IASL Diskussionsforum online Peter Fuchs Abstract In diesem Essay wird vorgeschlagen, das Konzept der Autopoiesis, das die soziologische Systemtheorie aus der Biologie entliehen hat, als eine reine Zeitkonzeption zu verstehen. Die (unbeobachtbare) Naturzeit wird unterschieden von der Zeit Sinn-prozessierender Systeme wie des Bewußtseins- oder des Sozialsystems. Diese Sinnzeit ist die Zeit des Supplements oder der Différance (Derrida). Damit werden das Bewußtseins- und das Sozialsystem aus dem Feld Cartesischer Rhetorik herausgenommen. Es ist nur konsequent, daß derartige Systeme weder als Subjekte noch als Objekte verstanden werden können. Vielleicht wäre es sinnvoll, sie "Unjekte" zu nennen. Vor diesem Hintergrung wird jedenfalls klar, daß Systeme als "konditionierte Co-Produktion" (Spencer-Brown) betrachtet werden können und eben deswegen eine polyvalente Logik notwendig wird, fähig, polykontexturale Lagen zu analysieren. Die Konturen des Problems werden beispielhaft am Problem sozialer Ordnung diskutiert: als ein Problem der Differenz zwischen Mikrodiversität und Struktur. (english outline)Inhalt
Es gibt Begriffe, deren Allgemeinheit und Inhaltsleere verführerisch wirkt. Einer davon ist Autopoiesis, der nichts weiter bezeichnet als die Weise der Selbstverfertigung sozialer und psychischer Systeme, jedenfalls dann, wenn man die Assimilation des Begriffes durch die Systemtheorie der Bielefelder Schule vor Augen hat, eine Einverleibung, die nicht mehr sehr viel übrig gelassen hat von dem, was einst die Biologie Maturanas und Varelas mit ihm gedacht und gewollt hatte.1 Wie für für alle Über-Setzungen eines Begriffs aus einer in eine andere Domäne gilt auch hier, daß die Übersetzung sich längst nicht mehr aufs Original zurückübersetzen läßt. 2 Die besondere Modifikation (das nicht Zurücksetzbare) liegt darin, daß der Begriff auf Sinnsysteme angewandt wird (und nicht auf: Leben) und daß er dabei eine Fassung gewinnt, die ihn zeitlich komplex gestaltet. 3 Im Augenblick, in dem Sinnsysteme und Autopoiesis begrifflich zusammengeschlossen werden, entsteht eine Doppelzeit, eine, die man die Naturzeit nennen könnte, in der nichts, was geschieht, etwas ausmacht für das, was schon geschehen ist, eine Zeit der Indifferenz also, 4 und eine, die Sinnzeit heißen könnte, die Zeit der Autopoiesis, in der jede Sinnstiftung im Nachtrag geschieht, jede Identität reversibel ist. Diese Sinnzeit ist naturzeitgegenläufig, und sie findet sich offenbar nur in Sinnsystemen und eben nicht in der Natur, also auch nicht: im Leben. 5 Beide Zeiten sind aber vorausgesetzt, implizieren sich wechselseitig, wenn von existierenden Sinnsystemen gesprochen wird. Denn eben dann muß der Naturzeit (der indifferenten Folge) die Zeit der Differenz von Identität und Differenz abgewonnen werden, und dazu bedarf es der Operation eines Lesekopfes, der, wenn ich so sagen darf, seine eben dadurch selbsterzeugte Spur rückwärts lesen kann - zugleich! Denn auch dies wäre bei sinnhafter Autopoiesis vorausgesetzt, daß alles, was geschieht, aktuell geschieht, also auch: die Produktion der Spur und (wie man in einer gewichtigen Tradition formulieren könnte) ihre lesende Lege, mit Heidegger also (und ihn locker nehmend): ihr Logos. Man sieht schnell, daß solche überlegungen soziologiefremd zu sein scheinen, eine Art philosophischer Nebelkerzen, der Inhaltsleere von Höchstbegriffen geschuldet, weitab von dem, worum es der Soziologie eigentlich gehen könnte, um die Analyse sozialer Systeme. Die folgende (und im genauen Sinne: essayistische) Denkarbeit scheut sich gleichwohl nicht, die Tragweite solcher Abstraktionen im Blick auf soziale und psychische Systeme zu erproben. Es geht dabei, seltsam genug, um die Arbeit an einer Konkretion. 2. Autopoiesis, Unjekte und konditionierte Co-Produktion Soziale und psychische Systeme, so der Lehrsatz, sind autopoietische Systeme. Der Lehrsatz verschweigt, daß Systeme keine Objekte sind, denen Eigenschaften angesonnen werden können. 6 Sie sind keine aristotelischen Substanzen, sie sind auch nicht Subjekte, die als Objekte von anderen Subjekten beobachtet werden können, die selbst Objekte für andere Beobachtungssubjekte sind. Sie sind weder Subjekte noch Objekte, sie sind ein WederNoch. 7 Man könnte sie Un-jekte nennen und würde sich damit nicht im mindesten von einer Systemtheorie entfernen, die das System von allem Anfang an (und wieder: in der Bielefelder Schule) als Differenz bestimmt: Das System ist die System/Umwelt-Differenz. Es läßt sich deshalb formal bezeichnen durch den Schied, die Barre, das "I" des Unter-schieds, und eine der wesentlichen Folgen dieser Annahme war und ist, daß keine Systemreferenz durchgehalten werden kann, die das System als Objekt begreift, aber auch keine Referenz, die die Umwelt als weiteres Objekt nimmt oder Systeme in Umwelten als weitere Objekte, die sich auf ein Subjektsystem beziehen. Die Anweisung ist streng: Nimm das System als Differenz, bezeichne den Unterschied des Systems, und kalkuliere ein, daß du dann in die Probleme nicht-artistotelischer Logik und in die Probleme nicht-cartesischer Arrangements gerätst. 8 Die Die Anweisung ist ferner, daß die Beobachtung solcher Arrangements von Beobachtern durchgeführt wird, die sich selbst fixieren müssen als ein Arrangement desselben Typs, was bedeutet, daß die Beobachtung in einer Sprache stattfindet, die ein technisiertes Medium ist, mithin eine cartesische Simplifikation. 9 Wir entnehmen diesen vertrackten Verhältnissen die Einsicht, daß auch Autopoiesis an die ökologische Differenz gebunden, also alles andere als eine Eigenschaft des psychischen oder des sozialen Systems ist. Sie kann nichts anderes sein als konditionierte Co-Produktion 10 Sie ist in gewisser Weise janus-förmig, oder auch: Sie ist wie das System selbst keine Einseitenform. 11 Daraus folgt selbstverständlich auch, daß Autopoiesis so wenig wie das System (oder irgendein Phänomen, das in diesem Kontext diskutiert werden könnte) ein Objekt ist, und dies bedeutet definitiv, daß sie wie die anderen Un-jekte (System, strukturelle Kopplung, Umwelt etc.) sich empirischer Direktbeobachtung entzieht. 12 Was oben als leere Allgemeinheit bezeichnet wurde, ist aus dieser Sicht rekonstruierbar: Es handelt sich nicht um eine logische Allgemeinheit, sondern um den Effekt des Versuches, Differenzen (und nicht Einheiten) beobachten zu wollen. Autopoiesis ist der Begriff (ein Wort) für eine betriebene Differenz. Auch das macht deutlich, daß die Rede von autopoietischen Systemen aufklärungsbedürftig ist, solange und soweit sie die Hypostasierung von Objekten begünstigt. Weder das System noch die Umwelt, weder strukturelle Kopplung noch Autopoiesis selbst sind - Gegenstände. Sie sind aber auch keine Artefakte (denn auch dann wären sie Objekte gleichsam zweiter Ordnung), sie sind, strictissime, arbeitende Unterschiede, beobachtet durch einen Unterscheider, der gleichfalls nur als arbeitender Unterschied, als betriebene Differenz konzipiert ist. Die Besonderheit dieses Betreibens, dieser Arbeit ist offenbar, daß sie sich im Medium Sinn vollzieht, in der, wie man vielleicht sagen könnte, Projektivität von Sinn, in (um eine Freudsche Metapher aufzugreifen) der Projektion von Oberflächen. Was immer die Operationen sinnorientierter Systeme sein mögen, sie führen immer Sichten vor und nicht Nicht-Sichten, sie zeigen etwas, sie be-deuten etwas im Webewerk von Sinnverweisungen, sie besagen etwas für etwas. 13 Für einen Beobachter heißt das: Ihm begegnen Systeme (und er sich selbst ebenfalls) immer nur als Konnexität von Projektionen, als Sinnverweisungsschläge, die auf Sinnverweisungsschläge verweisen - und nie als Nicht-Sinn oder Nicht-Bedeutung. Der Sinn verdeckt dabei seine Operation, er zeigt sich, nicht den Projektor. 14 Und da Sinn für Sinnsysteme ein universales (nicht negierbares) Medium ist, fehlt es an der Möglichkeit, ein Dahinter des Sinns, einen Nichtsinn zu kommunizieren bzw. zu erleben. 15 Solcher Sinn wäre etwas für - Hinterweltler und deren besonderem, auch in der Soziologie nicht unbekanntem Wahn. 16 Nichts hindert mithin daran, das System (diese Differenz) als die konditionierte Co-Produktion von Projektionen aufzufassen, deren Verkettung (chaining) in irgendeiner Form Beobachter generiert, die aus der Analyse nicht wegzudenken sind, weil Sinn als Medium jemanden/etwas voraussetzt, der dem Medium Formen abgewinnt: als Epiphanien eines bestimmten (und sofort wieder auflösbaren) Sinns. Diese Beobachter nutzen Sinn, sie sind im genauen Sinn randvoll mit Sinn aufgefüllt. Sie haben keinen Spalt, durch den ohne Sinn auf Nicht-Sinn geblickt werden könnte. Nur aus den Augenwinkeln können sie in der Weise (hoch kommentarbedürftigen Sinnes) die Möglichkeit von Nicht-Sinn in der Form von Sinn andeuten. Solche Beobachter sind eingerichtet im Hause der Bedeutung, der Projektion. Sie sind Sinnverkettungsmaschinen. Folglich müßte, was Autopoiesis genannt wird, die Mechanik der Verkettung sein, ein selbst sinnfreier Operator, ein Zusammenhang von Operationen, oder, wie wir sagen wollen, von operative Kopplungen. Wir verraten nicht zu viel, wenn wir vorab sagen, daß hierfür einzig und allein Zeit in Frage kommt. Jedenfalls soviel ist klar, daß die Operation autopoietischer Systeme nicht als Vollzug, als Tat, als Tathandlung, als Akt gedacht werden kann. 17 Solche Systeme tun nichts tun, sie sind nicht im cartesischen Dual qualifizierbar, sie sind keine Vollbringer. 18 Eben deshalb wird die Konstruktion von Handlung zum soziologisch bearbeitbaren Problem. Handlung ist gerade nicht eine ontologische oder anthropologische Grundgegebenheit. Daraus folgt auch, daß die Operationen autopoietischer Systeme nicht an die uns bekannte Physik gebunden sind, obgleich sie sie infrastrukturell voraussetzen. Deutlicher wird das, wenn man die Operation als operative Kopplung begreift. 19 Dieser Begriff bezeichnet die Verknüpfung von Sichten (Projektionen) in der Zeit durch die Zeit. Was immer ein Ereignis in der physischen Welt gewesen sein mag, Schallwelle, Körperbewegung, Lichtgravure auf einem Monitor, schwarzes Zeichen auf einem weißen Papier, die Sicht, die darin vorgeführt, vor-gestellt wird, entsteht durch operative Kopplung, durch den Nachtrag von Sinn, durch différance. 20 Jedes psychische und soziale Ereignis hat seine Epiphanie (seine appearance) in einem Anschluß, für den dasselbe gilt, also in einer Umkehrung der Naturzeit. Wir könnten fast sagen: Das System ist die Zeit, in der etwas für etwas folgen kann, und die operative Kopplung bezeichnet genau diesen Sachverhalt, dieses Zeitverhältnis der Verschiebung und des Aufschubs. Deswegen kann man autopoietische Systeme nicht sehen, sie exponieren sich der Beobachtung als die Dissemination ihrer Effekte, und die Beobachtung kommt immer zu spät. Die Welt mag vollgestopft sein mit unentwegt passierenden Unterschieden, aber das System (diese Differenz) entsteht im Moment, in dem es zur Inversion der Naturzeit kommt, zur operativen Kopplung, in der etwas im Blick auf etwas in ein Besagen-für transformiert wird. Die eigentlichen Ereignisse des Systems sind zeitgebundene Kopplungen, also wiederum nicht: Entitäten. Die Kopplung ist die Zeitinversion, nicht: selbst eine Tat oder eine Handlung. Ein Unterschied folgt auf einen Unterschied, der seinen Vorgänger unterscheidet - in der Form von Sinn. Damit ist (auf dem Abstraktionsniveau, das wir gewählt haben) noch nichts darüber ausgesagt, wie spezifische Systeme das Problem dieser Kopplung lösen. 21 Festgehalten ist nur, daß Autopoiesis, sieht man von dem aus dieser Perspektive äußerst strittigen Fall lebender Systeme ab, die Bezeichnung für eine inverse Zeitfolge ist, die selbst kein Subjekt oder ein Objekt ist. Autopoietisch sind entsprechend Systeme, die über ein Medium verfügen, das jenes Besagen-für, jene Be-Deutung-von-etwas-für-etwas ermöglicht. Dieses Medium ist Sinn, und das erklärt und erhärtet die exzeptionelle Position von Sinn im Gefüge der Theorie. 22 Dieses Medium (das sich nicht selbst betreibt, sondern betrieben werden muß) wird wirksam nur durch die Zeit. Der phänomenologischer Einstellung zeigt sich Sinn als Simultanappräsentation von aktueller Wahl und dem Horizont der Auswahl; aus genetischer Perspektive entsteht Sinn durch die Nicht-Identität von Wiederholungen. 23 Was Sinn dabei selbst nicht leistet, ist die Folge, die Sequenz - so wenig, wie die Sprache spricht, wenn sie nicht benutzt wird. Weder Sprache noch Sinn sind selbst Systeme. Sie sind in einem gewissen Sinne geräuschlos. 24 Sinn, heißt das, ist nur im Betrieb, wenn etwas für etwas etwas besagt, also in der Zeit der Differenz von Identität und Differenz. Wenn Autopoiesis genau diese Kopplung bezeichnet, dann ist sie auf Prozessoren angewiesen, die der Geräuschlosigkeit des Mediums instruktionsfähigen Lärm abgewinnen können, ordnungsfähiges, mithin sinnförmiges Rauschen. Auch das impliziert, daß Autopoiesis nicht isolierbar ist von der Differenz, in der sie angesiedelt ist, von der Differenz des Systems. Sie spielt in der Differenz von System und Umwelt, die das System ist. Autopoiesis ist also auch nicht die Eigenschaft eines Gegenstandes, schon gar nicht die eines durch sie in die Luft gebauten Gegenstandes - eines, wie man sagen könnte: Münchhausen-Objektes. 25 Autopoiesis ist konkret angewiesen auf Lärmproduzenten, deren Lärm als ein Nacheinander genommen werden kann, dem ein Aufeinander-Reagieren ablauschbar ist. Autopoiesis ist die Bezeichnung dieser Transformation, und typischerweise wird hier dann von Anschlußmanagement oder Anschlußselektivität gesprochen, eine ihrerseits verkürzende (wiewohl mitunter sinnvolle) Redeweise, weil man im Blick auf die Zeitinversion von Nachtragsmanagement oder Nachtragsselektivität reden sollte. Autopoiesis ist die Form der Inversion von Naturzeit (nacheinander anfallenden Unterschieden) zur Sinnzeit. Sie setzt eine diskontinuierliche Infrastruktur von Prozessoren voraus, die jenes Nacheinander herstellen, dessen Inversion sie bewerkstelligt. Sie setzt also in ihrer Umwelt weitere Systeme des gleichen Typs voraus, mithin: andere Autopoiesis. Etwas muß sich anbieten, das als diskontinuierliches (in der Zeit diskretes) Material für diese Transformation genutzt werden kann. Es bedarf, wie wir sagen wollen, der Produktion von Anlässen. Wir unterscheiden damit Anlaß und Ereignis. Autopoiesis läßt sich dann auffassen als die Transformation von Anlässen in Ereignisse. Auch hier gilt, daß die Unterscheidung Anlaß/Ereignis sich selbst trägt: Kein Unterschied in der Welt ist Anlaß ohne seine Umbildung zum Ereignis, und kein Ereignis wäre ohne Anlaß möglich. Aber diese sich selbst stützende Unterscheidung wird durchaus in empirischer Absicht eingeführt. Jede Äußerung, jede Geste (ja auch nur die Zurechnung, daß ein Unterschied in der Welt als Anlaß für ein Ereignis genommen werden kann) ist nur äußerung oder signifikante Geste, wenn sie als Anlaß für den Nachtrag, für die operative Kopplung gedient hat. Ohne dieses Nehmen-für und Dienen-als wäre, was immer geschieht: sound and fury. 26 Es geht also, insofern wir uns auf die soziale Autopoiesis einlassen, darum, daß Anlässe als Beiträge zur Kommunikation entziffert werden. Die Anlässe müssen sinnhafte Verlautbarungen sein oder zumindest mit Bedeutung überzogen werden können. 27 Sie sind aus dieser Sicht bestimmbarer Lärm im Medium Sinn. Die operative Kopplung nimmt den Anlaß auf und trägt ihm seinen kommunikativen Sinn nach. Eben das ist soziales Verstehen. 28 Der Anlaß ist nichts (ist nicht einmal Anlaß gewesen), wenn er nicht in die operativen Kopplungen des Sozialsystems einrückt. Dabei kann er, das ist sehr wichtig, Sinn machen für ein psychisches System, das intern weiterdenkt oder aus den Augenwinkeln wahrnimmt, daß jemand eine äußerung produzierte, auf die kein Nachtrag erfolgte. Es kann dann lernen, wie man vermeidet, ignoriert zu werden. Entscheidend ist, daß die Verlautbarungen (Anlässe) im Medium Sinn Sinn machen. Damit sind sie per definitionem immer polyvalent. Jeder Sinngebrauch führt einen Mehrwert mit sich, einen überschuß an Möglichkeiten, und das ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß die Autopoiesis immer selektiv wirkt. Jeder Nachtrag (also jedes soziale und dann auch psychische Ereignis) ist nolens volens Auswahl. 29 Das Problem der Formulierung dieses Sachverhalts liegt darin, daß die Spieler in diesem Spiel auf eine äußerst schwer zu entzerrende Weise kooperieren. Das psychische System (diese Differenz) reagiert auf eigene und fremde Anlässe selbst sinngeführt und im Modus der Nachträglichkeit; das Sozialsystem (diese Differenz) erzeugt seine Ereignisse, indem es Anlässe in der Zeit staffelt und es dabei zuwegebringt, eine Art zerlegender Beobachtung zu implementieren, die zwischen Information und Mitteilung unterscheidet - aber nur durch einen Nachtrag (Verstehen), der selbst auf die gleiche Weise zerlegt wird. Und beide, Bewußtsein und Sozialsystem, stabilisieren ihre Differentialität (ihre systemness) in der Differenz psychisch/sozial. Vielleicht ist es nützlich, diese konditionierte Co-Produktion in einer ausgebauten Metapher schärfer zu stellen. 30 Wir vereinfachen zunächst psychische Systeme zu Monitoren und stellen uns den Fall vor, daß zwei dieser Geräte interagieren. In unserem Modell ist (getreu einem fundamentum inconcussum der Bielefelder Systemtheorie) die Aufnahme des Kontaktes zwischen beiden Monitoren identisch mit der Entstehung eines Drittsystems, dessen Umwelt die beiden Ausgangsmonitore darstellen. 31 Dieses Drittsystem, das in unserer Vereinfachung für das Sozialsystem steht, wäre also ein eigener, ein dritter Monitor. Die Ausgangsmonitore erzeugen auf der Basis von Innenzuständen, die nicht sichtbar werden, sichtbare Nachrichten: Botschaften auf ihren Schirmen. Im Innern dieser Monitore gibt es Innenmonitore, die Innen- und Außenverhältnisse innen projizieren. Innen kann also gesehen werden, welche Botschaften außen erscheinen (nicht, wie sie für den anderen Monitor erscheint) und welche Nachrichten der andere Monitor außen aufleuchten läßt (nicht aber, was sie für ihn innen bedeuten). Wir haben es demnach mit klassischen Re-entry-Maschinen zu tun, die ihre Innnen/Außenverhältnisse im Innen produzieren und kontrollieren. Der Innen-Monitor beider Ausgangmonitore scheint darüberhinaus über die Fähigkeit der Oszillation zwischen den Seiten der internen Unterscheidung von Innen/Außen zu verfügen, über dynamische Bi-referentialität. 32 Beide Seiten der Unterscheidung liegen aber ausschließlich als Projektion vor; auch die Referenz auf das Innen ist Referenz auf etwas. 33 Wichtig ist, daß diese Monitore nur nach innen sehen, wiewohl sie vermeinen, ein Außen wahrzunehmen. Das zwingt sie zu internen Mutmaßungen darüber, wie die eigenen Botschaften vom je anderen Monitor verstanden werden bzw. wie die fremden Botschaften sich verstanden wissen wollen. Beide (psychischen) Monitore ruhen bei alledem auf einem für sie selbst nicht zugänglichen technischen Unterbau auf, der immerzu Ereignisse ausschüttet, durch die das, was sie sehen, vorentschieden wird, so daß sich diese Monitore einer starken Realitätsunterstellung nicht entziehen können. 34 Das Drittsystem (das soziale System) imaginieren wir als einen Supermonitor. Er besteht aus nichts weiter als der zeitlichen Folge des Aufleuchtens der Nachrichten auf den Ausgangsmonitoren, aber so, daß der Sinn einer Nachricht für den Sinn einer vorangegangenen Nachricht etwas besagt, unabhängig davon, wie dieses Besagen in den psychischen Monitoren intern ergriffen wird. Es gibt keinen Kontakt zwischen dem Supermonitor und diesem inneren Ergreifen von Sinn. Der Supermonitor kommt nicht an das Innen der Prozessoren in seiner Umwelt heran. Er wirft einzig und allein psychisch nicht völlig prognostizierbare Differenzen aus. 35 Und er kann das wegen des Mehrwerts von Sinn, wegen jener Verzweigungsmöglichkeiten, die wir oben Überschuß genannt haben. Er kappt Sinnmöglichkeiten durch Nichtzugriff, greift Verweisungen auf, fügt weitere Proliferationsmöglichkeiten hinzu. Keine Äußerung deckt den Sinnhorizont der vorangegangenen ab. Jede Äußerung ist (im Zeitschema der différance) notgedrungen selektiv. Die Selektivität ist aber selbst nicht, wie dieses Modell zeigt, auf ein Subjekt angewiesen. Sie ist Resultat der Inversion der Sequenz. 36 Sie ist die pure Ordnung, die durch Sinn entsteht, der ein Besagen-für erlaubt. Ein Maulwurf, der eine Sequenz hört, vernimmt keine Botschaften, er hört in der Naturzeit. Erst Sinngebrauch ordnet - umgekehrt. Dieses Ordnen, diese Umkehrung, dieses Besagen-für als operative Kopplung markiert die Autopoiesis des Sozialsystems, und es ist von sehr großer Bedeutung, daß dieses Besagen nicht identisch ist mit dem, was eine Nachricht für ein psychisches System besagen mag. 37 Nur von dieser Differenz aus ist die Rede vom Sozialsystem als emergentem System begreifbar. Es zeigt sich als Phänomen einer punktuellen Doppelauslegung, die immer nur momentane Gültigkeit hat und dann wieder zerfällt und erneut aufgebaut werden muß. 38 Die operative Kopplung ist Sinnselektion und Sinnlimitation auf dem sozialen Monitor, der eine Folge verzeichnet, die er (nur durch Sinn) verkehrt, und die psychischen Monitore müssen sich von Moment zu Moment mit den dabei entstehenden Lagen arrangieren, selbst dann, wenn sie rückfragen, auf bestimmter Bedeutung insistieren, Metakommunikation einzufädeln trachten etc. Die Unverzichtbarkeit des Bewußtseins (irgendeines Bewußtseins) hängt an jener Differenz, an diesem Sich-Arrangieren, durch das weitere Anlässe notwendig werden, die als Ereignis erscheinen können in der invertierenden Verklammerung durch operative Kopplung. 39 Von hier aus gewinnt auch die Rede von der Verkettung der Projektionen ihren genauen Sinn (und insofern ist auch die Monitor-Allegorie präzise): Das selektive Besagen-für ist die Projektion eines Sinns auf ein selektives Besagen-für in nicht zu löschender Differenz zu dem, was psychische Systeme mit ihren Verlautbarungen intendieren bzw. was sie den Verlautbarungen anderer psychischer Systeme entnehmen. Zugleich kann man sehen, daß die systemness des Sozialsystems nur beobachtet werden kann durch einen Beobachter, der diese Differenz von Anlaß und Ereignis benutzt und auf die Verzweigungen und Einschränkungen achtet, die in der Inversion der Naturzeit zustandekommen. Dies ist ein Beobachter mit Sonderaufmerksamkeit, der - insofern er beteiligt ist - die Ergebnisse seiner Beobachtung nicht mitteilen kann, ohne in das Spiel des Sozialsystems verwickelt zu werden, dem nichts auffällt als Ereignisse, die es Anlässen abgewinnt, die durch dieses Auffallen erst zu Anlässen werden. Autopoiesis ist die Inversion der Naturzeit. Das ist möglich, weil jeder Nachtrag Sinn selektiv einem Anlaß zuweist, der dadurch zum Ereignis wird, zum Element, wie typisch formuliert wird, eines Systems, das sich auf der Basis gleichartiger Elemente kurzschließt. Auf allgemeinster Ebene sind die Operationen, die diese Inversion und Transformation leisten (damit auch den Kurzschluß): Kopplungen. Die Operation des autopoietischen Systems ist die Kopplung und nicht: ein Akt. Entsprechend sind Kommunikationen (Sozialsystem) bzw. Intentionen (Bewußtsein) operative Kopplungen. Deswegen lassen sich weder Kommunikationen noch Intentionen wie Entitäten isolieren oder stillstellen. Sie sind nicht präparierbar, auch dann nicht, wenn man eine protokollierte Sequenz von Äußerungen vor sich hat, denn jeder, der sich dazu äußert, unterliegt schon dem Gesetz des Nachtrags. Er produziert Addenda. Auch die soziologische Analyse ist diesem Gesetz subordiniert. Sie kann Kommunikation nicht beobachten, ohne sich an Kommunikation zu beteiligen, aber das rückt die Analyse in die systematische méconnaissance, in die Position des Nachtrags. Sie befindet sich (und hat das eigentlich immer gewußt) wie ihr Gegenstand auf der Seite der doxai, nicht auf der Seite der Wahrheit. 40 Spannend ist, daß autopoietische Systeme (insofern ihre Elemente operative Kopplungen, also selektiv sind) auch im Blick auf ihren Selbstzugang gebrochene Systeme sind. Sie erreichen sich nur als Abbreviatur, als Simplifikation, als Imagination, als Epigramm. 41 Solche Systeme können über sich nachdenken oder über sich reden, aber eben in der Form der Autopoiesis, und das heißt: im Modus der Inkomplettheit, im Modus der unvollständigen Information. 42 Sie können sich als Objekt oder als Subjekt behandeln, jedoch nur in der Form jener cartesischen Verkennung und Unvollständigkeit, die den (paradoxen) Selbstbezug von Un-jekten kennzeichnen. Das, was das System als Selbst auffaßt, ist, Autopoiesis vorausgesetzt, fundamental partiell, wiewohl eben dieses Auffassen für das System total ist, da es nur sieht, was es sieht, und nicht sieht, was es nicht sieht. Keine Organisation ist das, was sie über sich weiß; kein Bewußtsein ist, was es denkt, daß es sei; und auch die Gesellschaft ist nicht eine ihrer Beschreibungen, auch nicht: deren Summe. 43 Denselben Punkt erreicht man, wenn man von der Simultaneität aller Ereignisse des Systems ausgeht, also davon, daß es sich in Aktualität vollzieht (und nicht in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit). Das, was das System im Rahmen konditionierter Co-Produktion als Sicht aufbaut, ist im Blick auf Simultaneität strikt selektiv, ist im gewissen Sinne jene Vertikalisierung (Sequentialisierung), die die Horizontale, den Rahmen, die Gleichzeitigkeit aller Ereignisse nicht miterfassen kann. 44 Das autopoietische System ist, so schließen wir, für sich gleichsam eine Hervorhebung, eine Teilbeleuchtung, ein minimaler Anblick, ein Aspekt. Es ist für sich totale Erscheinung. 45 Aber diese Totalität ist imaginär, da das totum des Systems wegen des simul aller Systemereignisse nicht für es zugänglich ist. Die Verhältnisse komplizieren sich weiter, wenn man zumindest für Sozialsysteme annimmt (und dies für Bewußtsein vermutet), daß die Projektionen von Oberflächen nicht die Projektion von Punkten sind. Die Gesellschaft als konditionierte Co-Produktion ist in jedem Moment ein Geflacker und Geflimmer unendlich vieler Kommunikationen, und wenn man von der Projektion der Gesellschaft reden wollte, müßte man deshalb von einer pluriversen Projektion sprechen, ebenso, wenn man sich auf Funktionssysteme konzentriert. Korrekt müßte man mithin sagen, daß solche Systeme eine Pluralität (und auf der Ebene primärer Differenzierung in Funktionssysteme: eine Polykontexturalität) von Hervorhebungen, von Teilbeleuchtungen, von Minimalanblicken, von Aspekten sind. Und nur Organisationen (vielleicht Familien, vielleicht auch Bewußtsein) hätten eine Art Primäraspekt, eine konturierte Adresse, eine Selbstbeschreibung - aber auch nur als pars pro toto, wobei das totum selbst vom System her nicht erfaßbar ist. Wahrscheinlich würde sich hier die romantische (paradoxe) Redeweise von Fragmenten empfehlen, die sich nicht zur Einheit des Systems aufrunden lassen. 46 Jedenfalls wird es unter diesen Voraussetzungen extrem schwer, sich weit ausgreifende Ordnungsbildungen vorzustellen, nicht nur eine flimmernde Autopoiesis, sondern Selbstorganisation, die bereichsdeckend Dasselbe zu dem Selben rechnet, die nicht unter laufender Zerfaserungsgefahr betrieben wird, die es (wenn auch unter theoretischen Präzisionsverlusten) gestattet, von einem System der Gesellschaft und von ihren Funktionssystemen zu sprechen und im engeren Rahmen von adressenfähigen Einheiten wie Organisationen. In einem gewissen Sinne muß die konditionierte Co-Produktion, die die Produktion von pluriverser Verschiedenheit ist (trotz der nihilistischen Codes, die dazu zwingen, die Welt, also unaufhebbare Diversität, über Programme bzw. in Organisationen über informale Kommunikation zu re-implementieren), gebändigt erscheinen und unter Einheitsgesichtspunkte gebracht werden können. Dabei kommt überraschend der Irritator, der Abweichungsproduzent, der Kontaminateur par excellence ins Spiel: das Individuum - jedenfalls wenn man wiederum auf Differenz (und nicht auf Subjekte, Objekte) setzt, nämlich auf die Differenz von Selbstordnung und Mikrodiversität. 47 7. Dämonie und Konditionierbarkeit Soziale wie psychische Autopoiesis erzeugt in jedem Moment Sinnüberschüsse. Wenn die Operationen autopoietischer Systeme operative Kopplungen in der Zeit sind, dann bedeutet das immer auch: Sie erzeugen die Möglichkeit von überflüssigen, von mäandernden, von devianten Nachträgen oder Anschlüssen. 48 Das ist in Sozialsystemen nicht weiter tragisch, schließlich gibt es Sozialformen, die strenge Thematizität ausschließen, ja negativ sanktionieren, etwa die Form der Geselligkeit oder des Schwatzens schlechthin, das sich nicht selten mit dem Genuß am Ungebändigten verbindet, bar jeder aufklärerischen Vernunft. 49 Problematisch werden Sinnüberschüsse (und die darin implizierte Möglichkeit, operativ ins Unpassende, ins nicht Geheure zu geraten), wenn man mitsieht, daß soziale Formationen wie die Funktionssysteme oder Organisationen durch scharfe (im Fall der Funktionssysteme geradezu nihilistische) Selektivität gekennzeichnet sind. Sie müssen gegen Ausuferungs- und Sinnzerfransungsmöglichkeiten von Kommunikation Prozesse der Selbstordnung setzen können, ein klar konturiertes Anschlußmanagement, Strategien der Exstirpation von überfluß. 50 Im Umkehrschluß formuliert: Sie können ihre Ordnungsgewinne der Gesellschaft nur einschreiben, weil in ihr Überschuß an Sinn, Überschüsse an Verzweigungsmöglichkeiten produziert werden. 51 Jene oben benutzte Metapher von flimmernder, flackernder Autopoiesis läßt sich auf diesem Hintergrund auflösen dahin, daß die Ordnungsgewinne sozialer Systeme, insbesondere die Ordnungsgewinne von Funktionssystemen und Organisationen, der Welt mikrodiverser Lagen entspringen. 52 Die These ist, daß Selbstordnung notwendig und möglich ist auf der Basis von Mikrodiversität. 53 Alles mögliche kann geschehen (und vieles geschieht), und die Systeme der Gesellschaft, die wir anpeilen, sind eben deshalb damit befaßt, diese in jedem Moment erneut sich re-animierende polymorphe Perversität abzufangen. Sie sind, wenn man so sagen darf, Überschußentsorgungsmaschinen, die den Überfluß brauchen (und laufend herstellen), der sie (diese Abfangvorrichtungen) erzwingt. 54 Die Figur ist unaufhebbar zirkulär, und gerade dies ist ein Hinweis darauf, daß sie als Differenz wirkt. Mikrodiversität (in der Fassung, die wir ihr hier geben) ist nicht kontrollierbar, weil sie in jeder Kontrolle (und deshalb kommt es auf die Differenz an) weiter in Betrieb bleibt. Wir können das zuspitzen und sagen: daß die Ordnung der Systeme an einer basalen und unauslöschbaren Unordnungsmöglichkeit hängt. 55 Die Unifikationsleistungen der Funktionssysteme (und von Organisationen) sind extrem artifiziell, sie sind "fixierte Unruhe", 56 gegründet auf inquiétude, auf Mikrodiversität, die man sich wie die Brownsche Molekularbewegung vorstellen kann 57 - und evolutionstheoretisch als den eigentlichen Pool für Varietät. In dieser Form ist Mikrodiversität von der Ordnung her (von den bereinigten Anschlüssen der Funktionssysteme und Organisationen aus gesehen) der laufende Neuanfall von Verschmutzung, also auch: von Entropie. 58 Beobachtet man die Unterscheidung von Mikrodiversität und Selbstordnung mit der Unterscheidung von Medium und Form, 59 läßt sich erkennen, daß diese Form (die Unterscheidung Mikrodiversität/Selbstordnung) selbst als Element eines Mediums begriffen werden kann. Mikrodiverse Lagen in ihrer unendlichen Reproduzierbarkeit und Zerfallsfähigkeit können als Medium für Formbildungen in Anspruch genommen werden, und dies gerade in Funktionssystemen und Organisationen. Beide Systemtypen verfügen über spezifische Operationen und sind im Blick auf diese Spezifik tautologisch: Wissenschaftliche Anschlüsse sind Nachträge an wissenschaftliche, rechtliche an rechtliche, künstlerische an künstlerische, wirtschaftliche an wirtschaftliche Anschlüsse, und Entscheidungen in Organisationen schließen an Entscheidungen derselben Organisationen an. 60 Aber wie das im einzelnen geschieht, welche Zufälle, aktuelle Konstellationen, Stimmungen, Kontinuitäts- und Kausalitätsbrüche, Selbstverstärkungs- oder Selbstabschwächungsprozesse etc. die jeweilig spezifische Operation kontextieren (zur Selektion machen), das spielt sich in mikrodiversen Lagen, mithin kontrollbedürftig ab. Dieses Spiel setzt, und das ist das Entscheidende, Individuen voraus, die nicht mehr essentielle Eigenschaften haben, sich in keiner Art von Wesenhaftigkeit und anthropologischer Festgelegtheit beschreiben lassen, sondern nur die Doppelmöglichkeit von prinzipieller Unbestimmtheit, Offenheit, Unvorhersehbarkeit des Verhaltens, schlicht: von Dämonie offerieren und zugleich Bestimmbarkeit im Sinne dessen, daß sie sich trotz und wegen ihrer Unbestimmbarkeit konditionieren lassen. 61 Individuen (diese Beschreibung der Menschen) sind in dieser Doppelmöglichkeit simultan Produzenten von Mikrodiversität und diejenigen, die auf mikrodiverse Lagen reagieren, also Entscheidungen unter Unentscheidbarkeitsbedingungen treffen, strategisch operieren, Sanktionen veranlassen, Abweichungen registrieren etc. In gewisser Weise sind sie domestizierte Dompteure. Die Freiheit des Individuums wird unter diesen Voraussetzungen zu einem kognitiven Sachverhalt. 62 Sie wird zur systembedingten Projektion von mikrodiverser Alternativität, zur Trägerin von jederzeit möglicher Verschiedenheit (diversitas), zur Bedingung der Möglichkeit basaler Unruhe, durch die Selbstordnungsprozesse (als Rekurs auf die Einheit des Systems = Rekurs auf unitas) erzwungen werden. Sie sind damit auch die Irritationsquellen, die in der Differenz des Systems (System/Umwelt) sozusagen strukturierte überraschungsmöglichkeiten bereithalten, mit denen das System sich selbst überraschen kann, indem es sich (sein Selbst, die Zone der Eigentransparenz) durch Erfahrung ausbaut, durch die Entdeckung dessen, wozu es fähig ist. Bei alledem geht es selbstverständlich nicht darum, daß die Individuen so sind, wie sie konstruiert werden müssen, damit Selbstordnungsprozesse funktionieren. Für die Konstruktion ist es unerheblich, ob die Individuen determinierte oder nicht determinierte Systeme sind. Mikrodiversität leitet sich ab aus der Differenz der Individuen (aus purer diversitas), und im Kontext von Selbstordnungsprozessen kann diese diversitas als Freiheit und Unbestimmbarkeit gelesen, aber gerade nicht als ontologische Eigenschaft des Menschen fixiert werden. 63 Dabei ist es auch gleichgültig, ob Individuen sich als dämonisch oder machtlos, als unfrei oder frei erleben; die Form der Differenz, die wir diskutieren, sinnt ihnen Unbestimmbarkeit an. Es genügt, daß das soziale System unterstellen kann, daß Individuen auf die durch sie induzierte diversitas divers reagieren. Wichtig ist, daß das System in seiner tautologischen Reproduktion differentiell geknüpft ist an unentwegt mitreproduzierte Mikrodiversität, an eine Unkontrollierbarkeit, die jede Selbstordnung initiiert und strukturiert - bis hin zu Selbstordnungen, die auf das Scheitern der Ordnung selbst antworten und dann von Beobachtern als illusorisch, als Täuschung, als Selbstbetrug oder Selbstverwechslung gebrandmarkt werden können, also als Pathologie. Von hier aus könnte ein Abzweig genommen werden zu einer Theorie 'wahnsinniger' Autopoiesis; wir halten nur fest, daß die Notwendigkeit von Mikrodiversität für eine sich ordnende (strukturierende) Autopoiesis erklärt, warum Sozialsysteme (unter modernen Bedingungen) Individuen in die Doppelform der Dä und der Konditionierbarkeit bringen. Das ändert jedoch nichts daran (und gerade dieses Mißverständnis ist zu vermeiden), daß Individuen keine sozialen Einheiten sind. 64 Soziale Autopoiesis setzt zwar selbstverständlich Bewußtsein voraus, 65 aber damit ist noch nichts darüber entschieden, in welcher Form Bewußtsein sozial unterstellt wird. Wahrscheinlich wird man sich schnell darauf verständigen können, daß solche Unterstellungen mit der soziokulturellen Evolution variieren. Das eine wäre dann, wie Bewußtsein unter wechselnden gesellschaftlichen Bedingungen in Anspruch genommen wird; das andere wäre, wie Mikrodiversität sozial überhaupt abgreifbar wird, wenn kein Bewußtsein für soziale Autopoiesis verfügbar ist. Benötigt wurde eine soziale Unruhe-Ebene, eine hoch empfindliche, abweichungsanfällige Systemebene, die in allen gesellschaftlichen Prozessen differentiell wirkt im Sinne potentieller Abweichungs- oder überraschungsproduktion. Die These ist, daß für diese Funktion einzig und allein Interaktion zur Verfügung steht. 66 Interaktion, darauf wird man sich verständigen können, realisiert ja ihre eigene Autopoiesis. Sie schreibt der Gesellschaft eigenständige Formen ein, indem sie etwa ihre Grenze über das Schema anwesend/abwesend unter Anwesenden reguliert. Das ist ein hinreichend bekannter Sachverhalt. Seltener aber wird die Konsequenz gezogen, daß die eigene Autopoiesis von Interaktionssystemen ausschließt, daß diese Systeme durch andere autopoietische Formationen in der Gesellschaft instruiert werden könnten. Sie können sich zwar instruieren lassen, aber nur in der Weise der Selbstinstruktion, und das ist nur ein anderer Ausdruck dafür, daß diese Autopoiesis wie jede andere sich irritieren lassen kann, aber die Irritation nur Maßgabe der eigenen Strukturalität bearbeitet - oder auch nicht. Das heißt zum Beispiel, daß die Funktionssysteme der Gesellschaft keinen wahlfreien Zugriff auf Interaktionen haben, die eher selbstbeweglich, eher "automobil" sind. 67 Interaktionssysteme können sich durch funktionssystemspezifische Codes und Programme leiten lassen, sie können sie gleichsam anklicken, aber sie eben auch abschalten, zu anderen Codes und Programmen übergehen oder zur Form freier, vagabundierender, decodierter Kommunikation. Sie sind extrem plastische Systeme, die diese Führungswechsel verkraften, ohne ihre eigene Autopoiesis zu gefährden. Sonst könnte ein Gespräch über Geld nicht unversehens (ja sogar simultan) in die Anbahnung von Intimität konvertiert werden. Und wenn diese Anbahnung ersichtlich scheitert, kann dasselbe Gespräch blitzschnell wieder eines über Geld oder ein anderes über Kunst oder eines über andere Personen werden. Funktionssysteme haben damit (übrigens wie Organisationen) das Problem der Rekrutierbarkeit von Interaktionen, die sich nicht dauerhaft inkludieren lassen, weil ihre Autopoiesis Selbstexklusion jederzeit zuläßt. 68 Dazu kommt, daß Interaktionen (anders als Organisationen, aber wie die Gesellschaft und die Funktionssysteme, nicht-adressable Systeme sind. 69 Man kann sich nicht an sie wenden, man kann sie nur stören. Auch aus dieser Perspektive ziehen Interaktionssysteme der Gesellschaft eine Ebene der Unbestimmtheit ein, die zur Konditionierung zwingt, also zu Strategie der Ordnung dessen, was sich selbst nicht ordnen kann. Damit rückt Interaktion in die Funktion der Produktion von Mikrodiversität ein, woraus folgt, daß kein scharfer Durchgriff auf gleichsam harte Individuen notwendig ist, um die soziale Erzeugung von ordnungsstiftender Unordnung zu begründen. Interaktionen sind, wie man sagen könnte, jederzeit funktionsfähige Interdependenz-Unterbrecher. Sie sind von den Funktionssystemen und den Organisationen her potentielle (katalytisch wirkende) diversitas. In einer räumlichen (von daher prekären) Redeweise können Interaktionen die Grenzen der Funktionssysteme und Organisationen (und nicht: der Gesellschaft) jederzeit passieren - durch Decodierung, Umcodierung oder durch den Verzicht auf das Prozessieren von Entscheidungen. Sie sind in einem gewissen Sinne transversal und eben deshalb geeignet, Funktionssysteme und Organisationen mit Störungen (das heißt: mit Nachrichten über sonst-noch-etwas in der Welt) zu versorgen. Funktionssysteme sind schließlich tautologische Systeme, sie produzieren Mehr-desselben: Recht Recht, Wissenschaft Wissenschaft, Kunst Kunst, Wirtschaft Wirtschaft etc. Das verhält sich nicht anders mit Organisationen, die Entscheidungen aus Entscheidungen hervorgehen lassen. So gesehen, sind Interaktionen Welt- und damit auch Strukturimporteure für autopoietische Systeme. 1 Siehe in Auswahl zum Ausgangskontext und zur Differenz Varela, F.J./Maturana, H.R./ Uribe, R.B., Autopoiesis: The Organization of Living Systems, Its Characteristics and a Model, in: Biosystems 5, 1974, S.187-196; Zeleny, M. (Hrsg.), Autopoiesis. A Theory of Living Organization, New York -- Oxford 1981; Zeleny, M./Pierre, N.A., Simulation of Self-Renewing Systems, in: Jantsch, E./Waddington, C.H. (Hrsg.), Evolution and Consciousness, Human Systems in Transition, London 1976, S.150-165; Maturana, H.R./Varela, F.J., Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living, in: Boston Studies in the Philosophy of Science, Vol. 42, Boston -- Dordrecht 1980; Benseler, F. et al. (Hrsg.), Autopoiesis, Communication and Society. The Theory of Autopoietic System in the Social Sciences, Frankfurt 1980; Luhmann, N., Autopoiesis, Handlung und kommunikative Verständigung, in: ZfS 11, 1982, S.366-379; siehe zur grundlegenden Ausarbeitung Luhmann, N., Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984. zurück 2 Vgl. dazu die Beiträge in: Hirsch, A. (Hrsg.), übersetzung und Dekonstruktion (Reihe Aestetica, hrsg. von Karl Heinz Bohrer), Frankfurt a.M. 1997. zurück 3 Siehe dazu Fuchs, P., Moderne Kommunikation, Zur Theorie des operativen Displacements, Frankfurt 1993; vgl. auch das Kapitel über die Kommunikationsmaschine in ders., Die Umschrift, zwei kommunikationstheoretische Studien: "Japanische Kommunikation" und "Autismus", Frankfurt a.M. 1995; ders., Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie, Zur Herrschaft der Verlautbarung und zur Erreichbarkeit des Bewußtseins, Frankfurt a.M. 1998; ders., Intervention und Erfahrung, Ms. Groß Wesenberg 1998. zurück 4 Deshalb Naturzeit im Sinne von Indifferenz gegenüber Identität und Differenz. Vgl. Schelling, F.W.J., Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, in ders. Schriften von 1799-1801, Darmstadt 1982, S.309. zurück 5 Es wäre sehr instruktiv, der Metapher von Gegenläufigkeit unter der Fragestellung nachzugehen, wie sehr sie schon an Schrift (an der linksrechts-Richtung des Zeitstrahls) geknüpft ist. Würde man unter Bedingungen einer umgekehrten Schriftrichtung (Japan etwa) sozusagen nur die Metapher umdrehen müssen, oder zwingt die Umkehrung dazu, feinere Metaphern finden zu müssen? Ich vermute, daß es zur Neufindung feinerer Metaphern kommen müßte. Einschlägige Untersuchungen stehen meines Wissens aber noch aus. zurück 6 Eigentlich verschweigt er das nicht, aber er wird sehr oft in arg verkürzter Form genommen. zurück 7 Ich bin dafür nicht zuständig, aber dieses WederNoch scheint in der Logik als "Nicodscher Junktor" (aber auch als Peirce-Pfeil) aufzutauchen. Vgl. dazu Mann, Ch., A universe comes into being, in: Mind & Loic, Colour, Vagueness, Semiotics, Acta Analytica 10, 1993, S.93-120, S.101, Anm. 13. zurück 8 Deshalb das Interesse der Theorie an George Spencer-Brown, an Gotthard Günther, aber auch an Zenbuddhismus. zurück 9 Deshalb das Interesse der Theorie an George Spencer-Brown, an Gotthard Günther, aber auch an Zenbuddhismus. Sie ist es, wie man jetzt schon sehen kann, systematisch, denn sie spielt ihr Spiel ja schon in der Differenz des Sozialsystems, also aufgefüllt mit Effekten der psychischen und der sozialen Domäne. Das erklärt dann bizarre Sätze, die als Zumutung empfunden werden können. Vgl. dazu Marius, B./Jahraus, O., Systemtheorie und Dekonstruktion, Die Supertheorien Niklas Luhmanns und Jacques Derridas im Vergleich, Lumis-Schriften aus dem Institut für empirische Literatur und Medienforschung der Universitäts-Gesamthochschule Siegen, Siegen 1997, S.17f., Anm.24. zurück 10 Vgl. Spencer-Brown, G., A Lion´s Teeth, Löwenzähne, Lübeck 1995, etwa S.20: "How we, and all appearance that appears with us, appear to appear is by conditioned coproduction." zurück 11 Vgl. Spencer-Brown, G., Gesetze der Form, Lübeck 1997, S.ix f. zurück 12 Ebenso wie der Begriff der différance bei Derrida. Im übrigen gibt es unter diversen Namen Versuche, die Umwelt als Kontext zu hypostasieren und daran Steuerung zu knüpfen. zurück 13 Schon im platonischer Sophistes (237a-e) findet sich: légein = légein tí - Sagen ist Etwas Sagen. Parmenides weist als erster auf die Intentionalität des Denkens hin (dóxai - dokoûnta - Annehmen/Angenommenes). So jedenfalls Thanassas, P., Die erste "zweite Fahrt", Sein des Seienden und Erscheinen der Welt bei Parmenides, München 1997, S.45f. Vor Brentano und Husserl findet sich der Topos komplex ausgearbeitet bei Hegel. Siehe dazu Kreß, A., Reflexion als Erfahrung, Hegels Phänomenologie der Subjektivität, Würzburg 1996, S.33ff. et passim. Ulrich Pothast (Philosophisches Buch, Schrift unter der aus der Entfernung leitenden Frage, was es heißt, auf menschliche Weise lebendig zu sein, Frankfurt a.M. 1988, S.55ff.) würde hier vermutlich von einer Intentionalitätsdoktrin sprechen. Aber er muß das tun, weil er dem Konzept des Spürens eine ungeheure theoretische Last aufgeladen hat, die ihn dann kurioserweise in die phänomenologische Anekdote treibt. zurück 14 Dies wird erst ganz verständlich, wenn das, was Operation bedeutet, näher bestimmt sein wird. zurück 15 Die Behauptung von Ausnahmen ist dabei hoch instruktiv. Vgl. etwas Luhmann, N./Fuchs, P., Reden und Schweigen, Frankfurt a.M. 1989, dort dann insbesondere die Studien über Mystik und Zen. zurück 16 Vgl. jedenfalls Nietzsche, F., Also sprach Zarathustra: Die Reden Zarathustras: Von den Hinterweltlern, Werke in drei Bänden, Bd.2, München 1955, S.297f. zurück 17 Vgl. so nebenbei die nachgerade kasuistischen Probleme, die im Rechtssystem auftreten, wenn von Handlung, Tat oder gar entsprechenden Kausalitäten ausgegangen werden muß, die Beck´schen Kurz=Kommentare, Bd.10, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 47. Auflage, München 1995, S.69ff. et passim. zurück 18 Ich gebe gern zu, daß sehr oft der Eindruck entsteht, Systeme seien wie Täter/innen beschreibbar. Die Ursache für diesen Eindruck ist (nimmt man Fälle unterkomplexer Rezeption der Theorie aus) die cartesisch organisierte Sprache selbst. zurück 19 Ich beziehe mich hier auf die Variante I operativer Kopplung, die durch das Autopoiesistheorem selbst vorausgesetzt ist. Vgl. Luhmann, N., Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1993, S.440f. Davon zu unterscheiden ist die operative Kopplung zwischen Systemen. Ich mache nur am Rande darauf aufmerksam, daß in der Unterscheidung dieser Unterscheidungen eine starke theoretische Herausforderung liegt. zurück 20 Es würde mir gefallen, wenn man im Vorgriff auf die Unterscheidung von Anlaß und Ereignis hier von einem Antrag auf Sinn sprechen würde, dem eine Sinnzuweisung, also ein Nachtrag folgt. zurück 21 Darauf komme ich zurück. zurück 22 Man sieht damit auch, um mich zu wiederholen, die exorbitante Bedeutung von Sinnanalysen (Hermeneutik im weitesten Sinne) für die Analyse von Systemprozessen. zurück 23 Vgl. Luhmann, N., Identität - was oder wie?, in ders., Soziologische Aufklärung, Bd.5, Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, S.14-30. zurück 24 Ich beziehe mich hier auf das order-from-noise-Prinzip, bin aber der Auffassung, daß aus der noiselessness des Mediums erst einmal noise gewonnen werden muß, ehe von order die Rede sein kann. Damit plädiere ich für ein order-from-noiselessness-Prinzip. Vgl. dazu Fuchs 1998. Anregungsreich dazu Heider, F., The Notebooks (ed. By Marijana Benesh-Weiner, Vol.1, Methods, Principles and Philosophy of Science, München-Weinheim 1987). S.229: "Things are noise, the medium is noiseless." zurück 25 Für mich sind Münchhausen-Objekte soziologisch (aber auch sonst) völlig unergiebig. Alle Systeme, von denen ich reden kann, sind Moment eines Realitätskontinuums, das keine geheimnisvollen Emergenzsprünge zuläßt. Sonst wäre Systemtheorie als Wissenschaft nicht möglich, schon gar nicht als Soziologe. Ich oute mich hier also als Einsteinianer. zurück 26 Wenn wir das jedenfalls mit Schall und Wahn übersetzen dürfen. zurück 27 Man sieht hier, und Luhmann hat das ja oft genug betont, welche Leichtgängigkeit durch Sprache eingeführt wird. Ihr Gebrauch legt nahe, daß ein Anlaß vorliegt, und ihr Nichtgebrauch schafft Möglichkeiten des Bestreitens, daß ein Anlaß ein Anlaß gewesen sei. Siehe neuerdings für subtile Analysen Kieserling, A., Kommunikation unter Anwesenden, Studien über Interaktionssysteme, Dissertationsschrift, Bielefeld 1997. zurück 28 Dies genau wäre der Ansatzpunkt für eine systemtheoretisch inspirierte Hermeneutik bzw. Konversationsanalyse. Siehe für entsprechende Experimente Sutter, T. (Hrsg.), Beobachtung verstehen, Verstehen beobachten, Perspektiven einer konstruktivistischen Hermeneutik, Opladen 1997. zurück 29 Und wieder: nicht Auswahl durch jemanden. Das wird gleich noch klarer werden. zurück 30 Sie ist wohl eher eine Allegorie. zurück 31 Siehe dazu ausführlicher Fuchs, Ms. 1998, ein Text, der sich unter anderem entschieden gegen die absurde Idee wendet, es komme mitunter nicht, wenn zwei Systeme Kontakt aufnehmen, zur Ausprägung eines (wie immer zeitlich kurzen) Drittsystems sui generis. zurück 32 Wir formulieren damit analog zur dynamischen Bi-Stabilität des Bewußtseins. Vgl. Luhmann, N., Die Autopoiesis des Bewußtseins, in: Hahn, A./Kapp, V. (Hrsg.), Selbstthematisierung und Selbstzeugnis: Bekenntnis und Geständnis, Frankfurt 1987, S.25-94. zurück 33 Vgl. dazu umfangreich Fuchs 1998. zurück 34 Vgl. Luhmann, N., die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1997, S.115f. Realität ist schon nach Bachelard an einen coefficient d´adversité geknüpft. Vgl. Waldenfels, B., Intentionalität und Kausalität, in: Métraux, A./Graumann, C.F., Versuche über Erfahrung, Bern - Stuttgart - Wien 1975, S.113-135, S. 132, Anm.1. zurück 35 Eben deshalb ist Theater, insofern in einem dramatischen Stück der Text vorgegeben ist, ein Sonderfall. Vgl. dazu Fuchs, P., Die moderne Beobachtung kommunikativer Ereignisse: Eine heuristische Vorbereitung, in: Balke, F./Méchoulan, E./Wagner, B. (Hrsg.), Zeit des Ereignisses - Ende der Geschichte?, München 1992, S.111-128. zurück 36 Mir schwebt vage vor, daß es hier einen Zusammenhang gibt mit der Technik hermeneutischer Analyse des Oevermannschen Typs, mit der Produktion von Lesarten und der Selektion plausibler Lesarten. Die Idee ist, daß diese Kunstlehre auf Inversion hin durchgecheckt werden könnte. zurück 37 Es klingt arrogant, aber jede Analyse, die auf diesen Feinheitsgrad und diese Umständlichkeit verzichtet (die im übrigen ihre eigene Eleganz hat), neigt zur Hypostasierung, erzeugt neue Subjekte und Objekte. zurück 38 Das Problem einer konstruktivistischen Hermeneutik (etwa im Sinne Tilman Sutters, Beobachtung verstehen) bestünde dann darin, diese Doppelauslegung ihrerseits doppelt auslegen zu müssen, insofern sie ersichtlich selbst in die Struktur des Nachtrags eingebunden ist. Sie läuft damit, aber da sist faszinierend, auf das Problem des übersetzens auf. Vgl. dazu die Beiträge in Hirsch, A. (Hrsg.), übersetzung und Dekonstruktion (Reihe Aestetica, hrsg. von Karl Heinz Bohrer), Frankfurt a.M.1997. zurück 39 Um es erneut zu betonen: Hier kann man wirklich nicht mehr von einer biologisch gefärbten Autopoiesis-Analogie reden. zurück 40 Vgl. Fuchs, P., Theorie als Lehrgedicht, Ms. Groß Wesenberg 1997. zurück 41 Man könnte hier mit dem Epigrammbegriff von Jürgen Markowitz, Verhalten im Systemkontext, Zum Begriff des sozialen Epigramms, Diskutiert am Beispiel des Schulunterrichts, Frankfurt a.M. 1986, arbeiten, wenn er ein bißchen umgemodelt würde. Dieser Begriff reagiert auf die Differenz des Systems dadurch, daß er die Selbstsimplifikation des Systems (die Zone seiner partiellen Selbsttransparenz, die Selbstbeschreibung) als nach Innen und nach Außen funktional begreift. Das System orientiert sich an seiner Simplifikation, es nimmt, wie man sagen könnte, einen Pars-pro-toto-Kurs, aber es muß gleichzeitig dafür sorgen, daß seine Umwelt sich am selben Kurs orientiert. Es muß sich der psychischen Orientierung zu erkennen geben, mithin Formen (und Formeln) ausgeprägt haben, die als Verkürzung des Systems es für seine Umwelt in gewisser Weise lesbar machen - trotz seiner für es selbst nicht einholbaren und von niemandem rekonstruierbaren Komplexität. Eben dafür steht der Begriff des Epigramms ein. Er referiert auf die spezifischen Strukturen, die das System für Psychen andockfähig und buchstabierbar machen. zurück 42 Derselbe Sachverhalt läßt sich selbstverständlich auch komplexitätstheoretisch reformulieren. zurück 43 Diese Partialität ist im übrigen funktional als Bedingung der Möglichkeit der überraschung des Systems durch sich selbst (Lernen). Vgl. Fuchs Ms.1998. zurück 44 Vgl. dazu die Parabel von der kleinen Spinne in Spencer-Brown, Laws of Form, S.36/37, ferner den Kommentar S.81. Ich nehme mir die Freiheit dieser Interpretation, die mir auch der Autor gibt. Ich könnte auch formulieren, daß das System von epischer Breite ist und im Selbstzugang immer Impression, oder: daß das System episch ist, sein Selbstzugriff epigrammatisch. Vgl. dazu, daß die epische Bewegungsform mit der Metapher des Horizontalen belegt werden kann, Blumenberg, H., Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt a.M. 1997, S.42. Im Blick auf Autopoiesis wird bekanntlich schon in der Definition von der Netzwerkmetapher Gebrauch gemacht. zurück 45 Ich zitiere noch einmal Spencer-Brown, a.a.O, S.20, Anm.6: "The first clearance is to see that there is no evidence for the appearance of anything but appearance, that appearance is the only evidence we have for appearance, and that nothing other that appearance has ever been known to appear." zurück 46 Vgl. Fuchs, P., Die Form der Romantik, in: Ernst Behler et.al. (Hrsg.), Athenäum, Jahrbuch für Romantik, Jg.3, Paderborn, München, Wien, Zürich 1993, S.199-222. Wir zögern nicht, festzuhalten, daß die Romantik gerade hier (und dann mit der Reaktionsform der Ironie) ausgesprochen tiefe Intuitionen hatte, die wir heute als preadaptive advances für moderne Gesellschaftstheorie begreifen können. zurück 47 Vgl. Luhmann, N., Selbstorganisation und Mikrodiversität: Zur Wissenssoziologie des neuzeitlichen Individualismus, in: Soziale Systeme, Zeitschrift für soziologische Theorie, 3, 1997, H.1, S.23-32, der selbst zurückgreift auf Mai, St.N./Raybaut, A., Microdiversity and Macro-Order: Toward a Self-Organization Approach, in: Revue Internationale de Systémique 10, 1996, S.223-239. zurück 48 Für das Bewußtsein ist dies unmittelbar einleuchtend; es produziert selbstverständlich immer nur Bewußtsein, aber ist in dieser Reproduktion nicht oder nur unter hohem Aufwand festlegbar auf bestimmte Intentionen. Das Bewußtsein schweift vorzugsweise ab. zurück 49 Die ja auch die Selbstverständigung des Individuums mit sich selbst forderte, ehe es sich der disziplinierten Kommunikation aussetzen konnte. Vgl. dazu die überlegungen zum aufklärerischen Displacement in Fuchs 1993. zurück 50 Anders als Luhmann, Selbstorganisation, würde ich nicht von Selbstorganisationsprozessen sprechen, weil der Begriff in hohem Maße ambivalent wird, wenn von Funktionssystemen die Rede sein soll. zurück 51 Vgl. (ohne den direkt systemtheoretischen Bezug) Waldenfels, B., Phänomenologie in Frankreich, Frankfurt a.M. 1983, S.507. zurück 52 Wir würden das auch geltend machen wollen für das Bewußtsein, dann jedoch in Differenz zu den Mikrogewittern des neuronalen Systems. zurück 53 In einer Paraphrase Dürkheimscher überlegungen zur Anomie könnte man auch sagen: Mikrodiversität ist nützlich und notwendig. zurück 54 Mit Jürgen Markowitz würde ich dann Wert darauf legen, daß die Entsorgung ein Euphemismus ist. Die Sorge um das Entsorgte ist schließlich das eigentliche Problem, auch in der Welt des Sinns, in der sich offenbar nichts ent-sorgen läßt. zurück 55 Das läßt sich selbstverständlich komplexitätstheoretisch reformulieren. zurück 56 Schlegel, zit. nach Luhmann, Selbstorganisation, S.31. zurück 57 Mit dieser exotischen Analogie ist angedeutet, daß die Differenz Mikrodiversität/Selbstordnung ähnlich fundamental sein könnte wie die theorietechnische von Medium und Form. zurück 58 Hausmänner und Familienfrauen werden keine Probleme haben, diese Thesen zu verstehen. zurück 59 Vgl. noch einmal Heider, F., Ding und Medium, in: Symposion. Philosophische Zeitschrift für Forschung und Aussprache 1, 1926, S.109-157. Vgl. zu Ausarbeitungen in Auswahl Fuchs, P., Der Mensch - das Medium der Gesellschaft?, in ders./Göbel, A. (Hrsg.), Der Mensch - Das Medium der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1994, S.15-39; Luhmann, N., Das Kind als Medium der Erziehung, in: Zeitschrift für Pädagogik, Jg.37, H.1, 1991, S.19-40; ders., Das Medium der Kunst, in: Delfin 4, 1986, S.6-15. zurück 60 Solche Systeme haben also die Form von: a rose is a rose is a rose... zurück 61 Gerade Organisationen müssen offenkundig diese Konditionierbarkeit voraussetzen und deswegen laufend mit dem Problem der Nichtbestimmbarkeit rechnen oder in den Folgen dieser Nichtberechenbarkeit (zum Beispiel informaler Kommunikation) existieren. zurück 62 Luhmann, Das Kind als Medium, S.29f. zurück 63 Diese Versuche gibt es, und sie waren für die Soziologie alles andere als folgenlos. Man denke nur an die Wirkung der Thesen über die Instinktoffenheit des Menschen, über seine Plastizität in der Soziologie und die daran anschließenden Vorstellungen von der soziokulturellen (zweiten) Geburt des Menschen. Eine wissenssoziologische Beobachtung der Soziologie könnte hier mitsehen, daß sich die Disziplin selbst in die Unbestimmbarkeitsprojektion mit begleitender Idee der Konditionierbarkeit sauber einreiht, die im Kontext funktionaler Differenzierung notwendig wird. zurück 64 Das erhellt schon daraus, daß Individuen nicht immer in dieser Form unterstellt waren. Siehe allgemein Luhmann, N., Die gesellschaftliche Differenzierung und das Individuum, in: Olk, Th./Otto, H.-U. (Hrsg.), Soziale Dienste im Wandel 1, Helfen im Sozialstaat, Neuwied - Darmstadt 1987, S.121-137. Siehe für einen instruktiven Fall Stanitzek, G., Blödigkeit. Beschreibungen des Individuums im 18.Jahrhundert, Tübingen 1989. zurück 65 In wie immer auch ausgedünnter Form. Vgl. dazu Fuchs, P., Realität der Virtualität - Aufklärungen zur Mystik des Netzes, in: Andreas Brill/Michael de Vries (Hrsg.), Virtuelle Wirtschaft, Virtuelle Unternehmen, Virtuelle Produkte, Virtuelles Geld und virtuelle Kommunikation, Opladen (Westdeutscher Verlag) 1998, S.301-322. zurück 66 Und interaktionskopierende Formen. Ich orientiere mich im weiteren in einigen Hinsichten pointierend an Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden. Im übrigen habe ich schon durch die Formulierung mikrodiverse Lage implizit an dieser These orientiert. zurück 67 Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, S.116. zurück 68 Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden., S.115. zurück 69 Vgl. zum Begriff Fuchs, P., Adressabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie, in: Soziale Systeme, Jg.3, H1., 1997, S.57-79. zurück Prof. Dr. Peter Fuchs Copyright © by the author. All rights reserved. Die Spielregeln der IASL Diskussionsforen online finden Sie auf der Seite Diskussionsforen. |