Tipp der Woche

Mit der Entwicklung der digitalen Bibliotheken bricht ein neues Zeitalter der Informationsbereitstellung an. Die digitalen Informationsdienste ermöglichen die elektronische Erschließung der bibliothekarischen Bestände. Konventionelle Bestände werden in einem allgemein zugänglichen digitalen Bestand zusammengeführt. So lautet auch die Devise von Perseus:

"Our goal is to bring a wide range of source materials to as large an audience as possible. We anticipate that greater accessibility to the sources for the study of the humanities will strengthen the quality of questions, lead to new avenues of research, and connect more people through the connection of ideas."

Die Perseus Digital Library fasst die Daten verschiedener Sammlungen zusammen. Sie vereint heterogene Informationsquellen zur Erforschung der Welt der griechischen und römischen Antike, der Englischen Renaissance und der Geschichte und Topographie der Stadt London bis ins 19. Jahrhundert sowie griechische und römische Papyri.

Die Perseus Classics Collection enthält einen Großteil der Originaltexte der antiken griechischen und lateinischen Literatur, die größtenteils aus dem 4. und 5. Jahrhundert v. Chr. stammen. Das griechische Textkorpus enthält derzeit Werke von über 30 verschiedenen Autoren von Aeschines über Homer bis Xenophon. Die lateinische Textsammlung enthält etwa 50 Werke und erstreckt sich von Julius Caesars De bello Gallico über die Fabeln des Phaedrus bis hin zu Vergils Aeneis. Eine Anthologie führt den Leser direkt zu den bedeutendsten Passagen der lateinischen Literatur.

Die Sammlung der Englischen Renaissance erfasst Literatur aus der Zeit des elisabethanischen England. Sie enthält das komplette Werk von Christopher Marlowe und William Shakespeare. Eine besondere Kostbarkeit sind die als Image-Scans bereitgestellten ersten Folio-Ausgaben von Shakespeares Dramen.

The Bolles Collection on the History of London ist ein digitales Archiv zur Erforschung der Stadt London im Spiegel des 19. Jahrhunderts. Es enthält sowohl literarische Werke wie auch Photographien von Stadtansichten und Straßenkarten dieser Zeit.

In Zusammenarbeit mit der Duke Data Bank of Documentary Papyri befinden sich unter den Perseus Papyrological Resources fast 500 digitalisierte Urkunden und Dokumente aus der ptolemäischen und römischen Zeit.

Neben dem Vorteil der Unabhängigkeit vom Aufbewahrungsort der Bücher spricht für die digitale Bereitstellung der klassisch antiken Literatur die Verfügbarkeit älterer, nicht mehr erhältlicher Texte, die nun zeit- und standortunabhängig abgerufen werden können.
Ein weiterer Vorteil gegenüber der Recherche in der analogen Bibliothek ist vor allem bei sehr umfangreichen Textbeständen der schnelle und punktgenaue Zugriff auf die relevanten Bücher und Textpassagen. Verfeinerte Suchfunktionen wie das Perseus Lookup Tool ermöglichen die Kombination verschiedener Kategorien wie nach Autor, Titel etc. sowie bei der Suche in den Katalogen die Volltextsuche in verschiedenen Sprachen. Ausgefeilte Navigationshilfen, durchdachte Querverweise und auch die neue übersichtliche Perseus Table of Contents Page unterstützen die Orientierung innerhalb des Webangebots.

Dank dieses modernen Forschungsinstruments gewinnt auch das etwas angestaubte Wissensgebiet der antiken Literatur wieder neuen Reiz. Denn die Perseus Digital Library stellt nicht nur digitalisierte Volltextausgaben zur Verfügung, sondern liefert weiterführende Forschungsmaterialien und -hilfsmittel, um die Texte neu zu kontextualisieren und somit neue Wege der Interpretation zu fördern.

Mit Hilfe von philologischen Analysewerkzeugen und Textretrievalprogrammen wie dem Vocabulary Tool, welches direkt in die Originaltexte integriert ist und mit dem Wortlisten erstellt werden können, bieten die elektronischen Textkorpora Gelegenheit zur schnellen Recherche nach Konkordanzen, statistischen Analysen zum Vorkommen bestimmter Worte oder zu stylometrischen Untersuchungen. Auf diese Weise kann etwa nach der Anzahl der Wörter in Virgils Aeneis oder nach den wichtigsten Wörtern in Caesars De bello Gallico geforscht werden.
Außerdem ermöglicht das System dem Nutzer anhand von ausgewählten Stichwörtern, welche auf charakteristische Kontexte in anderen Texten der Antike verweisen, neue Zusammenhänge herzustellen.

Eine zusätzliche Hilfestellung bieten die Übersetzungen und Lexika. Zu fast jedem Wort des griechischen oder lateinischen Originaltextes wird eine entsprechende englische Übersetzung angeboten. Die Einbindung einer griechischen Lexikographie und Grammatik vervollständigen den Service.

Über die technisch ausgefeilten elektronischen Arbeitsmittel zur Erforschung der klassischen antiken Literatur hinaus, bieten Bilder, Karten und Skulpturen aus dem Archiv der Kunst und Archäologie einen vertieften Einblick in die antike Kultur. Die Kooperation mit über 70 Museen erlaubt die Präsentation von weit über 10.000 Abbildungen von antiken Kunstwerken wie Skulpturen, Vasen und Münzen, und von der Architektur antiker Stätten sowie Aufnahmen von archäologischen Fundorten.
Um einen Einblick in die historischen Hintergründe zu gewinnen, empfiehlt sich ein Blick auf die Übersicht über die griechische Geschichte.

Die Perseus Digital Library ist eines der fortgeschrittensten Digitalisierungsprojekte. Die Idee zu dem Projekt entstand bereits 1985. Initiiert und zusammengestellt wurde die Sammlung der digitalen Bibliothek unter der Leitung von Gregory Crane, Professor of Classics an der Tufts University in Somerville, Massachusetts. Veröffentlicht wurde sie 1992 von der Yale University Press unter dem Titel Perseus 1.0: Interactive Sources and Studies on Ancient Greek Culture als CD ROM-Version speziell für Macintosh-Nutzer. 1996 wurde die zweite CD ROM-Version Perseus 2.0 veröffentlicht. Seit Februar 1995 hat sich die Perseus Website zur Perseus Digital Library weiterentwickelt.
Das Archiv-System ist Teil des amerikanischen Entwicklungsprogramms für digitale Bibliotheken der Digital Libraries Initiative Phase Two. Finanziert wird es von staatlichen Stiftungen wie der National Endowment for the Humanities, der National Sciences Foundation sowie durch private Stiftungen und Zuschüsse von Technologiefirmen.

Einen zusätzlichen Zugang zur Perseus Digital Library gibt es über die europäischen Spiegelseiten in Berlin und Oxford.

Die Anregung zu diesem Tipp gab Danica Krunic. Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder einen eigenen Tipp geben? Dann schicken Sie uns eine E-Mail.


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