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IASLonline Diskussionsforum
Wissenschaftliche Kommunikation in der Kontroverse

Leitung: Herausgeber IASLonline






Diskussionsbeiträge

Herausgeber und Redaktion von IASLonline beobachten seit längerem die Veränderungen der Textsorte >Rezension< im elektronischen Medium. Besprechungen werden länger, das Verhältnis von Information und Wertung verschiebt sich; Rezensionen von Sammelwerken >arbeiten< häufig den Band der Reihe nach >ab< und lassen zuweilen ein klares Fazit vermissen.
Ein kritischer Kollege hat die Entwicklung in drei provokanten Thesen zusammengefaßt:

Besprechungen im elektronischen Medium seien

  • viel zu lang, neigen daher
  • zur Geschwätzigkeit und
  • zur Unterkomplexität

Wir haben diese Kritik zunächst an unsere Fachreferentinnen und Fachreferenten weitergegeben und sie um Ihre Meinung zu dem Problem gebeten.

Die eingegangenen Antworten waren - wie zu erwarten - kontrovers. Sie markieren einen ersten Diskussionsstand und scheinen uns geeignet, eine offene Diskussion über Standards, Erwartungshaltungen und Entwicklungspotentiale der Online-Rezension anzuregen, die wir gerne mit allen unseren Leserinnen und Lesern führen würden. Bitte beteiligen Sie sich mit einer kurzen Mail an die Herausgeber von IASLonline und lassen Sie uns wissen, was Sie von Rezensionen im Netz erwarten, wo Sie die Entwicklungsmöglichkeiten der elektronischen Textsorte sehen, und wo deren Grenzen liegen.

Um von der Sache selbst möglichst wenig abzulenken, geben wir die Diskussionsbeiträge anonymisiert wieder. Der spontane Duktus der Mails bleibt erhalten.




Beitrag Nr. 1

Ich kann den Eindruck des zitierten Kollegen nicht teilen. Es handelt sich um Einzelfälle. Rechne ich meine Lektüre auf das Gesamtangebot hoch, so ist der Eindruck falsch.

Die Rezensionen werden länger, aber sie sind nicht zu lang. >Zu lang< müßte in diesem Fall als Maßstab nicht nur eine Konvention für die Gattung >Rezension<, sondern auch die medialen Bedingungen für das Internet berücksichtigen. Zugegeben: Viele der Rezensionen sind für eine Bildschirmlektüre zu lang. Aber ich sehe es nicht als Aufgabe des Internet an, Informationen ausschließlich für die Bildschirmrezeption anzupassen (hierzu dürften die Rezensionen vielleicht nur 2 Seiten haben), sondern die Informationen überhaupt in dieser Form zur Verfügung zu stellen. Und diesen Zweck erfüllt LiRez geradezu optimal - im Vergleich zu printmedialen Rezensionsorganen, sowohl was die Geschwindigkeit der Erscheinung als auch die Systematik der Darbietung (Suchfunktion) angeht.

Genauso wenig läßt sich Geschwätzigkeit und Unterkomplexität als genereller Eindruck bestätigen und als Kritikpunkt halten. Es geht gerade vor dem Hintergrund der Internetdistribution um die vorrangige Aufgabe, die Bücher vorzustellen. Daß dabei auch gegenüber den Kurzrezensionen der "Germanistik" oder den kürzeren Rezensionen von "literaturkritik.de" auch breiter angelegte Informationen gegeben werden (können), sollte doch eher erwünscht sein, als daß es prinzipiell im Zuge einer Straffung der Texte unterdrückt würde.

Die Kritik der Bücher im Sinne eines Einstiegs immer auf der Höhe der Argumentation ist nicht immer möglich und auch nicht so erstrebenswert, auch wenn man bedenkt, daß sich die Rezensionen an ein einschlägiges Publikum wenden. Überspitzt gesagt: Komplexität so verstanden führt schnell zu einer elitären Kommunikation, Unterkomplexität kann hingegen gerade die Vermittlungsfunktion für Interessierte, die keine ausgewiesenen Fachleute im engen Kreis sind, unterstützen. Und diese Erfahrung bestätigt sich durch meine Kontakte mit den Lesern der Rezensionen.

Auf ein Fazit könnte man hinweisen, denn es ist (fast) immer schön, die Einschätzung auf den Punkt gebracht zu finden. Umgekehrt bedeutet ein Fazit auch die subjektive Einschätzung des Rezensenten, die bisweilen auch sehr aufgesetzt wirken kann. Hinweis ja, Verpflichtung nein!

Mein Fazit: Die zitierte Kritik erscheint mir nicht so umfassend zu gelten, als daß sie massive Eingriffe in die Redaktionspraxis erlauben würde. Komprimierung geht zu Lasten der Attraktivität. (16.10.2001)






Beitrag Nr. 2

Ich kann mich der Einschätzung des ungenannten Korrespondenten anschließen. Es geht mir genauso, man sucht oft lange nach dem Fazit und wird nicht fündig. Vielleicht sollte man von vornherein eine klarere Struktur vorgeben, in der das Inhaltsreferat, das ja an sich wichtig ist, nur einen bestimmten Stellenwert bekommt und die Einordnung in Forschungslandschaft und theoret.-method. Kontext sowie das resümierende und bewertende Fazit klarer hervortreten. (16.10.2001)






Beitrag Nr. 3

Ich denke, daß die von Ihnen mitgeteilte Kritik zutreffend ist, wäre also auch für eine genauere Strukturvorgabe der Rezensionen und eine strengere Limitierung des Umfangs. Auch mir ist eine gewichtende Einschätzung der zu besprechenden Literatur wichtiger als eine ausführliche Inhaltsangabe. (16.10.2001)






Beitrag Nr. 4

Auf einen Teil der Rezensionen trifft die Kritik, dass das Medium zur Weitschweifigkeit verführt, sicher zu. Die Alternative mehr ›Wertung‹ statt ›Inhaltsangabe‹ sehe ich aber ambivalent. Wenn mich ein Titel interessiert, möchte ich auch etwas genauer wissen, was mich als Leser erwartet, wobei ›Inhalt‹ ja nicht gleich ›weitschweifige Unterkomplexität‹ bedeuten muss.

Die wertende und gewichtende Einschätzung vor dem Hintergrund der jeweiligen Forschungslandschaft sollten wir vielleicht für unsere Rezensenten verbindlich machen.

Für umfangreichere Sammelwerke böte sich eventuell eine Zweiteilung an mit einer vorweggestellten ›Kurzrezension‹ von nicht mehr als 1-2 Seiten (einschließlich ›Wertung‹) und einem zweiten, eingehenderen Teil, von dem von vornherein klar ist, dass er fakultativ zu lesen ist. (17.10.2001)






Beitrag Nr. 5

Ich glaube mich zu erinnern, daß IASL sehr wohl eine "Strukturvorgabe" - oder nennen wir es besser: Empfehlung - macht, nicht zuletzt, was die erwünschte Länge der Besprechungen angeht. Diese an unsere Autoren/Innen weiterzuleiten und auf Einhaltung zu achten, sollte Aufgabe der Fachreferenten sein - ebenso: im Einzelfall denkbare oder gar erforderliche 'Abweichungen' mit denselben zu erörtern. (17.10.2001)






Beitrag Nr. 6

Es ist gut, die Rezensionspraxis im Auge zu behalten und sich über sie zu verständigen, aber ich rate zur Behutsamkeit, denn bei Reformvorschlägen gilt Nestroys "und das muß mit Verstand geschehn!". Einerseits sind wir nirgendwo so schlecht wie bei der Beurteilung unserer eigenen (Rezensions-)praxis, andererseits ist das ein heikles und sensibles Thema, und wir haben bislang allen Grund, unseren Rezensent(inn)en dankbar zu sein. Die feed-backs, die ich erhalte (und das sind nicht wenige), sind in der Regel durchweg positiv, Kritik wird (und das ist immer so) an Einzelfällen geübt.

[...] Im übrigen aber würde ich vielleicht über einen Appell zur Kürze hinaus wenig vorschlagen - schließlich sind unsere Erfahrungen noch relativ kurz und man muß ja auch dem Medium eine Chance geben, eine spezifische Form zu entwickeln. (17.10.2001)






Beitrag Nr. 7

Daß die Rezensionen "unterkomplex" sind, kann ich nicht finden. Kaum einer liest wohl alle, also kann ich nur schließen, daß Ihr Gewährsmann die falschen gelesen haben muß. Insgesamt finde ich das Reflexionsniveau völlig zureichend.

Ebensowenig anschließen kann ich mich dem Votum für mehr Meinung und weniger Information. Urteile bilde ich mir selbst, u.U. auch gegen den Rezensenten. Wichtig ist, daß er mir dafür genug Informationen liefert.

Länge? Da es hier keine strengen Limits gibt, sind die Rezensionen mitunter in der Tat etwas lang; andererseits liegen darin eben die besonderen Möglichkeiten einer Online-Rezension, die keine kostenbedingten Grenzen setzen muß. Extreme sollte man beschneiden, das Limit aber, wenn es denn eines geben soll, nicht zu knapp ansetzen. (also mindestens in den Dimensionen von "Arbitrium").

Es ist ja bekannt, daß die Rezension von Sammelbänden immer schwierig ist. Eine, allerdings arbeitsaufwendige, Lösung bestünde darin, der Rezension ein (abgetipptes, eingescanntes) Inhaltsverzeichnis voranzustellen - was auch aus bibliographischen Gründen hilfreich wäre. Danach könnte sich der Rezensent auf die Beiträge beschränken, die er ausführlicher besprechen will, und hätte doch seiner Informationspflicht Genüge getan.

Ansonsten halte ich Reglementierungen, die über das hinaus gehen, was jeder Kundige von den Regeln des Genres Rezension ohnehin weiß, für weder nötig noch sinnvoll. (19.10.2001)






Beitrag Nr. 8

Grundsätzlich kann ich dem hier geäußerten Eindruck nicht zustimmen. Im Gegenteil war ich, was die Rezensionen betrifft, die ich gelesen habe, sehr überrascht über den hohen Informationsgehalt wie das fachliche und theoretische Niveau der Beiträge. Deshalb ist auch der Umfang kein Hindernis. Genauere Vorgaben zur Standardisierung der Rezensionen halte ich trotzdem fuer sinnvoll. Vielleicht koennte man den Rezensionen eine kurze Zusammenfassung mit Wertung voranstellen - fuer alle eiligen Leser? (19.10.2001)





Beitrag Nr. 9

So pauschal möchte ich die Rezensionen nicht kritisieren; vor allem wäre ich nicht glücklich darüber, wenn man versuchen würde, sie zu standardisieren. Das hängt doch immer auch von den zu besprechenden Titeln ab, zu welchem Verfahren des Referates und der Kritik man kommt. Deshalb möchte ich auch nicht grundsätzlich sagen, daß die Rezensionen zu lang seien.

Eigentlich kann man ja nur sagen, warum man selbst Rezensionen liest und warum man Studenten empfiehlt, ebenfalls Rezensionen zu lesen: Ich möchte mich knapp und präzise über ein Buch und seine Schwerpunktsetzungen informieren, und ich möchte auch eine möglichst sachliche und begründete, knappe Einschätzung des Buches haben. Eitelkeiten, Schnöseligkeiten, Gönnerhaftigkeit und Verrisse aus Konkurrenzgefühlen heraus: Auf all das kann ich gerne verzichten.

Vorstellen könnte ich mir schon, daß Sie einfach eine Obergrenze setzen; die Auseinandersetzung mit dem Buch muß nicht ins Klein-Monographische gehen. Ansonsten: so viel Liberalität wie möglich. (19.10.2001)






Beitrag Nr. 10

Ich möchte mich der Position von Nr. 4 anschließen: Eine >komplexe<, d.h. dem Forschungsstand angemessene Bewertung setzt - soll sie für Nicht-Kenner des rezensierten Buches nachvollziehbar sein - selbstredend Informationen über den Inhalt voraus. Dies ist nicht immer in >Kürze< möglich, auch wenn es idealiter anzustreben wäre. Außerdem: Rezension bleibt Rezension (auch in IASLonline) und sollte nicht unter der Hand zum Forschungs- oder Fortschrittsbericht aufgewertet werden.

Eindeutige Vorgaben für die Rezensenten/innen im Sinne des hier Diskutierten und Vorgeschlagenen halte ich allerdings für sinnvoll. Sie würden es erleichtern, auch massivere Eingriffe in die Texte a priori zu legitimieren, falls diese das Ideal allzu weit verfehlen sollten. (21.10.2001)






Beitrag Nr. 11

Den Bedenken, die zuletzt Nr. 10 in der Diskussion um eine angemessene Passform der Rezension geltend machte, möchte ich mich anschließen. Auch ich glaube, dass es eine wesentliche Funktion der Rezensionen bleiben sollte, die ausgesprochenen Bewertungen durch (knappe) inhaltliche Rekurse transparent zu machen. Wäre es nicht aber möglich, den Einsatz der Hypertext-Funktionen zu erweitern, um eine gegebenenfalls selegierende Lektüre zu erleichtern? (21.10.2001)






Beitrag Nr. 12

Ich schließe mich dem Votum von Nr. 4 an: Bei Titel, die mich interessieren, möchte ich auf ausführliche zusammenfassende Inhaltsdarstellungen ungern verzichten, solange sie informativ bleiben. Wertungen lieber getrennt und sparsam dosiert. (24.10.2001)






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Ins Netz gestellt am 28.12.2001
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