IASL 97, 1+2Aufsätze (Band 1)
Der Aufsatz diskutiert höfische Feste und Choreographien der Frühen Neuzeit. Er befaßt sich mit der Aneignung von Tanztechniken und der problematischen Aufführungsrekonstruktion nach schriftlichen Quellen; ferner werden Theorien zum höfischen Tanz als Körperdisziplinierung thematisiert. Ein Vergleich zwischen einem Konvertitenroman und Konvertitenautobiographien erweist die ambivalente Stellung der getauften Juden in der Spätaufklärung. Kritisiert von der Befürwortern einer Toleranz in Glaubensfragen, weil die Bekehrung als Beweis der Überlegenheit des Christentums funktionalisiert wurde, nicht integriert in die christliche Gemeinschaft, stellte die Taufe für die Konvertiten keinen Weg zur Gleichberechtigung dar. Die antiklerikal-antikatholische Tendenz diverser Aufzeichnungen Hauptmanns aus der ersten Jahreshälfte 1914 und die Konzeption seines damals entworfenen Inquisitionsdramas Magnus Garbe sind als Erscheinungsform des Kulturkamprs zu begreifen. Wie der historische Kulturkampf des 19. Jahrhunderts nationalistisch motiviert war, so ist auch Hauptmanns Haltung zu Beginn des I. Weltkriegs von der militanten Verteidigung einer (protestantischen) deutschen Kultur-Identität bestimmt. Die pazifistische Lesart von Magnus Garbe ist zu korrigieren. Fortschrittsberichte und Forschungsdiskussion (Band 1)
Der Forschungsbericht setzt den 1985 erschienenen ersten Bericht zur modernen Kollektivsymbolik fort. Unter Kollektivsymbolik wird dabei die Gesamtheit der Bildlichkeit einschließlich Allegorie, Metapher etc. verstanden. Forschungsbericht und Bibliographie erfassen die neueren Ergebnisse verschiedener Ansätze und Disziplinen, die den Anteil der Bildlichkeit an diskursiven und kulturellen Formationen sein dem Ende des 18. Jahrhunderts zu rekonstruieren versuchen. Der systematischen Darstellung und Diskussion wichtiger Forschungsrichtungen folgt ein historischer Abschnitt, in dem die Fortschritte bei der Erfassung synchroner Kollektivsymbol-Systeme beschrieben werden. Am Ende des zweiten Jahrtausends wie am Ende des ersten sind die Menschen von eschatologischen Vorstellungen beunruhigt und fasziniert zugleich. Der Tod wird wieder entindividualisiert und mit Vorliebe im traditionellen Bild des Totentanzes und des tanzenden Todes ausgedrückt. Dies hat auch Auswirkungen auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema, die in den letzten Jahren intensiviert wurde. Einige der neueren Arbeiten zu den spätmittelalterlichen Totentänzen und zur Geschichte ihrer produktiven Rezeption werden hier vorgestellt und im Kontext der Traditionsforschung diskutiert. Das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft (RLW), in dritter Auflage herausgegeben von Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller und den beiden Schreibenden, hat sein Erscheinen mit dem ersten von drei Bänden begonnen. Es unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht sowohl von der ersten und insbesondere der zweiten Auflage wie auch von anderen Lexika desselben Typs (einiges ist im Vorwort erläutert, anderes haben wir 1996 in einem Aufsatz im Archiv für Begriffsgeschichte dargestellt und begründet). Fragen wie diejenigen, die uns Georg Jäger gestellt hat, werden nicht ausbleiben. Wir benutzen dankbar die Gelegenheit zu einem Versuch der Beantwortung. Rezensionen (Band 1)
Aufsätze (Band 2)
Berthold Auerbach realisierte Oralität durch verschiedene, nicht nur stilistische Mittel: Gattungsname, Verknüpfung mit der Sage, mundartliche Gestaltung und "volkstümliches" Schreiben. Wollte er damit eine Brücke von den Gebildeten zu dem in den Mittelpunkt der Dichtung gerückten einfachen Volk schlagen, so baute er zugleich eine spannungsvolle Einheit von Region und Nation auf. Ausgehend von Vergleichen mit früheren Werken und unter Berücksichtigung von Rezeptionszeugnissen wird der Versuch unternommen, die ästhetische und ideologische Posotion von Heinz Müllers nachlaßstück Germania 3 zu bestimmen. die Fixierung auf die Deutschland-Thematik und die Rolle des Staatsdichters führte den späten Müller dazu, anstelle einer grotesken, die gesllschaftliche Depersonalisierung berücksichtigenden Dramaturgie auf eine quasi-barocke Emblematik als Rückstand einer verdinglichenden Heldenpsychologie zurückzugreifen, die notwendig geschichtsblind sein muß. Fortschrittsberichte und Fortschrittsdiskussion (Band 2)
Von 1780 bis 1960 gehörte die Leihbibliothek zu den wichtigsten Instanzen der Literaturvermittlung. Dieser Forschungsbericht stellt die neuen Arbeiten zur Leihbibliotheksforschung vor und diskutiert die methodischen Probleme dieses interdisziplinären Forschungsfeldes. Zusä,tzlich werden einige Desiderate der forschung und mögliche Forschungsperspektiven thematisiert. Schwerpunkt: Die Literatur- und Kultursoziologie Pierre Bourdieus (Band 2)
Von einem Aufriß seiner literatur- und kultursoziologischen Arbeiten ausgehend (I) wird Bourdieus anspruch einer Verbindung von interner und externer Literaturanalyse dargelegt (II). Es folgt eine Erläuterung zweier zentraler Theoriekonzepte (Feld, Habitus) (III) sowie eine Skizze der empirischen Analyse des Literaturfeldes Frankreichs um die Mitte des 19. Jahrhunderts (IV). Diese externe Produktionsanalyse wird in Bezug gebracht zur internen Werkanayse von Flauberts Education sentimentale (V), um anschließend Bourdius Lebensstilkonzept unter rezeptionsästhetischen Aspekten zu rekonstruieren (VI). Eine kritische Würdigung seiner kunstsoziologisch relevanten Arbeiten beschließt die Ausführungen. Pierre Bourdieu erhebt mit seiner Theorie des literarischen Feldes den Anspruch, Literatur aus streng sozialwissenschaftlicher Sicht als Ganzes zu betrachten. Der sozialwissenschaftliche Universalitätsanspruch, der sich gegen den beanspruchten Erklärungsprimat der Philosophie wendet, sucht so sowohl die Invarianten, die das literarische Feld mit andern Feldern teilt, zu erfassen, als auch die Spezifität von Kunst und Literatur. Die Berechtigung des Universalitätsanspruchs dieses Ansatzes, der am Beispiel der französischen Literatur entwickelt wurde, wird belegt sowohl durch die Übertragnbarkeit des Konzeptes auf andere nationale Kontexte. Rezensionen (Band 2)
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