Tipp der WocheLiteratur – das heißt in der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande, man mag das bedauern oder begrüßen: Marcel Reich-Ranicki. Was die Popliteraten von der produktiven Seite aus versuchten, nämlich, aus dem Schreiben eine Show zu machen, das unternahm Reich-Ranicki von der kritischen Seite aus. Es ist ihm gelungen, das beweist ebenso der Erfolg des "Literarischen Quartetts" wie die Tatsache, dass nun, nach dem Ableben der Büchertalkshow, der Ruf aus dem Bücherwald laut wird nach einem ähnlich geeigneten TV-PR-Medium. Hinzu kommt, dass Marcel Reich-Ranicki sich mit seiner Autobiographie, die den so schlichten wie prätentiösen Titel "Mein Leben" trug, selbst in den Rang der Dichter hinaufkatapultierte und als solcher auch nahtlos Anschluss fand an bisherige Publikumserfolge. Souverän platzierte sich sein Buch an der Spitze der Bestsellerlisten. Gründe genug also, Marcel Reich-Ranickis Schaffen auch wissenschaftlich-virtuell zu verewigen. Der Marburger Literaturwissenschaftler Thomas Anz, im Moment mit der Arbeit an einem biographischen Gegenstück zu "Mein Leben" beschäftigt und Herausgeber der Internetzeitschrift literaturkritik.de, rief darum ein Portal zu Marcel Reich-Ranicki ins Leben. Auch hier bleibt der streitbare Kritiker sich selbst treu. Neben den Rubriken Frankfurter Anthologie, Judentum und Literaturkritik – beispielsweise kann man die Urteile über alle im Literarischen Quartett besprochenen Bücher abrufen – findet sich auch ein Link zum Thema Freunde und Feinde. Die Germanistische Fakultät der Philipps-Universität Marburg erhält bei diesem Unternehmen freundliche Unterstützung durch die Buchverlage DVA, dtv und Insel und durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wer also meint, mit dem Aus der One-Man-TV-Show "Solo" solle noch längst noch nicht Schluss sein mit Marcel Reich-Ranickis Medienhistorie, findet hier alles, was sein Herz begehrt. Die Anregung zu diesem Tipp gaben Danica Krunic und Robert Mattheis.
|