Tipp der Woche

Hans Blumenberg schildert in der "Lesbarkeit der Welt", wie Paul Valéry – freilich unbewusst – die besondere Affinität seines Lehrers Stéphane Mallarmé zum damals noch gänzlich außerhalb jeder Vorstellbarkeit liegenden Medium Internet darlegte. Anlass war ein Versuch, das große Mallarmé-Projekt des "Coup de dés", des "Würfelwurfs", der ja den ersten, wenn auch eigenwilligen, hypertextuellen Versuch der Literaturgeschichte darstellt, "auf die Theater zu bringen". Diesen Versuch zu vereiteln, waren alle entschlossen, die je mit Mallarmés Unternehmung zu tun gehabt hatten. Nun wurde Valéry vom Erbverwalter als Kronzeuge angerufen.

Valérys Emphase galt der Tatsache, dass "dem Dichter alles auf den Akt des Lesens, der Durchbrechung des bloßen Zeilenbildes, der Aufhebung der literarischen Sukzession, die die Sprache erzwingt, angekommen sei."
(Blumenberg, Hans, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt am Main 2000, S. 312.)

Womit Valéry aussprach, dass Mallarmé ein Internet-Dichter gewesen sei – avant la lettre, versteht sich. Der Beweis für diese kühn nur scheinende These lässt sich nun in Jacques Lemaires Aufbereitung betrachten. Die digitale Umsetzung von Mallarmés Traumwerk ist auch geeignet, folgender Passage ihren melancholischen Schimmer zu nehmen: "Valéry hatte bei seinem letzten Besuch im Juli 1898 Mallarmé darüber betroffen, einen Mechanismus zu entwerfen, der die Druckerei instandsetzen sollte, dem Werk die gewünschte Vollkommenheit zu geben."
(Blumenberg, a.a.O., S. 315.)
Dies, erfahren wir heute, war gar kein Moment des Scheiterns der Literatur. Sondern es war der Moment, da ein Dichter sich daran machte, das Internet zu erfinden.

Die Anregung zu diesem Tipp gaben Danica Krunic und Robert Mattheis.
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