Tipp der Woche

Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.

Friedrich Schiller: "Der Triumph der Liebe"

"Liebe kann nicht erklärt und nicht beschrieben werden; aber sie wird lesbar in den Geschichten, die aus dem Augenblick der Liebe kommen." (Gerhard Neumann: Lektüren der Liebe. In: Über die Liebe. Ein Symposium. München 2001. S.14)

Schillers Hymne vom Triumph der Liebe zeigt nur einen Aspekt der unterschiedlichen Vorstellungswelten der Liebe: Die Welt des griechischen Eros, die Welt natürlicher Geschlechtlichkeit oder die Welt der Agape.

Das Web-Projekt Deutsche Liebeslyrik der Germanistin Irene Stasch untersucht die unterschiedlichen Liebeskonzeptionen und deren poetische Inszenierung. Mittlerweile ist ein umfangreicher und vielseitig erfasster elektronischer Textkorpus zum Phänomen der Liebe entstanden. Er enthält ca. 2000 im Volltext verfügbare Zeugnisse deutscher Dichtkunst aus dem 16. bis zum 20. Jahrhundert von 73 deutschen Dichtern und Dichterinnen.

Die Erschließung der Balladen, Gespräche zwischen Verliebten und lyrischen Erzählungen kann sowohl chronologisch als auch alphabetisch erfolgen. Das Angebot erstreckt sich über Georg Rudolf Weckherlins "Liebliches Gespräch von der Liebe. Myrta und Filodor", Christian Hofmann von Hoffmannswaldaus Heldenbrief "Liebe und Lebenslauff. Peter Abelard und Heloisen", Clemens Brentanos Ballade "Die Einsiedlerin", Joseph von Eichendorffs Ballade "Die zauberische Venus", Goethes Romanze "Pygmalion" bis hin zu August von Platens Ballade "Des Königs Liebchen".

Eine weitere Möglichkeit zur Recherche bietet die thematische Einordnung der Gedichte in neun Kategorien wie Erotische Gedichte, Liebe und Dichtung, Liebe und Tod.

Im Zentrum des Lyrik-Projekts steht das "Lied der Lieder" über die Liebe aus dem Alten Testament. Das Hohelied Salomos wird in seinen Übersetzungen und Übertragungen ins Deutsche vorgestellt. Darunter befinden sich beispielsweise die Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, eine Übersetzung ins heutige Deutsch sowie die Übertragungen von Opitz, Goethe und natürlich auch die Überlegungen von Herder, der in seinem Aufsatz "Lieder der Liebe. Die ältesten und schönsten aus dem Morgenlande. Nebst vier und vierzig alten Minnelidern" neben einer Übersetzung des Hohelieds der Liebe ins Altdeutsche auch eine eingehende Kommentierung bietet.

Von besonderem Interesse für die literaturwissenschaftliche Forschungsarbeit ist die Dokumentation der verschiedenen literarischen Bearbeitungen der Geschichten berühmter Liebespaare. Einführende Beschreibungen der näheren Umstände der Liebesgeschichten werden von Ausschnitten aus den literarischen Werken begleitet. Erwähnung finden sollte hier die Sage der unglücklichen Liebe des durch das Meer getrennten Paares Hero und Leander, die Ovid als literarische Vorlage für zwei leidenschaftliche Briefe zwischen den beiden Liebenden diente: "Leander an Hero" und "Hero an Leander". Weitere Links zu den Gedichten "Hero" von Friedrich Hölderlin und "Hero und Leander" von Friedrich Schiller zeigen, wie das Motiv der Liebes-Geschichte von Leander und Hero in der Literatur des 18. Jahrhunderts umgesetzt wurde. Außerdem wird die Liebesgeschichte von Odysseus und Penelope, des berühmten Ehepaars der griechischen Sage, das Märchen von Amor und der Königstochter Psyche, die platonische Liebe zwischen Hyperion und Diotima sowie die literarische Reflexion der homoerotischen Liebesbeziehung zwischen Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas beschrieben.

Einen kulturdiagnostischen Blick auf die unterschiedlichen Auffassungen von Liebe in anderen Ländern und Kulturkreisen kann man bei Liebe ohne Grenzen werfen. Er führt in die Vorstellungswelt der petrarkistischen Liebeskonzeption, wie sie in der italienischen Renaissancedichtung in neoplatonisch-tragischer Variante von Michelangelo Buonarotti in seinen Liebessonetten an Tommaso de` Cavalieri und an Vittoria Colonna unverwechselbaren Ausdruck findet, zu den "Rime" der Gaspara Stampa, zu den Sonetten an Lucrezia Bendidio von Torquato Tasso sowie zu Stefan Georges Übertragungen der Dichtung von Charles Baudelaire.

Sehr aufschlussreich unterstreicht die Liste der vertonten Gedichte die Nähe von Liebeslyrik und Musik. Unter der Rubrik Himmlische Liebe findet sich Lyrik, die die Liebe zu Gott thematisiert. Ausgewälte Sprüche und Sprichwörter über die Liebe laden zum Stöbern ein. Und unter "Küssen will ich, küssen" erwartet Sie wöchentlich ein Kuss-Gedicht. Die Gäste-Seite ermöglicht es auch noch unbekannten Dichtern der Gegenwart, ihre Werke hier vorzustellen.

Die Anregung zu diesem Tipp gab Danica Krunic. Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder einen eigenen Tipp geben? Dann schicken Sie uns eine E-Mail.


[ Home | Anfang | zurück ]