IASL 99, 1+2Aufsätze (Band 1)
Der Beitrag untersucht alle erhaltenen mehrblättrigen Drucke der Presse des Nürnberger Autors und Wundarztes Hans Folz nach Umfang, Format, Eingangsaufbau (Titelblatt) und Typographie. Auf der Basis dieser Ergebnisse werden Überlegungen zum Zuschnitt und zur drucktechnischen Leistungsfähigkeit der Folz-Werkstatt angestellt. Im Anschluß wird die Frage diskutiert, warum der Nürnberger Autor und Wundarzt Hans Folz den ersten bekannten Selbstverlag errichtet hat. Im Lesesuchtdiskurs um 1800 galten Texte wie Vulpius´ Räuberroman als moralisch verfänglich und sozial gefährlich. Insofern diese Texte Zeit banden und eine sozial konforme Codierung des Abenteuers vermittelten, leisteten sie jedoch einen spezifischen Beitrag zur Affektmodellierung und Wertevermittlung. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall zudem in einer expliziten Verquickung zwischen Text des Räuberromans und Biographie seines Autors. Die Publikations- und Rezensionspraxis der Deutschen Rundschau zielt auf die Homogenisierung der deutschsprachigen Literatur unter der kulturellen Hegemonie des Deutschen Reiches. Während einige wenige österreichische und schweizerische AutorInnen in den Kanon "realistischer Klassik" integriert werden, fallen diejenigen, die die Essentialisierung der deutschen Kulturnation nicht unterstützen, der Abwertung und dem Ausschluß anheim. Am Leitfaden einiger Schlüsselbegriffe wie "dritter Weg" (sc. die Allianz von Dichtung und Naturwissenschaft), "anthropologischer Realismus" oder "Imagination" wird Durs Grünbeins Idee der Dichtung gelesen als eine Poetik der (imaginären) Präsenz, die a) sich stützt auf aktuelle Vorstellungen der zeitgenössischen Neurobiologie, b) einige sehr alte (und dennoch moderne) Ideen zur BEstimmung von Dichtung wie memoria oder evidentia aktiviert, und c) damit der akademischen Poetik der Abwesenheit (von Wirklichkeit im Text) den Abschied gibt. Fortschrittsberichte (Band 1)
Der Beitrag skizziert die Geschichte der Rilke-Forschung und ihre Krise seit den späten 60er Jahren und rezensiert vor diesem Hintergrund zehn neuere Publikationen. Es soll demonstriert werden, daß das aktuelle Projekt einer institutions- und methodenorientierten Fachgeschichte der Germanistik durch die Rekonstruktion der vielfältigen Einzelgeschichten von Epochen-, Gattungs- und Autorenforschung komplementiert werden muß. Forschungsdiskussion (Band 1)
Der Band Realismus und Gründerzeit im Rahmen von Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur ist Ausdruck der Krise des sozialgeschichtlichen Paradigmas, das die Herausgeber programmatrisch verabschieden und durch eine "polykontexturale" Literaturwissenschaft ersetzt sehen möchten. Das Problem dieser Literaturgeschichte liegt nicht in der daraus resultierenden methodischen Heterogenität der Beiträge, sondern in dem Verzicht, genuin sozialgeschichtliche Sachverhalte (wie Buchhandels- und Verlagsgeschichte, Zensur, Theaterbetrieb, literarische Journalistik) sowie regionale Differenzierungen des "literarischen Lebens" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt zu thematisieren. Rezensionen (Band 1)
Aufsätze (Band 2)
Droste-Hülshoffs frühes Prosafragment Ledwina (1820/1825) gewinnt unter der Perspektive der Geschlechterdifferenz überraschende Modernität: es erweist sich, daß in die hier aktualisierten traditionellen Erzälverfahren und -motive authenthische weibliche Erfahrung eingeschlossen ist. Am Beispiel der Eichendorff-Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts rekonstruiert der Aufsatz die Erfolgsgeschichte eines literarischen Kanontextes. Der Umgang mit dem Taugenichts wird vor dem Hintergrund der Lese- und Musikkultur im 19. Jahrhundert und der Rolle nationaler Kanoncodierung bis 1945 untersucht. In exemplarischen diachronischen Schnitten soll deutlich werden, wie eng der faktische Kanongebrauch mit dem Alltagshandeln, der Lebenswelt und den Lebensstilen der Kanonnutzer verknüpft war und welche konstituierende Rolle affektive und emotionale Komponenten bei der literarischen Kanonisierung spielten. Den Aufsatz, der sich als Beitrag zur historischen Kanonforschung versteht, beschließen Überlegungen zur historisch markanten Zäsur in der Kanongeschichte nach 1945 und zur Rolle Eichendorffs im heutigen schulischen Lektürekanon. Mit der Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Literatur seit der Frühaufklärung mußte Literatur auf neue Weise um soziale Anerkennung ringen. Ihren Status stärkte sie nicht zuletzt in Konkurrenz zu den Wissenschaften. Sie versuchte, Einfluß auf die öffentlichen Debatten zu gewinnen, trat den neuen astronomischen Untergangsprognosen entgegen, und wollte neu entstandene Ängste mindern. SS-Gruppenführer Hanns Johst (1890-1978), schon in den 1920er Jahren einer der erfolgreichsten völkischen Dichter Deutschlands und seit 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer, war ein enger Freund Heinrich Himmlers. Er sollte und wollte im Auftrag des Reichsführers-SS die Saga vom "Großgermanischen Reich" schreiben, der Chronist des Kolonisierungskampfes um den europäischen Osten sein. Himmler gewärte ihm dazu Einblick in die Praxis des Eroberungs- und Vernichtungskrieges, wozu sich der Dichter über die gesamte Dauer des Krieges oft wochenlang in der Feldkommandostelle des SS-Chefs aufhielt. Fortschrittsberichte und Forschungsdiskussionen (Band 2)
Hundert Jahre nach der Dreyfus-Affaire, in deren Kontext die französische Konzeption des Intellektuellen entstanden ist, der auf der Basis seiner im künstlerisch-wissenschaftlichen Feld erworbenen Autorität zu gesellschaftlichen Fragen Stellung bezieht, sind eine ganze Reihe von Monographien, Handbüchern und Einzelstudien erschienen, die die ganze Spannbreite dieser Tradition aufzeigen: Intellektuelle, die punktuell oder permanent politisch intervenieren, Schriftsteller, die ihre Literatur als engagierte verstehen und andere, die avantgardistisches Schreiben und die Intervention als Staatsbürger trennen. Neben dem Intellektuellen als Experten und dem Medien-Intellektuellen scheint aber auch heute die Tradition in der Form eines "kollektiven spezifischen Intellektuellen" weiterzuleben. In einer Reihe von Studien wird versucht, die normative kulturalistische französische Definition des Intellektuellen im europäischen Vergleich einzubetten in eine mehr funktionalistische Betrachtungsweise der Gruppe der Intellektuellen als Produkt eines sozialen Ausdifferenzierungsprozesses seit der Französischen Revolution. Anläßlich eines Sammelbandes zur Sozietätsbewegung in der Frühen Neuzeit fragt der Aufsatz nach der Funktion dieser Sozietäten und versucht, anhand der im Band vorgestellten Beispiele eine Typologie der Sozietäten in der Frühen Neuzeit zu entwerfen. Die Monographien von Carla Müller-Feyen und Claudia Müller-Stratmann stellen Werk und Leben von Wilhelm Herzog sowie die Geschichte seiner Zeitschrift Das Forum in den Kontext der sozial- und geistesgeschichtlichen Wandlungen zwischen Wilhelminismus und Weimarer Republik (Gesellschafts- und Kriegskritik, Aktivismus, Rolle des politisch engagierten Intellektuellen, Zensurbeschränkungen, Antifaschismus etc.). Damit wird ein wichtiger, bisher wenig beachteter Aspekt des Verhältnisses von Literatur und Politik im 20. Jahrhundert auf eindrucksvolle Weise aufgearbeitet. Der Aufsatz mißt die Ergebnisse der Exilforschung an den Erwartungen, die seit den späten sechziger Jahren an sie gerichtet wurden. Der Befund mangelnder methodologischer Klarheit und oft fehlender Distanz zum Untersuchungsobjekt führt zum Vorschlag einer "Re-Philologisierung" der Disziplin, die auch die Produktion der zweiten und dritten Generation als Ver-dichtung einer widersprüchlichen Lebenssituation in den Blick nimmt. Rezensionen (Band 2)
Pressegeschichte (Band 2)
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