Tipp der Woche

Zu Bacharach am Rheine
Wohnt eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riß viel Herzen hin.

Und brachte viel zu schanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.

(Clemens Brentano)

Ein uraltes Thema der Menschheit – meist kontrovers diskutiert – ist die Frage nach der unterschiedlichen Bestimmung von Mann und Frau im Kontext von Versuchung und Verführung.

Einen innovativen methodischen Ansatz zur polykontexturalen Erschließung der Geschlechtscharakteristikdebatte im ausgehenden 18. und im frühen 19. Jahrhundert bietet das Projekt Loreley, das 1999 an der Humboldt-Universität zu Berlin von Hannelore Scholz ins Leben gerufen wurde.

Auf der Basis eines vielschichtig und vielseitig erfassten Textkorpus wurde mit Hilfe der TEI-LITE-Kodierung ein ausgeklügeltes Hypertext-Informationssystem entwickelt, welches dem Nutzer neue Erkenntnisdimensionen zu eröffnen verspricht. Ausgewählte Loreley-Gedichte führen die verschiedenen Formen der Verführungsszenarien vor. Die direkte Einbettung von Interpretationen in die Gedichte macht die Strukturen der Motive bzw. die Motivketten von Verführung kenntlich und markiert spezielle Formelemente der Lyrik. Die Gedichtanalysen können aber auch in traditioneller Form gelesen werden. Mittlerweile umfasst der Textkorpus 13 Gedichte wie etwa "Zu Bacharach am Rheine" von Clemens Brentano, "Ich weiß nicht was soll es bedeuten" von Heinrich Heine und das "Waldesgespräch" von Joseph von Eichendorff.

Debatten zum "Geschlechtscharakter" und zur Volkspoesie wie etwa die "Anmerkungen zur Geschlechtercharakteristik der Goethezeit" von Volker Hoffmann und "August Wilhelm Schlegels frühe Volkspoesieauffassung im Kontext mit der Schiller-Bürger-Debatte" von Hannelore Scholz betten den Diskurs des Frauenbildes und der Volkspoesie in ihren literatur- und sozialgeschichtlichen Kontext. Daneben gibt es Aufsätze internationaler Germanisten zum Thema Versuchung und Verführung in Märchen, Romanen und Lyrik wie etwa Klaus F. Gilles "Ein Abgrund von Wollust – Versuchung als Ausbruch aus der Kultur am Beispiel von Ludwig Tiecks Märchennovelle Der Runenberg", Elke Liebs' "Das Verfahren der Verführung dargestellt an Jean Pauls Titan" oder "Verführerisches Verhalten in den Märchen der Brüder Grimm" von Manuel Montesinos Caperos. Musikbeispiele wie Friedrich Silchers Vertonung von Heines "Loreley" und Robert Schumanns Komposition des "Waldgesprächs" runden den Informationsgehalt des Projekts Loreley ab.

Die Anregung zu diesem Tipp gab Danica Krunic. Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder einen eigenen Tipp geben? Dann schicken Sie uns eine E-Mail.


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