Unter den spätmittelalterlichen Mären zeichnen sich diejenigen des Heinrich Kaufringer durch ein eigentümliches Experimentieren mit literarischen Darstellungsmitteln aus. Anhand von Metaphernspielen, gespiegelten Erzählkonstellationen und durch die Verschachtelung gegenläufiger Erzählmuster eröffnet sich ein "Spielraum" des Textes, der eigene Lösungsoptionen durchspielt und dessen fiktiver Status dadurch markiert wird, daß die Ebene sozialer Geltung und Normierung als Gegenfolie zur Fiktion stets präsent gehalten wird. Der Beitrag versucht, die Möglichkeit einer sozial- und kulturhistorischen Handschrifteninterpretation zu erörtern. An Textbeispielen werden grundlegende Fragen untersucht: Inwiefern können zeitlich voneinander entfernte Textentstehungsgeschichten als historische Archivspuren verstanden werden? Welches sind die sozial- und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen der philologischen Praxis? Inwiefern kann an Fallstudien der Nachweis erbracht werden, daß Textgeschichte und Kulturgeschichte zusammenlaufen? Für die literatur- und sprachwissenschaftliche, im engeren Sinne auch für die fachgeschichtliche Forschung soll im Deutschen Literaturarchiv Marbach ein "Internationales Germanistenlexikon 1800-1950" entstehen. In diesem Beitrag wird der Grundriß des Unternehmens vorgestellt (samt Begriffsbestimmung, Argumenten für den gewählten Zeitraum, Verfahren und Hochrechnungen) und das Kategorienschema anhand zweier ausführlicher Beispiele erläutert. Diese Prolegomena wollen nicht zuletzt um konkrete Mitwirkung in allen 35 Ländern werben, in denen es eine Germanistik wie unterschiedlich sie auch verfaßt gewesen sein mag gegeben hat. Entlang der Fragestellung von Erfolg und Mißerfolg historischer Romane am Literaturmarkt der Restaurationszeit soll ein Einblick in die komplexen Interdependenzen zwischen Autoren, Verlagen, Leihbibliotheken Zensurbehörden, Literaturzeitschriften und dem Lesepublikum geboten werden. Die Ausführungen stützen sich dabei vor allem auf quantitative Auswertungen sozialgeschichtlicher Quellen. Einführung durch Helmut Kiesel: Vom Dezember 1936 bis zum April 1939 lebte Ernst Jünger mit seiner Familie in Überlingen am Bodensee in einem Haus, das in Jüngers Tagebüchern wengen seiner Lage am Rand von Weinbergen und wohl auch wegen seiner rustikal wirkenden Architektur als "Weinberghaus" bezeichnet wird (vgl. Ernst Jünger. Leben und Werk in Bildern und Texten. Herausgegeben von Heimo Schwilk. Stuttgart: Klett-Cotta 1988, S. 152). In diesem Haus entstand im wesentlichen die Erzählung "Auf den Marmorklippen", die im Herbst 1939 erschien. Die in dieser Erzählung dargestellte terroristische Verunsicherung und Zerstörung eines Gemeinwesens, die vielerlei zeitgeschichtliche Bezüge aufweist (vgl. dazu IASL 14 (1989), S. 126-164), spielt in einer ebenso überschaubaren wie differenzierten Landschaft, die mit ihren dicht gedrängten, dabei aber sehr unterschiedlich besetzten Räumen eher bedeutungsvoll konstruiert als natürlich wirkt und deswegen in der Forschungsliteratur auch vorzugsweise als Produk eines Symbolischen oder Magischen Realismus und als Synthese aus verschiedenen Landschaften vor allem aus dem mediterranen Bereich betrachtet wird. Der folgende Artikel zeigt indessen, wie stark die Landschaft, die in Jüngers Erzählung evoziert wird, der Bodenseelandschaft und den damals in ihr lebendigen geschichtlichen Erinnerungen verpflichtet sein dürfte. Das "Weinberghaus" könnte als Vorbild für die "Rautenklause" der Erzählung gedient haben. Der Verfasser des Artikels, Arnold Rothe, der 1935 geboren wurde und einen Teil seiner Jugend in Überlingen verbrachte, ist Ordinarius für Romanische Philologie/Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg. Er schrieb diesen Artikel für eine Sonderausstellung, die das Leben und Schaffen Ernst Jüngers dokumentierte und im Sommersemester 1995 an der Universität Heidelberg im Institut für Deutsch als Fremdsprache zu sehen war. Konzipiert wurde diese Ausstellung von dem Direktor dieses Instituts, Professor Friedrich Strack, aus Anlaß des hundertsten Geburtstag von Ernst Jünger, der am 29. März 1895 in Heidelberg als Sohn eines Assistenten des Chemikers Victor Meyer geboren wurde. In den Ausstellungsräumen, die heute zum Institut für Deutsch als Fremdsprache gehören, befanden sich seinerzeit die Meyerschen Laboratorien. Aus literatursoziologischer Sicht bilden Grundlagen und Grundannahmen der BPjS hinsichtlich literarischer Texte einen Widerspruch zu Positionen, die in Literaturwissenschaft, Psychologie, Medienpädagogik und im Literatursystem vertreten werden. Es wird eine Konfliktkonstellation beschrieben, die wegen unterschiedlicher sozialer Konstruktionen von Realität typisch ist für sozial ausdifferenzierte Gesellschaften. Fortschrittsberichte und Forschungsdiskussion (Band 1)
Die Forschung der letzten Jahre resümierend konstatiert Volker Brauer in einer kürzlich erschienenen Arbeit, daß Norbert Elias´ These von der "Domestikation" des Adels auf die Hofhaltungen im deutschen Reich generell nicht übertragbar ist. Diese hatten vielmehr den Zweck, das Ansehen des einzelnen Hofherrn in einer überregionalen Prestigekonkurrenz zu erhöhen. Ausgehend von dieser Forschungslage wird hier vorgeschlagen, frühneuzeitliche Hofhaltung in globalerem Kontext als Reaktion auf politisch-sozialen Funktionsverlust adliger Interaktion beim Übergang zur modernen Gesellschaft zu interpretieren. Peter Fuchs sieht in der romantischen Literatur ein Indiz für das Diffus-Werden von Kommunikation in der Gegenwart. Dagegen wird geltend gemacht, daß die moderne Literatur interior eine neue, interliterarische zwischen verschiedenen Paradigmen von Literatur Übergänge erfindende Kommunikation initiiert; dadurch avanciert sie zum Modell einer intersystemischen Kommunikation. Rezensionen (Band 1)
Aufsätze (Band 2)
Nach dem Niedergang der materialistischen Literaturwissenschaft und der Renaissance idealistischer Positionen ist erneut die Frage zu beantworten, weshalb man Literatur und andere ideelle Gebilde überhaupt in Korrelation zur gesellschaftlichen Umwelt stellt und wie dabei ein kulturblinder Reduktionismus vermieden werden kann. Als theoretische Sonde wird eine systemtheoretische Applikation der Evolutionstheorie vorgeschlagen, die den Gegenstandsbereich als Geflecht von Problemreferenzen formalisiert. Ausgehend von einer Rekonstruktion der literarischen Fehde zwischen dem österreichischen Aufklärer Aloys Blumauer und dem Preußen Friedrich Nicolai versucht der Beitrag, die territorial höchst unterschiedlichen kulturellen Bedingungen literarischer Produktion in der 1780er Jahren zu beleuchten. Nicht nur die bekannten konfessionellen Unterschiede, sondern gerade auch die jeweiligen finanziellen, organisatorischen und lesersoziologischen Voraussetzungen des Buchmarktes und folglich die unterschiedlichen Konditionen für ein freiberufliches Literatentum sind dabei von Bedeutung. In seiner Fähigkeit, einen Massenmarkt zu schaffen und ein breites, sozial undeterminiertes Lesepublikum anzusprechen, erweist sich das Buchwesen in Österreich als "moderner". Im Dienste der "Kunst" fungieren Goethes "Theatergesetze" als paradigmatisches Disziplinierungsinstrument, dessen codifizierte Bewegungs- und Wahrnehmungsanleitungen über die Schriftsprache in den Körper-Ausdruck der Schauspieler mit "Gewalt" eingeschrieben werden sollen. Der Aufsatz fragt, welches Ideal von "Disziplin" im Verhältnis zu welchem Theater(betrieb)begriff hierbei als Maßstab gesetzt wurde, wenn die Arbeit am "Zeichen-Körper" Schauspieler als Probedurchlauf für die "höhere" Bildungsarbeit am zukünftigen "bürgerlichen" Menschen begriffen wird. Ausgehend von einem wenig bekannten Aufsatz Foucaults und im methodischen Anschluß an den New Historicism wird der Austausch diskursiver Elemente zwischen kriminologischen, juristischen und literarischen Darstellungen von "Unfall" und "Verbrechen" um 1900 analysiert. So werden Interrelationen in Texten von Lombrosco, Bram Stoker, F. v. Liszt, E. Weiß, Th. Lessing, Döblin und Musil sichtbar, die bisher übersehen wurden. Fortschrittsberichte und Forschungsdiskussion (Band 2)
Der Aufsatz verfolgt die Entwicklung der Wissenschaftsgeschichte der achtziger und neunziger Jahre auf dem Gebiet der deutschen Germanistik. Im Vordergrund stehen Fragen des Ansatzes und der Mothode, unter anderem der Versuch der neueren Forschung, die Aufgabend der Wissenschaftsgeschichte neu zu bestimmen und sich von dem ideologiekritischen Ansatz der sechziger und siebziger Jahre abzusetzen. Von seinem expressionistischen Frühwerk bis zum Schaffen im Exil durchzieht das Werk Alfred Wolfensteins (1883-1945) die Frage nach der Funktion von Kunst und Literatur, nicht nur als Mittel der ästhetischen, sondern vor allem der ethischen Erneuerung der Gesellschaft zu wirken. die nunmehr vorliegende wissenschaftliche Edition des Werke Wolfensteins ist Anlaß für eine poetologische Würdigung von Leben und Werk des Dichters. Die Editions de Minuit sind der bedeutendste Widerstandsverlag Frankreichs, ja das durch die Nationalsozialisten besetzten Europas überhaupt. Anne Simonin hat die Geschichte dieses Verlages dargestellt und ermöglicht damit Einblicke in das kulturelle Leben unter deutscher Besatzung, wie sie bisher nicht möglich waren. Rezensionen (Band 2)
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