel. Noch 1937 spricht Julius Petersen von der "erzieherisch sehr heilsamen Glossenarbeit", durch die sich in Roethes Seminar der Aufstieg vom außerordentlichen zum ordentlichen Mitglied vollzog. 44 Aus den Beschreibungen des fast mythischen Lebenswerks Lachmanns entspringen die Topoi der Nekrologe auf die Schüler. Nicht Originalität, sondern Affinität ist hier Ausweis paradigmatischer Forschung. Haupts Arbeiten werden charakterisiert durch "seine unbedingte verehrung Lachmanns" und eine "feste und sichere leitung durch die strengste methode". 45 Über den Kieler, später Berliner Ordinarius Müllenhoff wird gesagt: Die Anregungen seiner Lehrer "verbanden sich bei ihm zu einem harmonischen ganzen, in welchem die universalität der berachtungsweise Jacob Grimms durch die zucht der methodischen strenge Lachmanns in schranken gehalten wurde." 46 Schließlich über Gustav Roethe, dem "ein Leben von seltener Geschlossenheit" bescheinigt wird: "Alles, was er scheinbar spielend leistete, ist herausgewachsen aus ernstester und stets auf den solidesten Grundlagen aufgebauter Arbeit." 47

Diese soziale Selbstreflexion sichert in weiten Teilen des 19. Jahrhunderts die Identität der Disziplin. Die Biographien herausragender Fachvertreter werden zum Fokus von wissenschaftlichem Verfahren und Berufsethos. Vor der Institutionalisierung disziplineigener Sozialisation im germanistischen Seminar verpflichtet die Deutsche Philologie ihren Nachwuchs auf in Werk und Leben beispielhafte, wegweisende Männer. Die Personalisierung disziplinärer Imperative, am deutlichsten in der Heroisierung Lachmanns als des methodischen Wegbereiters, dient der Kanonisierung wissenschaftlicher Ergebnisse und Arbeitshaltungen. Die weniger eindeutig rubrizierbare Figur Jacob Grimms stellt für die gesamte Germanistikgeschichte einen Sonderfall dar. Seine Bedeutung liegt keineswegs nur in den wegweisenden Arbeiten zur historischen Sprachforschung. Zugleich bietet sein Werk – wie sein Leben – vielfältige Anschlußmöglichkeiten für die Integration neuartiger Argumente in die innerdisziplinäre Diskussion über Aufgabe und Zukunft der Germanistik. 48

IV

Die bisherige Wissenschaftsgeschichte der Germanistik hat den sogenannten "Nibelungenstreit" vielfach analysiert, allerdings immer die konzeptuelle Ebene bevorzugt – oder als einzige ausgegeben. Die Kontroverse entsteht aus den nach Lachmanns Tod gegen die Prinzipien seiner Nibelungen-Editionen gerichteten Untersuchungen verschiedener Germanisten. Die Fragen nach dem Wert der überlieferten Handschriften, die alternativen Theorien zur Entstehung des Epos, die Heptaden-Konstruktion Lachmanns und die Frage nach der Autorschaft sind, teilweise bis in unsere Gegenwart, Kristallisationspunkte wissenschaftlicher Diskussion geblieben. 49 Als vernachlässigt müssen gelten die Berücksichtigung der disziplinären Entwicklung der Germanistik nach 1850 und Fragen nach Aspekten des Sozialsystems sowie der institutionellen Etablierung. Es wird sich zudem zeigen, daß für die Erklärung der Schärfe, Dauer und anhaltenden Wirkung der Kontroverse nicht nur die thematisch an die Nibelungenfrage gebundenen Beiträge untersucht werden müssen.

Wie in den zitierten Nekrologen und biographischen Texten deutlich wurde, erreicht Lachmanns Reputation als Philologe um die Jahrhundertmitte im akademischen Bereich einen Höhepunkt. Die scharfe Polemik des Heidelberger Ordinarius Adolf Holtzmann ist denn auch weniger wegen ihrer sachlichen Einwände bemerkenswert: Probleme der Nibelungenedition sind selbstverständlich kontinuierlich Gegenstand germanistischer Forschung in der ersten Jahr-hunderthälfte. Die irritierende Wirkung der Untersuchungen über das Nibelungenlied liegt 1854 in den die Sachfragen begleitenden Analysen und Angriffen:

  1. Gewidmet ist das Buch dem Berliner Germanisten und Lehrstuhlinhaber Friedrich Heinrich von der Hagen, dessen "treue Liebe" dem Nibelungenepos seit dem Beginn des Jahrhunderts gelte: "Niemand kann sich rühmen, sich um dasselbe grössere Verdienste erworben zu haben als Sie. [...] Ihre Bemühungen [haben] nicht überall die gebührende Anerkennung gefunden." 50
  2. Die Nibelungen-Edition Lachmanns wird als "Ansicht" bezeichnet, "die zu allgemeiner Geltung gelangt ist", nun jedoch zum "Irrthum" erklärt, dem die "Wahrheit entgegenzusetzen" sei. Die "geheime Grundlage der Lachmannschen Textrecension" sei bereits von Jacob Grimm "enthüllt" worden. Ohnehin sei diese "Lehre" mehr "Glaubensartikel" als "beweisbarer Satz". 51 Holtzmann konstatiert stillschweigende Besserungen am Text. 52
  3. Lachmanns "Schüler" neigten dazu, "die Worte des Meisters als unumstössliche Wahrheit zu wiederholen" 53
  4. Gegen den möglichen Vorwurf, dem Toten die "schuldige Rücksicht" versagt zu haben, wendet Holtzmann ein, daß er "bei Lachmann, dessen Verdienste meiner Anerkennung nicht bedürfen, einen Ton herrschend finde, der mein Gefühl (um auch einmal vom Gefühl zu sprechen) verletzt. Wie ein Unfehlbarer aufzutreten, in geheimnissvollen Winken seine Weisheit errathen zu lassen, statt der Beweise Schmähungen vorzubringen, das sollte nie und nirgends, auch dem grössten Gelehrten nicht gestattet sein; und dass es unter uns möglich war, einen solchen Ton auch nur anzuschlagen, das gereicht der Bildung unserer gelehrten Welt nicht zur Ehre." 54
  5. Schließlich hofft Holtzmann, daß seine Arbeit "zu weitern ergänzenden, fortsetzenden, bestätigenden und berichtigenden Forschungen manchfach anregen und reizen" werde. 55
Holtzmanns Polemik enthält bereits die Mehrzahl der Punkte, die im sich ausweitenden Konflikt zur Sprache kommen werden. Schon die Widmung betont die Frontstellung: Hagen kann als Gegenpol zu Lachmanns "aristokratischer" (Roethe) Wissenschaftsposition gelten. Vollständige Abdrucke aufgefundener Kodizes statt historisch-kritischer Edition, patriotische Popularisierungsabsicht statt Ausscheidung >verderbter< Textstellen durch und für Experten – in Hagen personifiziert sich, was das philologische Ethos perhorresziert. 56 Auch die Nennung Jacob Grimms als des Kronzeugen gegen die Lachmannschen Heptaden fügt sich diesem Trend zu einer gegenläufigen Traditionsbildung. Holtzmanns & quot;Kelten und Germanen" ist 1855 Grimm gewidmet; Franz Pfeiffer, ehemals Autor der Hauptschen Zeitschrift für deutsches Altertum, führt in seiner Ankündigung des Konkurrenzorgans Germania 1856 Grimm nach wenigen Zeilen als Vorbild für die erwarteten Forschungen an und kann ihn als Mitarbeiter gewinnen. 57 Friedrich Zarncke, der sich am Schluß seiner fulminanten Leipziger Antrittsvorlesung "Zur Nibelungenfrage" ausdrücklich als Schüler Haupts zu dessen "strenger Wissenschaftlichkeit und aufopfernder Berufstreue" 58 bekennt, akzeptiert Grimms Heptaden-Kritik und argumentiert gegen Lachmann. 59

In diesen Beiträgen zur Debatte werden der Name und das Werk Jacob Grimms als Positionsmarkierung für die eigenen Forschungen und zum Zweck der Legitimation durch Anschluß an vorhandene Reputation genannt. Die Wendung gegen Lachmanns Ergebnisse wird durch den Verweis auf den anderen >Gründer< und dessen unbestreitbare Verdienste als der gemeinsamen Wahrheitssuche dienliche und gegen Einseitigkeit gerichtete Bemühung für die disziplinäre Gemeinschaft plausibilisiert. Daß solche Rückversicherung für eine dauerhafte Partizipation am fachlichen Diskurs ausgesprochen notwendig ist, hatte bereits ein Jahrzehnt zuvor der damalige Extraordinarius für deutsche Sprache und Literatur in Göttingen, Wilhelm Müller, erfahren müssen. Müller erklärt sich zwar in seiner Schrift "Geschichte und System der altdeutschen Religion" 1844 als Schüler Grimms, allerdings in einem Ton, der eine scharfe Zurückweisung des Lehrers provoziert:

Hier wird meine thätigkeit zwar als eine löbliche, nützliche, jetzt aber durch systematische, wissenschaftliche verarbeitung zu überbietende, nöthigenfalls auch, so viel schonung pietät empfehle, als des irrthums zu überführende, und fast als die völlig abgeschlossene eines verstorbenen dargestellt. 60
Grimm verbittet sich nicht nur diesen Nekrolog zu Lebzeiten, er weist auch nach, daß Müllers Buch "ganz und gar" aus der eigenen "Deutschen Mythologie" entnommen ist, deckt zahlreiche Entlehnungen ohne Nennung der Quelle auf und überläßt dann dem Leser die Bewertung der "gewissenhaftigkeit dieses plunders." 61

Fast gleichzeitig attackiert Müller Lachmann, dessen Diaskeuastentheorie er durch die Annahme eines Kumulationsprozesses im Nibelungenlied zu revidieren sucht. 62 Lachmann selbst antwortet nicht, findet jedoch in Müllenhoff einen entschlossenen Verteidiger: "Aber schon die art und weise, wie herr Müller mit seiner meinung hervortritt, scheint eine zurechtweisung und entgegnung nöthig zu machen." 63 Mit den einige Jahre später im "Nibelungenstreit" geläufigen rhetorischen Mitteln schließt Müllenhoff seine scharfe Widerlegung der Argumentation des Göttinger Kollegen ab. Ergebnis sei, daß er "durchaus nichts an dem verändert" habe, "was bisher über unser epos feststand und allezeit feststehen wird", ja, daß man dieses Buch "für immer bei seite legen und bei der weiterforschung völlig unberücksichtigt lassen muss, um verwirrungen zu entgehen." 64 Der Verstoß gegen die Regeln der innerdisziplinären Diskussion wird mit der Aufkündigung von Kommunikation bedroht. Wissenschaft-liches Renommee zu beachten ist ein primäres Gebot, schon "die art und weise" kontroverser Meinungsäußerung sieht sich dem argwöhnischen Blick der zitierten oder jedenfalls engagierten Fachkollegen ausgesetzt. Zu bedenken bleibt allerdings, ob nicht gerade diese Diskussionsverweigerungen – hier durch Müllenhoff formuliert – die Schärfe der Kontroverse im folgenden Jahrzehnt diktieren, die sich dann auf die gewichtige Grimmsche Ablehnung der Heptaden berufen kann. Holtzmann greift den Vorwurf unzulässigen Argumentationsstils offensiv auf und wendet ihn gegen die Gruppe der Schüler des inzwischen verstorbenen Lachmann zurück. Die Sprengkraft wird – anders als bei Müller – dadurch erzielt, daß die Rüge anmaßenden "Tons" verknüpft ist mit dem Hinweis auf mangelnde Falsifizierbarkeit der Lachmannschen Theorien. Damit ist deren Wissenschaftsanspruch als solcher in Frage gestellt: "Glaubensartikel" dürfen mit Recht in der Forschung kritisiert werden.

Wurde in den letztgenannten Beispielen die Zitation oder Negation von Tradition sachlich, also durch abweichende Forschungsprogramme und -ergebnisse legitimiert, so zeigt eine Polemik zwischen Pfeiffer und Julius Zacher aus den sechziger Jahren eine andere Variante des Umgangs mit der disziplinären Vergangenheit. Bereits 1852 wird Zacher von Müllenhoff aufgefordert, einen Aufsatz über die vorhandenen Ausgaben altdeutscher Gedichte zu schreiben. & quot;mein gedanke dabei ist erstens noch einmal wieder den pfuschern zu sagen was wir von solchen arbeiten verlangen und zweitens auch dem publicum zu zeigen was für gute und was für pfuscherarbeit gelten muß." 65 Wird hier noch selbstbewußt die Rhetorik der Dilettantenkritik reproduziert, zeigt sich nach Holtzmanns Nibelungen-Buch Unsicherheit über die Loyalität einzelner Germanisten:

Der Unsinn nimmt ja in deutscher Philologie immer mehr überhand, und da ist das gröste Heil, das uns wiederfahren kann, wenn Männer wie Sie, die wißen was Wißenschaft ist und wissenschaftliche Fragen und Methode kennen, an den rechten Platz kommen. Laßen Sie uns zusammenhalten, weil es Noth thut. [...] machen Sie doch wieder gut, was ich >tumber man< verdorben habe >durch minen boesen zorn<. 66
Zacher entledigt sich dieser Aufgabe in einer ausführlichen Abrechnung mit Holtzmanns Thesen, zu der er sich "moralisch genöthigt" sehe. 67 Er kommt zu dem Ergebnis, daß es sich dabei um "ein inniges Gemenge von richtigem und unrichtigem" handele, 68 das sich vor dem prüfenden Blick des Kenners "wie ein Nebel verflüchtigt." 69 Zachers Parteinahme ist damit öffentlich dokumentiert. Provozierend wirkt allerdings sein Umgang mit den "sogenannten Grimmschen Enthüllungen". 70 Grimm verwahrt sich umgehend energisch gegen den Aufsatz, der "auf kosten meines scharfsinns und meiner belesenheit" argumentiere. 71

Den Herausgeber der Germania berührt 1859 dieser Disput noch nicht. Er bezweifelt , daß die Wissenschaft "von Zacher je etwas Bedeutendes zu erwarten hat." 72 Die Teilnahmslosigkeit endet, als Zacher Pfeiffers Walther-Ausgabe rezensiert und ihm vorwirft, er sei nur imstande, "dem todten Löwen einen Fusztritt zu versetzten", habe dies aber zu Lachmanns Lebzeiten gescheut. 73 Zudem verurteilt Zacher die "Hintansetzung, Vernachlässigung und oft gänzliche Verschweigung des wirklich Schwierigen, denselben Mangel an Schärfe und Tiefe der Auffassung, dieselbe Oberflächlichkeit der ganzen Behandlung." 74 Pfeiffer ist äußerst gereizt: "Ist das ein albernes, von Bosheit, Lüge und Dummheit strotzendes Gewäsch!" 75 Dieser privaten Unmutsäußerung läßt Pfeiffer öffentlich eine bis dahin in der Geschichte der Germanistik einmalige Reaktion folgen. Er publiziert in der Germania die an ihn gerichteten Briefe Jacob Grimms. In einer einleitenden Erklärung beschreibt Pfeiffer die tiefe Verbundenheit mit Grimm, der sich einmal "mit Kuss und Umarmung" verabschiedet habe. 76 Aber nicht nur ehrendem Angedenken sollen die Briefe dienen. Pfeiffer beklagt die "Unduldsamkeit gegen jedes freie selbständige Urtheil" und setzt diesen "trostlosen Verhältnissen" in der Deutschen Philologie die "Milde und Wärme" Grimms entgegen, seine "innige Güte und das herzliche Wohlwollen". 77 Diesem Seitenhieb auf Lachmann und seine Schüler läßt Pfeiffer dann eine Darlegung der Editionsprinzipien folgen: Äußerungen Grimms über wissenschaftliche Fragen bleiben unberührt.

Dagegen habe ich alle vereinzelt vorkommenden subjectiven Urtheile, die irgend verletzen könnten, grundsätzlich weggelassen und die Lücken durch Striche bezeichnet. Deren Zahl ist, wie schon Jacobs Charakter und milde Denkungsart erwarten lassen, nicht groß. Nur einmal bin ich von meinem Grundsatze abgegangen, indem ich im 25. Briefe die den Hrn. J. Zacher betreffende Stelle stehen ließ. Mag er, der ohne selbst eine nennenswerthe Leistung aufweisen zu können, sich berufen glaubt, über Arbeiten und Bestrebungen Anderer den Stab zu brechen, und mögen jene, die ihn dazu vermocht haben, wissen, welche Meinung Jacob Grimm von ihm hatte. 78
Pfeiffer verwendet, ausgehend von den vorbildlichen Charaktereigenschaften des bedeutenden Wissenschaftlers Grimm, Tradition als Kampfmittel gegen "jene", auf deren Geheiß Zacher geschrieben haben soll. Getroffen wird damit zunächst der hervorgehobene Hallesche Ordinarius, dem nicht nur das Format zur eigenen wissenschaftlichen Leistung, sondern sogar die Fähigkeit zu eigener Initiative bestritten wird. Gleichzeitig soll sich die Folgerung ergeben, daß solche Autoren konsequentes Ergebnis der Schule Lachmanns sind: arrogant, respektlos, lernunfähig. Die Streichungen Pfeiffers in den Grimm-Briefen dienen dieser Taktik. Eine Bemerkung wie: "genug davon, Lachmann und Haupt meinen es ihrerseits vollkommen redlich", bleibt ebenso ungedruckt wie abfällige Äußerungen über Pfeiffers Parteigänger. 79 Im Schüler sollen die Lehrer getroffen werden, seine Unwissenschaftlichkeit soll die ihre verdeutlichen, und ein solches Urteil kann sich berufen auf das entsprechende Jacob Grimms. Dieses Vorgehen ähnelt auf frappierende Weise dem gegnerischen – auch Haupt, Müllenhoff und Zacher vertreten apologetisch Lachmanns Ergebnisse. Der Hinweis auf den Urheber ersetzt die Diskussion über Sachfragen, dient der Verdeutlichung des eigenen Standpunkts und bewirkt damit die Festigung des Zusammenschlusses der eigenen Reihen.

Die zugrundeliegende Frage wird damit zum ersten Mal explizit in der disziplinären Diskussion gestellt: Wie soll die Vergangenheit des Fachs behandelt und beschrieben werden? Als heroische Gründerzeit, deren Leistungen unerreicht bleiben müssen, heißt der eine Vorschlag: Lachmanns Arbeiten werden "wol in Einzelheiten Berichtigungen und Verbesserungen erlauben, in ihren Hauptergebnissen aber für immer fest stehen." 80 Albert Hoefer zufolge war es dessen Verdienst, "dieser Wiszenschaft für immer einen sicheren Grund zu schaffen." 81 Entsprechend das Urteil Zachers:

Karl Lachmann, sich fast nur auf das philologische Gebiet im engeren Sinne beschränkend, begabt mit wunderbarem Scharfsinne, hat mit der festesten Consequenz, der peinlichsten Gewissenhaftigkeit und der vollendetsten Sauberkeit und Genauigkeit eine Reihe von schweren und kaum erreichbaren Mustern philologischer Werke hingestellt. 82
Karl Müllenhoff, dessen Schrift "Zur Geschichte der Nibelunge Not" als Reaktion auf Holtzmann den >Streit< endgültig etabliert, stellt gleich zu Beginn über Lachmann fest, es sei "nicht zu befürchten, ja schlechterdings unmöglich dass nach ihm noch eine zweite, gleichbefriedigende Lösung gelingen könne." 83

Dieser Epigonenmentalität steht die Aufforderung zu kritischer und produktiver Aneignung des Erbes gegenüber. Zarncke bekennt, es sei ihm "peinlich", Lachmann anzugreifen, der "ich Lachmann's Schüler und ihm aufs Innigste verpflichtet bin. Aber mit voller Ueberzeugung spreche ich es aus, dass mir Lachmann's Ruhm durch die Aufdeckung eines Irrthums in dem vorliegenden Falle in keiner Weise geschmälert erscheint. Lachmanns Bedeutung in der Geschichte der deutschen Philologie ist eine allgemeinere, disciplinirende", beruhe auf der "Einführung einer strengwissenschaftlichen [...] Methode". 84 Fast gleichlautend äußern sich Wilhelm Müller und Karl Bartsch: "Er hat die Grundlage des Gebäudes geschaffen, und wenn einzelnes selbst in den Fundamenten anders gestellt [...] werden muss, so geschieht dadurch seiner Bedeutung für die Geschichte unserer Wissenschaft kein Abbruch." 85 Der Akzent liegt auf dem Prozeßcharakter von Forschung, nicht auf statischen Ergebnissen. So wird auch von diesen Germanisten ständig betont, daß die durch Holtzmann und Zarncke aufgeworfenen Streitfragen zu einer allgemeinen Belebung der Disziplin geführt hätten. Hagen begrüßt, "dass auch hier wol noch Mancher in den Streit gezogen wird." 86 Nach Müllers Ansicht haben sie sich das "Verdienst erworben, weitere Untersuchungen [...] nachdrücklich angeregt zu haben." 87 Matthias Lexer konstatiert 1877: Der "Kampf hat zu fruchtbringenden, sonst vielleicht nie angestellten Forschungen geführt." 88

Es klingt damit das Thema der ersten Abschnitte meiner Überlegungen an: die Nachwuchsproblematik. Die Kontrahenten der >Lachmannianer<, der >Partei<, der >Clique<, wie die Gruppe um Haupt und Müllenhoff genannt wird, zweifeln "an der Zukunft der deutschen Philologie. Es führt zu nichts, vor der Thatsache die Augen zu verschließen, daß beim größern Publikum die Theilnahme für unsere Forschungen erkaltet ist, Dank der dumm hochmüthigen, schulmäßig dürren, poesielosen Behandlung von Seiten des impotenten Lachmannischen Nachwuchses." 89 Nicht nur waren dessen "Geist und Ton" dem Interesse der Gebildeten abträglich, sondern auch geeignet, "den Kreis der Mitforschenden selbst eher zu verengen als zu erweitern." 90 Die gewollte Exklusivität des philologischen Ethos wird nach Pfeiffers Meinung disfunktional, weil sie die fachliche Ausbildung deutscher Philologen hemmt, deren Rekrutierung einen verständnisvollen Umgang mit dem zu interessierenden Publikum voraussetzt. Zudem hindert das Wissenschaftsideal eines Haupt oder Müllenhoff die disziplinspezifische Qualifikation – "Methode" kann man auch im altphilologischen Seminar lernen. Diese konservierende Tendenz wird durch die funktionale Selbstreflexion der Gegenseite zunehmend isoliert. Sowohl die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses als auch die der zukünftigen Gymnasiallehrer wird thematisiert und in der Gründung des ersten deutschphilologischen Seminars in Rostock institutionalisiert, in dem Bartsch "die philologische Behandlungsweise zum Mittelpunkt machte" und den "festen Schritt der Methode anzuschlagen" lehrte. 91

Mit diesen Worten, die ebenso von Haupt oder Müllenhoff hätten formuliert werden können, wird deutlich, daß philologische Textbehandlung kein tatsächlicher Diskussionspunkt sein kann. Vielmehr versuchen alle Beteiligten, die jeweiligen Gegner durch abfällige Bewertung ihrer Wissenschaftlichkeit zu denunzieren.

Dieser Clique gilt die Wissenschaft und die Wahrheit nichts. Alles dagegen ihr Ruhm und ihr Ansehen. Um diese aufrecht zu erhalten, ist ihnen kein Mittel zu schlecht und zu erbärmlich. [...] Wer aber kann im Zweifel sein, wo, auf welcher Seite reges geistiges Leben und Fortschritt ist? Und wo Faulheit, Indolenz und Versumpfung? 92
Und vice versa Müllenhoff: Bei Holtzmann sei von "philologischer Bildung nicht die Rede" und Zarncke wolle "das grosse Publicum [...] aufklären und da braucht man es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen." 93

Auf der Basis des philologischen Ethos operieren alle Kontrahenten. Die Mittel der Auseinandersetzung sind vollständig auf seinen Tugendkatalog bezogen. Holtzmann reklamiert intersubjektive Überprüfbarkeit, Zacher moniert mangelnde Logik, Pfeiffer und Müllenhoff präsentieren sich jeweils als alleinige Diener der Wahrheit, alle Autoren rechtfertigen ihre Angriffe als Durchsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse und sehen die Beiträge der Opponenten als Beweise charakterlicher Mängel. Pfeiffer konstatiert in einem Brief an Bartsch eine "merkwürdige Übereinstimmung" der Lachmannschen Metrik mit der mittelhochdeutscher Dichter. 94 Zacher erhebt den Plagiatsverdacht sogar öffentlich gegenüber Pfeiffer, der "ohne seiner Quelle auch nur mit einer Silbe zu erwähnen [...] aus Lachmanns ungedruckten Vorlesungen" zitiere. 95 Der solchermaßen philologischer Unredlichkeit beschuldigte Wiener Ordinarius beklagt seinerseits, "daß noch in des Minnesangs Frühling die Nennung selbst meines bloßen Namens mit in die Augen springender Absichtlichkeit vermieden wurde." 96 Entsprechend ergeht einige Jahre später der Vorschlag an Bartsch, wie auf die "vollendete Flegelhaftigkeit" der von Müllenhoff und Scherer herausgegebenen "Denkmäler" zu reagieren sei:

Im ersten Zorn habe ich die Feder ergriffen und demselben kräftige Worte geliehen. Bei etwas ruhigerm Blut habe ich mir aber doch die Sache näher überlegt und mich gefragt, ob man anständiger Weise mit einem solchen Flegel sich noch abgeben und in eine Polemik einlassen dürfe, denn wer Pech angreift, besudelt sich. Es wäre vielleicht besser, wenn wir das Buch und den Mann vollständig ignorierten und uns das Wort gäben, den Namen nie mehr in unsern Arbeiten auch nur zu nennen: Du könntest diese Taktik gerade in der Gudrun in recht augenfälliger allgemein verständlicher Weise befolgen. 97
Die Antwort von Bartsch ist im Prinzip zustimmend, "das von Dir vorgeschlagene Verfahren [...] würde aber in diesem Falle als eine Schwäche ausgelegt werden." 98 Bartsch erkennt, daß die Erzeugung disziplinärer Subkulturen eine Gefahr für die eigene Position bedeuten könnte: Akzeptanz in der disziplinären Gemeinschaft muß immer wieder diskursiv erzielt werden. Aber auch für das Fach in seiner Gesamtheit hätten solche Restriktionen Folgen, denn Zitation ist ein elementares Element von Kommunikation in der Wissenschaft. 99 Publikationen wollen eigene Forschungsergebnisse vorstellen, aber sie sollen auch, so hieß es bei Holtzmann, zu "bestätigenden und berichtigenden" Arbeiten "manchfach anregen". Hergestellt wird diese Verbindung der Einzelbeiträge durch Zitate. Die akribische Überprüfung korrekter Quellenangaben – von Grimm an Müller und von Zacher an Pfeiffer demonstriert – hat deshalb nicht nur den Sinn, etwaige Gegner moralisch bloßzustellen. Gleichzeitig sichert diese Insistenz die Kontinuität der wissenschaftlichen Interaktion und vergegenwärtigt die Tradition: Lachmanns editorische Leistung wird der Vergangenheit entrückt und als Maßstab aktueller Forschung präsent. Zu beachten bleibt in diesem Zusammenhang auch, daß einer Disziplin gerade in ihrer Frühphase daran gelegen sein muß, bestimmte Forschungsergebnisse als gesichertes Wissen abzulagern und damit motivationale und arbeitsökonomische Ressourcen für die Erschließung anderer Quellen und Problemstellungen freizuhalten. Einzelne Editionen oder sprachwissenschaftliche Darlegungen können dann in der Germanistik in einem Maße als exemplarisch gelten, daß Angriffe auf einzelne Aspekte als unwissenschaftlich oder aus unlauteren Motiven entspringend klassifiziert werden.

Allerdings scheitern die Versuche der Ausgrenzung des Gegners aus der disziplinären Diskussion in diesem Fall. Es handelt sich beim "Nibelungenstreit" nicht mehr um eine Kontroverse zwischen inkompatiblen Wissenschaftsauffassungen, sondern um eine solche zwischen Wissenschaftlern, die ein breiter, wenn auch meist uneingestandener, Konsens über die Berufsethik des Germanisten verbindet. Wenn auch die rhetorischen Mittel der Auseinan-dersetzung an die Frühphase des Fachs erinnern, so steht doch nunmehr die Dynamisierung des philologischen Ethos auf der Tagesordnung. Die Probleme der konsolidierten Disziplin liegen um 1850 nicht in der Vertreibung der Dilettanten, sondern in der Ausbildungsverpflichtung für Lehrer, also im Leistungsbezug auf die Gesellschaft. Das Fachstudium sichert die Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf breiter Basis, festigt die gesellschaftliche Akzeptanz des fachspezifischen Wissens außerhalb der Wissenschaft und garantiert damit im Gegenzug den Ausbau der Disziplin. Die Gründung der Germania als der zweiten germanistischen Fachzeitschrift und das Erscheinen kommentierter Studienausgaben intendieren, "einem größern Kreise als bisher diese Quellen echter lauterer Poesie dauernd zu erschließen, [...] etwas, das der strengen Wissenschaft, die stets nur Sache Weniger sein kann, nichts vergeben, sondern ihr hundertfach zu Gute kommen wird." 100

Zugleich ist mit dieser Modifikation des Selbstverständnisses ein schon von Holtzmann kritisiertes Moment der >Gründermythen< neutralisiert, das den Rebellen Angriffsflächen bietet. Pfeiffer konstatiert, "dass auf dem Gebiete der deutschen Philologie, wie auf keinem andern Felde der Gelehrsamkeit, die Herrschaft der Autorität, das Ansehen der Schule eine Höhe erreicht hat, die nicht mehr fördernd, sondern hemmend wirkt, und mit freier Forschung und rücksichtslosem Bekenntnis der Wahrheit unverträglich ist." 101 Wahrheit statt Reputation lautet die Losung, sachliche Kontroverse statt Ergebenheitsbekundungen. Und erst die prinzipielle Zukunftsoffenheit im Umgang mit dem Erbe der Disziplin sichert ihre Existenz: "Dieser Glaube muß zerstört werden, sonst ist kein Fortschritt möglich." 102

Die vorliegende Untersuchung kann nicht beanspruchen, alle relevanten Aspekte des "Nibelungenstreits", in dem schlaglichtartig die Lage der Disziplin zu Beginn der zweiten Jahrhunderthälfte deutlich wird, auch nur angesprochen zu haben. Es ging darum, am Beispiel der wissenschaftlichen Ethik in der Philologie Konstituierungsprobleme eines neuen Fachgebietes in den Blick zu bekommen und anzudeuten, wie ein basales Element moderner Wissenschaft im Zuge ihrer Professionalisierung Stellenwert und Inhalte variiert. Zugleich sollte belegt werden, daß die Geschichte wissenschaftlicher Disziplinen nicht nur auf der Kenntnis von Forschungsverfahren und Konzepten beruhen kann. In der erbitterten Auseinandersetzung, die mit dem Angriff auf die Nibelungen-Forschungen Lachmanns ihren Anfang nimmt, zeigen sich weitreichende Divergenzen im Sozialsystem der Germanistik. Faktoren der Kontroverse wie der Publikumsbezug oder die Ausbildungsfrage führen in den Jahrzehnten nach 1850 zur Bildung konkurrierender >Schulen<, die mit ihren jeweiligen Organen eine Differenzierung des Publikationssystems bewirken. Zachers Zeitschrift für deutsche Philologie und die Leipziger Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur stehen neben den etablierten Zeitschriften für neue Akzente im germanistischen Forschungs- und Lehrprogramm. Zugleich stellt sich die Disziplin im Zuge ihrer Ablösung von altphilologischen Konzepten die Aufgabe, auch die neuere deutsche Literatur wissenschaftlich zu behandeln.


PD Dr. Rainer Kolk
Germanistisches Seminar
der Universität Bonn
Am Hof 1d
D - 53113 Bonn

Ins Netz gestellt am 16.06.2000.

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Erstpublikation: IASL Bd.14 (1989), H.1, S.50-73. Die Online-Version wurde vom Autor eingerichtet und von der Redaktion bearbeitet.


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Fußnoten

(Die vorliegende Untersuchung entstand im Rahmen des von Wilhelm Voßkamp und Jürgen Fohrmann geleiteten Forschungsprojekts zur "Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft", das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.)

1 Helmut de Boor: Rez. des Briefwechsels der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 55 (1930), S.400-404. Hier S.401.  zurück

2 Vgl. Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 4. Aufl. Frankfurt/M. 1979. Für die Literaturwissenschaft Kurt Bayertz: Wissenschaftstheorie und Paradigmabegriff. Stuttgart 1981, S. 106ff.; Holger Dainat: Veränderungen im Wissen über Wissenschaft. Zu Werner Bahners und Werner Neumanns Darstellung der sprachwissenschaftlichen Germanistik. In: IASL 12 (1987), S. 296-307; Brigitte Schlieben-Lange: Einleitung. In: B. S.-L. / Hans-Josef Niederehe (Hg.): Die Frühgeschichte der romanischen Philologie von Dante bis Diez. Tübingen 1987, S. 7-13.  zurück

3 Vgl. zum folgenden Jürgen Klüver: Universität und Wissenschaftssystem. Die Entstehung einer Institution durch gesellschaftliche Differenzierung. Frankfurt/M., New York 1983; Rudolf Stichweh: Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen. Physik in Deutschland 1740-1890. Frankfurt/M. 1984.  zurück

4 Vgl. Klüver: Universität und Wissenschaftssystem, S. 137.  zurück

5 Vgl. allgemein Hans-Werner Prahl: Sozialgeschichte des Hochschulwesens. München 1978, S. 198-213; Stichweh: Entstehung, S. 31-39.  zurück

6 Vgl. Johannes Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich: 1810-1870. (Wissenschaftsgeschichte der Germanistik III) Tübingen 1980, S. 32-38; Karl Stackmann: Die Klassische Philologie und die Anfänge der Germanistik. In: Hellmut Flashar u. a. (Hg.): Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert. Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften. Göttingen 1979, S. 240-259; Detlev Kopp / Nikolaus Wegmann: "Die deutsche Philologie, die Schule und die Klassische Philologie." In: Jürgen Fohrmann/Wilhelm Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1987, S. 123*-151*.  zurück

7 Vgl. Stackmann: Klassische Philologie, S. 248.  zurück

8 Vgl. Holger Dainat/Rainer Kolk: "Geselliges Arbeiten". Strukturen und Bedingungen der Kommunikation in den Anfängen der Deutschen Philologie. In: Fohrmann/Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft. S. 7*-41* u. S. 27*ff.  zurück

9 Franz Schultz: Die Entwicklung der Literaturwissenschaft von Herder bis Wilhelm Scherer. In: Emil Ermatinger (HG.): Philosophie der Literaturwissenschaft. Berlin 1930, S. 1-42. Hier S. 37. Es handelt sich zunächst einmal um Normen; zu überprüfen bliebe, wie weit ihre Geltung reicht, inwiefern die praktische Arbeit tatsächlich beeinflußt wird. Bereits Scherer publiziert regelmäßig in Feuilletons. Ich werde diese Infragestellung des philologischen Ethos gesondert behandeln; beschrieben werden dann auch die einzelnen Gruppen im "Nibelungenstreit", die sich nicht zuletzt durch ihre jeweilige Bewertung dieser Haltung unterscheiden.   zurück

10 Vgl. Ulrich Hunger: Romantische Germanistik und Textphilologie. Konzepte zur Erforschung mittelalterlicher Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Fohrmann/Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft, S. 42*-68*.  zurück

11 Karl Lachmann: Kleinere Schriften zur deutschen Philologie. Hg. v. Karl Müllenhoff. Berlin 1876, S. 278-311. Hier S. 279.  zurück

12 Lachmann: Schriften, S. 140-156. Die Zitate auf den Seiten 140, 153 und 155.  zurück

13 Vgl. Rudolf Baier (Hg.): Briefe aus der Frühzeit der deutschen Philologie an Georg Friedrich Benecke. Leipzig 1901, bes. die Nummern 4 und 44 (Jacob Grimm); zu Haupt vgl. Christian Belger: Moritz Haupt als academischer Lehrer. Berlin 1879, S. 319-335.  zurück

14 Vgl. Daninat/Kolk: "Geselliges Arbeiten", S. 28*f.  zurück

15 Vgl. Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich. S. 38f.  zurück

16 Lachmann: Schriften, S. 140.  zurück

17 Karl Müllenhoff: Die deutsche Philologie, die Schule und die Klassische Philologie; zitiert nach Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich, S. 277-303. Hier S. 291.  zurück

18 Zitiert nach Ursula Burkhardt: Germanistik in Südwestdeutschland. Die Geschichte einer Wissenschaft des 19. Jahrhunderts an den Universitäten Tübingen, Heidelberg und Freiburg. Tübingen 1976, S. 65.   zurück

19 Vgl. R. Steven Turner: The Prussian Universities and the Concept of Research. In: IASL 5 (1980). S. 68-93. Hier S. 89f.  zurück

20 Vgl. Stichweh: Entstehung, S. 90ff.  zurück

21 Vgl. Prahl: Sozialgeschichte des Hochschulwesens, S. 238ff.; Wilhelm Erben: Die Entstehung der Universitätsseminare. In: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 7 (1913), Sp. 1247-1264 u. 1335-1348.  zurück

22 Vgl. Uwe Meves: Die Gründung germanistischer Seminare an den preußischen Universitäten (1875-1895). In: Fohrmann / Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft, S. 69*-122*; vgl. auch Burkhardt: Germanistik in Südwestdeutschland, S. 21ff., 35ff., 50ff., sowie die bei beiden Autoren angegebene Literatur zu einzelnen Seminaren. Zu bedenken bleiben als Vorformen der deutschen Seminare die Kränzchen, deutschen Gesellschaften und ähnliche Zirkel. Nicht erforscht bislang ist auch der Einfluß der philosophischen (>ästhetischen<) Ausbildung bei Germanisten.  zurück

23 Martin Hertz: Karl Lachmann. Eine Biographie. Berlin 1851, S. 82-84.  zurück

24 Ebd. S. 85.  zurück

25 Friedrich Ritschl: Gutachten über philologische Seminarien. In: F. R.: Opuscula philologica Bd. V. Leipzig 1879, S. 32-39. Hier S. 35. Vgl. die umfangreiche Biographie von Otto Ribbeck: Friedrich Wilhelm Ritschl. Ein Beitrag zur Geschichte der Philologie. 2 Bde. Leipzig 1879-1881, bes. Bd. 2, S. 275ff. Ribbeck verzeichnet auch den außergewöhnlichen institutionellen Erfolg der >Schule< Ritschls, die 1872 im deutschsprachigen Raum 36 Universitäts- und 38 Gymnasialprofessoren gestellt habe; vgl. Bd. 2, S. 337.  zurück

26 Zitiert nach Belger: Moriz Haupt, S. 76f.  zurück

27 Friedrich Ritschl: Zur Methode des philologischen Studiums. In: F. R.: Opuscula philologica Bd. V (wie Anm. 25), S. 19-32. Hier S. 23.  zurück

28 Ebd., S. 24.  zurück

29 Ebd., S. 22f.  zurück

30 Ebd., S. 23.  zurück

31 Ebd., S. 27.  zurück

32 Eduard Zeller: Ueber akademisches Lehren und Lernen. Berlin 1979, S. 18. Noch 1909 sieht der Theologe Julius Kaftan die Bedeutung wissenschaftlicher Tätigkeit in ihrem Erziehungseffekt: "Die Wissenschaft erzieht erstens zur unbedingten Wahrhaftigkeit. [...] Die Wissenschaft erzieht zweitens zur Geduld und Zurückhaltung. [...] Die Wissenschaft erzieht endlich drittens, wenn ich so sagen darf, zu einem langen Denken [...] und erschöpft sich nie darin, im Augenblick das Höchste zu leisten." Aus: Der ethische Wert der Wissenschaft. Berlin 1906, S. 20f.  zurück

33 August Boeckh: Einleitungsrede [...] zur Feier des Leibnizschen Jahrestages. In: A. B.: Gesammelte kleine Schriften. Bd. 2. Leipzig 1859, S. 241-253. Hier S. 241.  zurück

34 Stichweh: Entstehung, S. 73.  zurück

35 Helmuth Plessner: Zur Soziologie der modernen Forschung und ihrer Organisation in der deutschen Universität. In: H. P.: Diesseits der Utopie. Ausgewählte Beiträge zur Kultursoziologie. Frankfurt/M. 1974, S. 121-142. Hier S. 127.  zurück

36 Wilhelm Scherer: Jacob Grimm. Neudruck der zweiten Auflage mit Beilagen aus der ersten Auflage und Scherers Rede auf Grimm besorgt von Sigrid v. d. Schulenburg. Berlin 1921. S. 78.  zurück

37 Hertz: Lachmann, S. 173.  zurück

38 Ebd., S. 188.  zurück

39 Wilhelm Grimm. In: Baier (Hg.): Briefe, S. 44.  zurück

40 Scherer: Grimm, S. 77.  zurück

41 Vgl. Ulrich Wyss: Die wilde Philologie. Jacob Grimm und der Historismus. München 1979, S. 22ff.  zurück

42 Karl Bartsch: Die Brüder Grimm. Frankfurt/M. 1885, S. 29.  zurück

43 Dieser Befund stützt sich auf die erwähnte These von der Philologisierung der Germanistik nach 1820. Die zitierten Nekrologe setzen diese Entwicklung voraus und qualifizieren sie als unerläßlich für eine >wissenschaftliche< Germanistik. Erst die Infragestellung der Dominanz (text-)philologischer Konzepte und die Etablierung der Neugermanistik verstärken die methodologische Diskussion; zu diesem Vorgang wird von Holger Dainat und Cornelia Fiedeldey eine Bibliographie der Selbstreflexionstexte erarbeitet.  zurück

44 Julius Petersen: Der Ausbau des Seminars. In: Das Germanistische Seminar der Universität Berlin. Festschrift zu seinem 50jährigen Bestehen. Berlin und Leipzig 1937, S. 29-35. Hier S. 31. Zu Roethe vgl. Gerhart Lohse: Held und Heldentum. Ein Beitrag zur Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte des Berliner Germanisten Gustav Roethe (1859-1926) In: Hans-Peter Bayerdörfer u.a. (Hg.): Literatur und Theater im Wilhelminischen Zeitalter. Tübingen 1978, S. 399-423.  zurück

45 Julius Zacher: Moriz Haupt. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 5 (1874), S. 445-456. Hier S. 454.  zurück

46 Elias von Steinmeyer: Karl Victor Müllenhoff. In: Anzeiger für deutsches Altertum 10 (1884), S. 372-376. Hier S. 372f.  zurück

47 Viktor Michels: Gustav Roethe. Rede zu seinem Gedächtnis. In: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft 13 (1927), S. V-XXIV; die Zitate auf den Seiten V und X.   zurück

48 Vgl. dazu Rainer Kolk: Professionalisierung und Disziplinentwicklung in der Germanistik (erscheint in einem Band mit Beiträgen eines Kolloquiums zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik, hg. v. Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp).  zurück

49 Maßgeblich unterrichten dazu die Arbeiten von Otfrid Ehrismann: Das Nibelungenlied in Deutschland. Studien zur Rezeption des Nibelungenlieds von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. München 1975; ders.: Nibelungenlied 1755-1920. Regesten und Kommentare zur Forschung und Rezeption. Gießen 1986. In seiner zu Beginn erwähnten Rezension macht de Boor noch 1930 Konrad Burchdach den Vorwurf, den >Streit< zwischen Leipziger und Berliner Germanisten durch ein parteiisches Vorwort verewigen zu wollen; vgl. de Boor: Rezension (wie Anm. 1), S. 403f.  zurück

50 Adolf Holtzmann: Untersuchungen über das Nibelungenlied. Stuttgart 1854, S. III.  zurück

51 Ebd., S. V/VI; vgl. S. 2, 68, 103.  zurück

52 Vgl. ebd., S. 3, 45, 59.  zurück

53 Ebd., S. V.  zurück

54 Ebd., S. VI.  zurück

55 Ebd., S. VIII.  zurück

56 Vgl. Dainat/Kolk: "Geselliges Arbeiten", S. 33*, und Hunger: Romantische Germanistik, S. 51*ff.  zurück

57 Vgl. Franz Pfeiffer (Hg.): Prospekt der "Germania"; zitiert nach Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich, S. 320-323. Hier S. 320.  zurück

58 Friedrich Zarncke: Zur Nibelungenfrage. Leipzig 1854, S. 22.  zurück

59 Vgl. ebd., S. 11. Hartmut Schmidt stellt dazu fest: "Alle Gruppierungen verstehen sich als Wahrer des Grimmschen Erbes." (Abschnitt über Aspekte der Institutionalisierung. In: Werner Bahner / Werner Neumann [Hg.]: Sprachwissenschaftliche Germanistik. Ihre Herausbildung und Begründung. Berlin [Ost] 1985, S. 151-248. Hier S. 209.) In dieser Allgemeinheit kann das m.E. nicht behauptet werden. Haupt und Müllenhoff etwa gehen auf Distanz zu Jacob Grimm, der Lachmanns Heptaden öffentlich verwirft und zudem philologische Mängel erkennen läßt; vgl. Wyss: Wilde Philologie, S. 22ff.  zurück

60 Jacob Grimm: Rez. Wilhelm Müller: Geschichte und System der altdeutschen Religion. In: J. G.: Kleinere Schriften. Bd. V. Berlin 1871, S. 336-344. Hier S. 339.  zurück

61 Ebd., S. 342.  zurück

62 Vgl. Ehrismann: Nibelungenlied-Rezeption, S. 130ff.  zurück

63 Karl Müllenhoff: Rez. Wilhelm Müller: Über die Lieder von den Nibelungen. In: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1846, Sp. 596-631. Hier Sp. 597f.  zurück

64 Ebd., Sp. 631.  zurück

65 Karl Müllenhoff am 22.12.1852. Aus: Beiträge zur Geschichte der deutschen Philologie. In: Euphorion 25 (1924), S. 10-19. Hier S. 10.  zurück

66 Karl Müllenhoff am 7.8.1855. In: Beiträge, S. 13f.  zurück

67 Julius Zacher: Briefe über neuere Erscheinungen auf dem Gebiete der deutschen Philologie. In: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 2. Abt., 4 (1858), S. 112-123, 170-184, 216-235, 255-264. Die unbedingte Loyalität zu Müllenhoff weicht später einer kritischen Distanz, die sich in der Gründung der Zeitschrift für deutsche Philologie (1869) manifestiert.  zurück

68 Ebd., S. 116.  zurück

69 Ebd., S. 263.  zurück

70 Ebd., S. 121.  zurück

71 Jacob Grimm: Gegen Zacher. In: J. G.: Kleinere Schriften Bd. VII. Berlin 1884, S. 606.  zurück

72 Franz Pfeiffer am 30./31.6.1859. In: Hans-Joachim Koppitz (Hg.): Franz Pfeiffer/Karl Bartsch: Briefwechsel. Mit unveröffentlichten Briefen der Gebrüder Grimm und weiteren Dokumenten zur Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Köln 1969, S. 61.  zurück

73 Julius Zacher: Rez. Franz Pfeiffer (Hg.): Walther von der Vogelweide. In: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 2. Abt., 11 (1865), S. 449-465. Hier S. 451.  zurück

74 Ebd., S. 463.  zurück

75 Franz Pfeiffer am 3.11.1865. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 197.  zurück

76 Jacob Grimms Briefe an Franz Pfeiffer. In: Germania 11 (1866), S. 111-128, 239-256. Hier S. 113.  zurück

77 Ebd., S. 113.  zurück

78 Ebd., S. 113f. Grimms Äußerung lautet: "Zacher ist mir von jeher unbedeutend vorgekommen, doch einen so elenden und dabei sich übernehmenden aufsatz hätte ich ihm nicht zugetraut." In: Grimms Briefe, S. 241.  zurück

79 Vgl. Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 232ff. Hier S. 233. Gegen Maßmann und Hagen vgl. S.235.   zurück

80 Julius Zacher: Anzeige der Lachmann-Biographie von Martin Hertz. In: Allgem. Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1852, S. 251-255. Hier S. 252.  zurück

81 Albert Hoefer: Die deutsche Philologie insbesondere als Mythologie und als Sprachforschung. Greifswald 1857, S. 28.  zurück

82 Julius Zacher: Eröffnungsrede. In: Verhandlungen der Versammlungen deutscher Philologen und Schulmänner 1867. Leipzig 1868, S. 145-149. Hier S. 146. Die Rede ist auch unter ideologiegeschichtlichen Aspekten interessant: Zacher nennt "straffe Zucht, richtige, energisch gehandhabte Methode" (S. 146) sowohl als Voraussetzung der wissenschaftlichen Germanistik wie der Einigung Deutschlands durch Preußen. Vgl. Klaus Röther: Die Germanistenverbände und ihre Tagungen. Ein Beitrag zur germanistischen Organisations- und Wissenschaftsgeschichte. Köln 1980, S. 97.   zurück

83 Karl Müllenhoff: Zur Geschichte der Nibelunge Not. In: Allgem. Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1854, S. 877-942. Hier S. 880.  zurück

84 Zarncke: Nibelungenfrage, S. 4.  zurück

85 Vgl. Wilhelm Müller: Rez. Karl Müllenhoff: Zur Geschichte der Nibelunge Not. In: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1855, S. 689-720; Karl Bartsch: Untersuchungen über das Nibelungenlied. Wien 1865, S. VII.  zurück

86 Friedrich Heinrich von der Hagen (Hg.): Heldenbuch. Leipzig 1855. Bd. 1, S. CIV.  zurück

87 Müller: Rez. Müllenhoff, S. 720.  zurück

88 Matthias Lexer: Rede zur Feier des 295. Stiftungstages der Kgl. Julius-Maximilians-Universität. Würzburg 1877, S. 11.  zurück

89 Franz Pfeiffer am 13.4.1861. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 98.  zurück

90 Pfeiffer: "Germania"-Prospekt, S. 322.  zurück

91 Karl Bartsch: Über die Gründung germanischer und romanischer Seminare und die Methode kritischer Übungen. In: Verhandlungen der Versammlungen deutscher Philologen und Schulmänner 1882. Leipzig 1883, S. 237-245. Hier S. 237 u. 245.  zurück

92 Franz Pfeiffer am 9.6.1862. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 112.   zurück

93 Karl Müllenhoff: Rez. Adolf Holtzmann: Die Untersuchungen über das Nibelungenlied. In: Allgem. Monatsschrift für Wissenschaft u. Literatur 1854, S. 943-979. Hier S. 975.  zurück

94 Franz Pfeiffer am 21.5.1859. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 57.  zurück

95 Zacher: Rez. Pfeiffer, S. 453.  zurück

96 Franz Pfeiffer: Zum Erek, Anhang; zitiert nach: Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich, S. 224-230. Hier S. 225.  zurück

97 Franz Pfeiffer am 20.1.1864: In Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 152.  zurück

98 Karl Bartsch am 3.2.1864. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 154.  zurück

99 Vgl. zum folgenden in allgemeiner Perspektive Rudolf Stichweh: Die Autopoiesis der Wissenschaft. In: Dirk Baecker u. a. (Hg.): Theorie als Passion. Niklas Luhmann zum 60. Geburtstag. Frankfurt/M. 1987, S. 447-481.  zurück

100 Franz Pfeiffer (Hg.): Walther von der Vogelweide; zitiert nach Janota (Hg.): Eine Wissenschaft etabliert sich, S. 236-242. Hier S. 239.  zurück

101 Pfeiffer: "Germania"-Prospekt, S. 322.  zurück

102 Franz Pfeiffer am 7.11.1858. In: Koppitz (Hg.): Briefwechsel Pfeiffer-Bartsch, S. 50.  zurück

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